Viel­fäl­ti­ger als gedacht

Das Bild der katho­li­schen Kir­che zum The­ma Fami­lie ist geprägt von einer rigi­den Sexu­al­mo­ral und der Unauf­lös­lich­keit der Ehe. Sie droht des­halb bei die­sem The­ma «hand­lungs- und kom­mu­ni­ka­ti­ons­un­fä­hig zu wer­den», heisst es in einer neu­en Publi­ka­ti­on. Sie zeigt anschau­lich, wie viel­fäl­tig Fami­li­en sind und dass dies im kirch­li­chen All­tag vie­ler­orts als selbst­ver­ständ­lich wahr­ge­nom­men wird.

In der Schweiz wur­de wie in allen Tei­len der Welt die katho­li­sche Bevöl­ke­rung nach ihrer Sicht von Ehe und Fami­lie in der Kir­che befragt. Die Ergeb­nis­se zeig­ten nicht eine Fami­li­en­form, son­dern einen bun­ten Strauss von Fami­li­en­for­men, die dem Ide­al­bild der katho­li­schen Kir­che nicht mehr so oft ent­spre­chen. Und doch ver­ste­hen sich vie­le Men­schen die­ser Kir­che noch ver­bun­den. Die Ergeb­nis­se die­ser zwei­tei­li­gen Befra­gung dien­ten und die­nen der Schwei­zer Ver­tre­tung der Bischö­fe in Rom als Grund­la­ge für deren Voten vor dem Papst und der Syn­ode.Men­schen, Geschich­ten, Schick­sa­le Hin­ter den in die­sen Stu­di­en zusam­men­ge­tra­ge­nen Daten ste­hen aber Men­schen, Geschich­ten, Freu­den und Schick­sa­le. Fünf sol­che Geschich­ten wer­den hier erzählt. Fünf aus Tau­sen­den von Fami­li­en­ge­schich­ten. Allein schon die­se Hand­voll zeigt eine bemer­kens­wer­te Viel­falt von Fami­li­en­for­men. Und es zeigt, dass Glau­be und Kir­che in vie­len Familien(formen) The­ma sind, die Hal­tung der katho­li­schen Kir­che aber sehr unter­schied­lich wahr­ge­nom­men wird.Vor­ur­teils­frei­es Ken­nen­ler­nen Genau sol­che Fra­gen wer­den auch an der kom­men­den Bischofs­syn­ode zu Ehe und Fami­lie behan­delt wer­den. Doch, die­ses Buch sei nicht nur ein Bei­trag zur lau­fen­den Fami­li­en­syn­ode in Rom. «Es ist auch ein anschau­li­ches Medi­um für das vor­ur­teils­freie Ken­nen­ler­nen und genaue Ver­ste­hen unter­schied­li­cher Fami­li­en­si­tua­tio­nen in unse­rer Gesell­schaft», schreibt Arnd Bün­ker, Direk­tor des Schwei­ze­ri­schen Pasto­ral­so­zio­lo­gi­schen Insti­tuts, das im Auf­trag der Schwei­zer Bischofs­kon­fe­renz die lan­des­wei­te Erhe­bung zum The­ma Fami­lie vor­ge­nom­men hat.Ein Drei­schritt für die Kir­che Das Buch «Fami­li­en­viel­falt in der katho­li­schen Kir­che» zeigt fünf ganz unter­schied­li­che Fami­li­en. Dazu ste­hen Gesprä­che mit Fach­leu­ten aus Wis­sen­schaft und Seel­sor­ge, Refle­xio­nen über Gen­der­fra­gen, Riten und Hoff­nun­gen, die in die Bischofs­syn­ode und in Papst Fran­zis­kus gesetzt wer­den. Abge­schlos­sen wird das auch gra­fisch sehr anspre­chend gestal­te­te Buch mit einer Zusam­men­fas­sung des Mit­her­aus­ge­bers Hans­pe­ter Schmitt, Lehr­stuhl­in­ha­ber für Theo­lo­gi­sche Ethik an der Theo­lo­gi­schen Hoch­schu­le in Chur. Der geht aber gleich noch wei­ter und zeigt, wie die Kir­che in einem Drei­schritt die vie­ler­orts gefor­der­te Offen­heit gegen­über der bestehen­den Fami­li­en­viel­falt ver­wirk­li­chen kann. Ana­log dem Drei­schritt «Sehen, Urtei­len, Han­deln» macht sich der Autor für «Viel­falt wahr­neh­men», «Viel­falt aner­ken­nen» und dar­aus für bewuss­tes und gewoll­tes «Viel­falt gestal­ten» in der Ehe- und Fami­li­en­seel­sor­ge stark.Aner­ken­nung der Viel­falt tut Not Zum Ende des Buches zeigt Hans­pe­ter Schmitt in sei­nem Bei­trag denn auch noch ein­mal deut­lich, was von Beginn der Lek­tü­re die­ses Buches mit­schwingt, wenn es um die Fra­ge von Wahr­neh­mung, Aner­ken­nung und Gestal­tung von Fami­li­en­viel­falt geht: «Die­se umfas­sen­de Aner­ken­nung ist pasto­ra­le Rea­li­tät und soll auch amts­kirch­lich nach­voll­zo­gen wer­den.» Die Fak­ten für die Schweiz – und sicher auch für ande­re Län­der – lie­gen auf dem Tisch. Die­ses Buch ergänzt sie mit ein­drück­li­chen Por­träts von Fami­li­en und wei­ter­füh­ren­den Über­le­gun­gen zur Rol­le der Kir­che inmit­ten die­ser Fami­li­en­viel­falt. Der Ball ist gespielt.Hei­di Kro­nen­berg, Chri­sti­na Caprez, Mar­tin Leh­mann: Fami­li­en­viel­falt in der katho­li­schen Kir­che. Geschich­ten und Refle­xio­nen. Her­aus­ge­ge­ben von Arnd Bün­ker und Hans­pe­ter Schmitt. Theo­lo­gi­scher Ver­lag Zürich, 2015.
Marie-Christine Andres Schürch
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