Zürcher City-Kirche mit erstem Tiertrauergottesdienst

Zürcher City-Kirche mit erstem Tiertrauergottesdienst

  • Zum ersten Mal in der Schweiz fand am ver­gan­genen Son­ntag, 3. Feb­ru­ar, ein Gottes­di­enst für Men­schen statt, die um ein Tier trauern. Die Besucherin­nen und Besuch­er kamen nicht nur aus der ganzen Deutschschweiz, son­dern auch aus dem deutschsprachi­gen Aus­land.
  • Die Trauer um ein Tier werde vielfach belächelt, so der Kon­sens am ersten Schweiz­er Tier­trauer­gottes­di­enst. In Zürich sollen darum weit­ere Ver­anstal­tun­gen zum The­ma Trauer um Tiere fol­gen. Auch eine Trauer­gruppe für Tier­hal­ter ist geplant.
 «In tiefer Liebe und Dankbarkeit», oder: «Ich werde euch immer lieb haben». Diese und ähn­liche Sätze zierten nicht die Trauer­bän­der von Kränzen an ein­er Beerdi­gung, son­dern wur­den von den Anwe­senden am ersten Schweiz­er Gottes­di­enst für Men­schen, die um ein Tier trauern, in ein Kon­dolenzbuch geschrieben. Zwar hat­ten sich am ver­gan­genen Son­ntag, 3. Feb­ru­ar, nur wenig mehr als 30 Per­so­n­en in der Offe­nen City–Kirche St. Jakob beim Stauf­fach­er in Zürich ver­sam­melt – dafür aber kamen einige von weit her: Aus den Kan­to­nen Thur­gau und Solothurn beispiel­sweise, aber auch aus Voral­berg und sog­ar aus Frank­furt.

Für Nicht-Tierhalter nur schwer nachvollziehbar

«Wir wollen heute ein The­ma benen­nen, das in der Gesellschaft noch nicht angekom­men ist: Die Trauer um unsere tierischen Gefährten». Mit diesen Worten eröffnete Michael Schaar, reformiert­er Pfar­rer der Offe­nen City-Kirche St. Jakob und Vor­standsmit­glied von «AKUT» (Aktion Kirche und Tiere), die Andacht. Über­haupt seien Tod und Trauer zu Randthe­men gewor­den. «Und ger­ade für Men­schen, die kein enges Ver­hält­nis zu Tieren haben, ist die Trauer um ein Tier nur schw­er nachvol­lziehbar», erk­lärte Michael Schaar. «Davon soll­ten wir uns aber nicht verun­sich­ern lassen».Im Ver­laufe des Gottes­di­en­stes kon­nten die Tier­hal­ter für ihre ver­stor­be­nen vier­beini­gen Fam­i­lien­mit­glieder Kerzen anzün­den und Gedanken in ein Kon­dolenzbuch schreiben. Fam­i­lie Schenker beispiel­sweise hat vor einem Jahr ihre Stute Kahi­la ver­loren. Nach einem erfüll­ten Leben sei das Pferd im Alter von 31 Jahren gestor­ben, «nach­dem es 20 Jahre mit uns gelebt hat», berichtete Frau Schenker nach dem Gottes­di­enst. «Sie war ein Fam­i­lien­mit­glied und der mass­ge­bliche Grund dafür, dass wir ver­heiratet sind und unser Kind haben». Zudem habe Kahi­la vie­len Kindern Ver­trauen geschenkt, die schwierige Sit­u­a­tio­nen erlebt hät­ten.

Trauer um Tiere: Ein Forschungsgebiet

Herr und Frau Meier trauern noch immer um ihre Katzen, die 2016 inner­halb von drei Monat­en ver­stor­ben sind. Dass erst kür­zlich auch noch die Katze ein­er Bekan­nten, die sie immer wieder gehütet hät­ten, gestor­ben sei – noch dazu bei ihnen, habe alte Wun­den wieder aufgeris­sen. Dass sie in ihrer Trauer nicht immer nur auf Ver­ständ­nis stossen, kon­nten die bei­den bestäti­gen: «Deine Katzen waren doch schon alt. Du hast ja gewusst, dass das kommt», heisse es manch­mal. Sie nähme das den Leuten, die sich so äusserten, aber nicht übel, meinte Frau Meier, denn: «Wer sel­ber keine Tiere hat, ver­ste­ht das nicht».«Viele Men­schen kön­nen nicht nachvol­lziehen, dass Tiere nicht ein­fach bewegte Dinge sind, son­dern Gefährten, an denen man mit dem Herzen hängt», erk­lärte Tierärztin Mar­i­on Schmitt aus Han­nover. Die 25-Jährige beschäftigt sich in ihrer Dis­ser­ta­tion mit der Trauer um Haustiere. Pfar­rer Schaar wurde zufäl­lig auf diese Arbeit aufmerk­sam und lud Mar­i­on Schmitt spon­tan ein, am Gottes­di­enst anstelle der Predigt aus ihrer Forschung zu bericht­en.

«Tiere erfüllen dieselben Aufgaben wie Menschen»

Als wichtig­ste Erken­nt­nis ihrer Arbeit erachtet Mar­i­on Schmitt den Umstand, dass es prinzip­iell keinen Unter­schied gebe zwis­chen der Trauer um einen Men­schen und einem Tier. Gle­ich­wohl werde Let­ztere oft bagatel­lisiert, erk­lärte die junge Tierärztin den Anwe­senden in Zürich. «Es ist doch nur ein Hausti­er», bekä­men die Betrof­fe­nen oft zu hören. «Würde man sich in ähn­lich­er Weise über ein ver­stor­benes Eltern­teil äussern, hätte das gesellschaftliche Äch­tung zur Folge», meinte Mar­i­on Schmitt.Tiere seien aber Fam­i­lien­mit­glieder und erfüll­ten oft Auf­gaben, wie sie auch Men­schen in ein­er Beziehung übernehmen wür­den, führte die Tierärztin aus Han­nover weit­er aus. «Oft ver­brin­gen wir Jahrzehnte mit unseren Haustieren – und dann verbindet uns viel mehr mit ihnen, als uns zunächst bewusst ist. Wenn das Tier dann stirbt, ist das ein­schnei­dend.» Und oft müsse man noch den Entscheid tre­f­fen, das Tier einzuschläfern: «Gemein­sam mit dem Tier­arzt wird geschaut, ob ein Weit­er­leben dem Tier noch zuträglich ist. Man entschei­det hier­bei aber nicht über, son­dern für das Tier», betonte Mar­i­on Schmitt, die mit solchen Sit­u­a­tio­nen aus ihrer Arbeit in der Klein­tier­prax­is ver­traut ist.

«Beseelt von demselben göttlichen Geist»

Unter den Anwe­senden in der Zürcher City-Kirche befan­den sich neben Trauern­den wie den Schenkers oder den Meiers auch Men­schen, die wie Christa und Bern­hard Rinke durch ihre Anwe­sen­heit Gottes­di­en­ste unter­stützen wollen, die Tiere zum The­ma machen. Aus diesem Grund seien die bei­den auch mit ihren bei­den Hun­den in die City-Kirche beim Zürcher Stauf­fach­er gekom­men. «Wir find­en so etwas wichtig, denn Tiere sind auch Mit­glieder unser­er Gesellschaft», erk­lärte Christa Rinke.Chris­tine Gadola war es zudem ein Anliegen, dass an geschlachtete Tiere gedacht wird. Zu diesem Zweck hat­te die Tier- und Kli­ma-Aktivistin eigens Fly­er von veg­e­tarischen Organ­i­sa­tio­nen mit­ge­bracht und verteilt. «Wenn ich Chris­ten auf den Fleis­chkon­sum anspreche, kommt oft die Begrün­dung unter Ver­weis auf die Bibel, dass die Tiere doch dem Men­schen unter­tan seien», berichtete Chris­tine Gadola und meinte, dass sie das nicht gel­ten lasse – auch unter Ver­weis auf die Worte von Pfar­rer Schaar: «Men­schen und Tiere sind von dem­sel­ben göt­tlichen Geist beseelt.» Mehr noch: «Wür­den wir keine Tiere mehr essen, müsste nie­mand auf der Welt mehr hungern, ist Chris­tine Gadola überzeugt.

Von Kirchenfernen an den Pfarrer herangetragen

Das The­ma der Trauer um Haustiere wurde für Michael Schaar mit Antritt der Pfarrstelle an der Zürcher City-Kirche bedeut­sam. Wöchentlich am Dien­stag von 16.30 Uhr bis 18 Uhr kön­nten Men­schen unangemeldet im Kirchen­raum eine Pfar­rper­son tre­f­fen und ein seel­sor­glich­es Gespräch führen. «In diesen Gesprächen war die Trauer um Haustiere oft ein The­ma – und zwar vielfach bei Men­schen, die nicht Mit­glieder der Kirche sind», so Michael Schaar. Auch der Wun­sch nach Bestat­tungsritualen sei bere­its ver­schiedentlich geäussert wor­den. Pfar­rer Schaar dazu: «Wir wollen das the­ol­o­gisch reflek­tiert und begrün­det entwick­eln. Aber das braucht sich­er noch etwas Zeit.» In jedem Fall werde kün­ftig eine Gedenk­feier für Trauernde von Haustieren ihren fes­ten Platz im Jahreskalen­der haben. Und auch eine Trauer­gruppe für Tier­hal­ter sei geplant. Zudem gebe es in Zusam­me­nar­beit mit der Paulus-Akademie und dem Bestat­tungsamt Zürich im April dieses Jahres eine weit­ere Ver­anstal­tung zum The­ma.Sehr ange­tan von der diesjähri­gen Feier zeigte sich Natal­ie Ende aus Frank­furt. Die Pfar­rerin aus Deutsch­land kam eigens für den Gottes­di­enst in die Schweiz. Die Seel­sorg­erin aus der Banken­metro­pole schreibt an einem Buch über die Rolle der Tiere in der Kirche: «Zum einen unter­suche ich, welche Bedeu­tung sie in der Bibel haben, aber auch, wie sie in der Kirche ein­be­zo­gen wer­den – beispiel­sweise in Gottes­di­en­sten, bei Rei­t­ex­erz­i­tien oder auf Pil­ger­reisen». Einen Gottes­di­enst eigens für Trauernde um Tiere habe sie in Deutsch­land bis anhin noch nicht gefun­den, meinte Natal­ie Ende. «Das ist ein ganz neuer Weg.»
Andreas C. Müller
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