Thomas Wallimann-Sasaki: «Die Kirchen müssen sich zu Wort melden»

Thomas Wallimann-Sasaki: «Die Kirchen müssen sich zu Wort melden»

  • Am let­zten Sep­tem­ber­woch­enende stim­men wir über fünf Vor­la­gen ab: Begren­zungsini­tia­tive, Jagdge­setz, Steuer­abzug für Kinder, Vater­schaft­surlaub und Kampf­flugzeuge.
  • Hor­i­zonte wollte vom Sozialethik­er Thomas Wal­li­mann wis­sen, warum sich die Kirchen mit Empfehlun­gen zurück­hal­ten.

Kirchliche Abstimmungsempfehlungen

oeku ‑Kirche und Umwelt emp­fiehlt Nein zum Jagdge­setz

https://www.youtube.com/watch?time_continue=1&v=bQqdvYOM3lI

Ein Hauptziel der Revi­sion des «Bun­des­ge­set­zes über die Jagd und den Schutz wildleben­der Säugetiere und Vögel» (Jagdge­setz) ist die Reg­ulierung der Wolfs­bestände. Die Revi­sion geht aber weit darüber hin­aus. Der Bun­desrat kann in eigen­er Kom­pe­tenz weit­ere geschützte Tier­arten für die Bestandesreg­ulierung zum Abschuss freigeben. Nicht der Abschuss von Wölfen ist heute erforder­lich, son­dern die Begren­zung der men­schlichen Ein­griffe in die Natur. Denn kein Geschöpf ist über­flüs­sig. Der oeku-Vor­stand emp­fiehlt, das rev­i­dierte Jagdge­setz abzulehnen, über das am 27. Sep­tem­ber abges­timmt wird.

Der Aar­gauis­che Katholis­che Frauen­bund sagt Ja zum Vater­schaft­surlaub

https://www.youtube.com/watch?v=MXTQXjMFK5A

Der Vater­schaft­surlaub ist ein uner­lässlich­er Schritt zur Gle­ich­stel­lung. Denn Müt­ter und Väter sind nach der Ver­fas­sung gle­ich­berechtigt und gle­ich­w­er­tig. Die Gle­ich­stel­lung in der Fam­i­lie und im Erwerb­sleben wird in der Ver­fas­sung aus­drück­lich erwäh­nt. Der noch fehlende Vater­schaft­surlaub ist deshalb ein wichtiger Meilen­stein in Rich­tung ein­er gerecht­en Aufteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit. Mit dem neuen Gesetz soll nun der lang erkämpfte Mut­ter­schaft­surlaub ergänzt wer­den mit dem drin­gend nöti­gen Vater­schaft­surlaub zwecks besser­er Vere­in­barkeit von Fam­i­lie und Beruf zum Wohle der ganzen Fam­i­lie. Nach Über­prü­fung aller Argu­mente emp­fiehlt der Aar­gauis­che Katholis­che Frauen­bund, der Vor­lage «Vater­schaft­surlaub» mit einem deut­lichen Ja zuzus­tim­men.

Empfehlun­gen des katholis­chen Insti­tuts für Sozialethik (ethik22)

Das vom Sozialethik­er Thomas Wal­li­mann geführte Insti­tut ethik22 gibt in sein­er Online-Broschüre «Sehen-Urteilen-Han­deln» Abstim­mungsempfehlu­gen zu allen fünf Vor­la­gen. Es gibt keinen Posi­tions­beszug, aber bei der Begren­zungsini­ti­aitve wird betont, dass sie zu ein­er grossen Span­nung zur christlichen Ethik ste­ht.

Bis­chöfliche Kom­mis­sion Justi­tia et Pax

Eine Stel­lung­nahme war zum Zeit­punkt des Redak­tion­ss­chlusses noch nicht ver­füg­bar, dürfte aber noch kom­men.

Herr Wal­li­mann: Zu welchen Vor­la­gen müsste sich die Kirche äussern?
Thomas Wal­li­mann-Sasa­ki:
Zum Jagdge­setz, wie das die Kom­mis­sion für Kirche und Umwelt oeku macht, eigentlich am wenig­sten. Meines Eracht­ens ist die SVP-Ini­tia­tive das Kern­the­ma.

Warum?
Diese Ini­tia­tive treibt Keile zwis­chen uns Men­schen und bein­hal­tet ver­steck­te ras­sis­tis­che Ele­mente. So etwas muss man the­ma­tisieren. Beson­ders, weil auch unsere Kirche ja von den Aus­län­dern lebt. Wir haben nur auf­grund der Zuwan­derung einen gebrem­sten Mit­glieder­schwund. Zudem kom­men ja auch viele Priester aus dem Aus­land. Und ganz im Kern: «Aus­län­der» gibt es für Christin­nen und Chris­ten in diesem Sinne nicht.

Und die anderen Vor­la­gen?
Da wären noch die Kampf­flieger: Frieden und somit der Umgang mit Gewalt – ein Kern­the­ma der christlichen Botschaft. Die Kirchen dür­fen sich fra­gen, welche Posi­tion sie gegenüber Waf­fen und Mil­itär ein­nehmen möcht­en. Klar gibt es das Recht auf Selb­stvertei­di­gung. Aber man müsste sich getrauen, wenig­stens die Frage der Ver­hält­nis­mäs­sigkeit zu stellen: Was ist die wirk­liche Bedro­hungslage, und braucht es da 40 Flugzeuge?

Vom Katholis­chen Frauen­bund gibt es eine Empfehlung zum Vater­schaft­surlaub.
Der Vater­schaft­surlaub ist ein Schritt in die richtige eine Rich­tung, aber im Grunde ein Tropfen auf den heis­sen Stein. Noch viel wichtiger ist, dass Kinder aus sozial schwachen Fam­i­lien, ger­ade auch solche die sprach­lich Schwierigkeit­en haben, nicht weit­er benachteiligt wer­den.

Und die Kinder­abzüge?
Das geht in die gle­iche Rich­tung. Diese Vor­lage begün­stigt Besserver­di­enende und jene, die über­haupt Bun­dess­teuern bezahlen müssen. Da müssten sich die Kirchen zu Wort melden und an die Sol­i­dar­ität mit den Schwachen erin­nern. Es ist irreführend, zu sagen, dass Fam­i­lien mit Kindern von dieser Vor­lage prof­i­tieren. Ein­mal mehr haben näm­lich die Armen kaum etwas davon.

Es scheint, als ver­hiel­ten sich die Kirchen auf­fal­l­end zurück­hal­tend im Abstim­mungskampf.
Das ist richtig.

Haben Sie eine Erk­lärung dafür?
Das kirch­liche Engage­ment bün­delt sich bere­its jet­zt für die Konz­ern­ver­ant­wor­tungsini­tia­tive (Kovi), über die wir im Novem­ber abstim­men.

Warum eigentlich? Im Sep­tem­ber geht es doch um die Men­schen hier im Land.
Die Kovi zeigt, dass die Kirchen und ihre Organ­i­sa­tio­nen ein gut entwick­eltes Sol­i­dar­itätsver­ständ­nis haben. Armut in den Län­dern des Südens ist gravieren­der als bei uns. Diese Erken­nt­nis hat sich wohl im Zuge der Coro­na-Krise noch gefes­tigt. Wir haben im Ver­gle­ich zu anderen Län­dern dank unserem gut funk­tion­ieren­den und wohlhaben­den Sozial­staat viel auf­fan­gen kön­nen.

Andreas C. Müller
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