Und die Lehre wandelt sich doch

Und die Lehre wandelt sich doch

Und die Lehre wandelt sich doch

Der Katechismus lehnt die Todesstrafe jetzt eindeutig ab – ein Beispiel, wie die Kirche ihre Lehre entwickelt

Seit dem 2. August lehrt die katholis­che Kirche in ihrem Kat­e­chis­mus offiziell, dass «die Todesstrafe unzuläs­sig ist, weil sie gegen die Unan­tast­barkeit und Würde der Per­son ver­stösst». Bish­er hat­te der Kat­e­chis­mus Hin­rich­tun­gen als äusser­stes Mit­tel nicht aus­geschlossen.In früheren Jahrhun­derten hat­ten Päp­ste als Ober­häupter des Kirchen­staats ein ihrer Zeit entsprechen­des unbe­fan­ge­nes Ver­hält­nis zur Todesstrafe. Bis ins 19. Jahrhun­dert beschäftigten sie Schar­frichter; die let­zte Exeku­tion fand 1868 statt.Ein deut­lich­es Abrück­en erfol­gte erst nach dem Zweit­en Vatikanis­chen Konzil (1962–1965), als Paul VI. 1969 die Todesstrafe im Vatikanstaat abschaffte. Grund­sät­zlich­er beze­ich­neten Johannes Paul II. (1978–2005) und Benedikt XVI. (2005–2013) die Anwen­dung der Todesstrafe als unnötig und trat­en für ihre all­ge­meine Abschaf­fung ein.In der ersten Aus­gabe des Kat­e­chis­mus von 1992 erkan­nte die Kirche allerd­ings noch das Recht und die Pflicht der Staats­ge­walt an, «der Schwere des Ver­brechens angemessene Strafen zu ver­hän­gen, ohne in schw­er­wiegend­sten Fällen die Todesstrafe auszuschlies­sen». Laut ein­er über­ar­beit­eten Fas­sung von 1997 musste «die Iden­tität und die Ver­ant­wor­tung des Schuldigen mit ganz­er Sicher­heit fest­ste­hen»; ausser­dem schloss «die über­lieferte Lehre der Kirche» die Todesstrafe nur dann nicht aus, «wenn dies der einzig gang­bare Weg wäre, um das Leben von Men­schen wirk­sam gegen einen ungerecht­en Angreifer zu vertei­di­gen».Zum 25. Jahrestag des Kat­e­chis­mus im Okto­ber 2017 plädierte dann Papst Franziskus für eine bedin­gungslose Verurteilung der Todesstrafe. Dies set­zt jet­zt der erneuerte Artikel 2267 des Kat­e­chis­mus um: Nach dem am 2. August veröf­fentlicht­en Wort­laut ist «die Todesstrafe unzuläs­sig», weil sie «gegen die Unan­tast­barkeit und Würde der Per­son ver­stösst». Weit­er definiert das Grund­buch der katholis­chen Lehre, die Kirche set­ze sich «mit Entsch­ieden­heit für deren Abschaf­fung in der ganzen Welt ein».

«Reifung des Gewissens der Kirche»

«Ein schönes Beispiel für die Rei­fung des moralis­chen Gewis­sens der Kirche», kom­men­tiert Thier­ry Col­laud den Schritt von Papst Franziskus. Für den Pro­fes­sor für Ethik an der Freiburg­er The­ol­o­gis­chen Fakultät han­delt es sich um eine organ­is­che Entwick­lung, wie die Kirche schon andere erlebt hat. Vor der Todesstrafe hat­ten sich auch ihre Ansicht­en über Sklaverei, Demokratie oder sog­ar zin­stra­gende Kred­ite entwick­elt.Sehr dankbar für die Entschei­dung von Papst Franziskus zeigte sich die katholis­che Ordens­frau Helen Pre­jean, eine Sym­bol­fig­ur der Bewe­gung zur Abschaf­fung der Todesstrafe in den USA. Sie betreute seit 1981 Todeskan­di­dat­en in Gefäng­nis­sen. Über ihre Erfahrun­gen veröf­fentlichte sie 1994 den Best­seller «Dead Man Walk­ing», der erfol­gre­ich ver­filmt wurde.

kath.ch/cva

Redaktion Lichtblick
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