Wie Sand im Sonnenlicht

Wie Sand im Sonnenlicht

An heis­sen Som­merta­gen kann der Besuch in ein­er der schön­sten Aar­gauer Betonkirchen für Architek­tur­in­ter­essierte zu einem richtig coolen Erleb­nis wer­den. Hor­i­zonte machte die Probe aufs Exem­pel und liess sich aus­gewählte Schmuck­stücke vom lei­t­en­den Denkmalpfleger Reto Nuss­baumer zeigen — in dieser Folge die Kirche St. Johannes in Buchs, die dieses Jahr 50 Jahre alt wird. Nach zwei Sanierun­gen hat sie ihren ursprünglichen Charak­ter zurück­er­hal­ten. Ein aus­drucksstarkes Ensem­ble aus Beton, das wie angegossen ins Gelände passt.Stufe um Stufe steigt die Anlage, jed­er Schritt führt weg aus dem All­t­ag. Es geht hin­auf zum geschützten Vor­platz. Und dann hinein in den Kirchen­raum mit seinem Geheim­nis von Schat­ten und Licht. Man betritt den Bau an sein­er niedrig­sten Stelle. Links liegt die Werk­tagskapelle. Rechts liegt der Kirchen­raum, durch den man in einem Bogen nach vorne zum Altar kommt. Über den Sitzbänken wird die Decke leicht höher, um dann über dem Altar­raum nach oben weit offen zu ste­hen. Gle­ichzeit­ig senkt sich der Boden vom Ein­gangs­bere­ich zum Altar­raum hin leicht ab. «Hanns A. Brütsch hat das Spiel mit dem Licht beherrscht.», bemerkt Reto Nuss­baumer anerken­nend. Der Kun­st- und Architek­turhis­torik­er arbeit­et als kan­tonaler Denkmalpfleger. Er erläutert: «Eigentlich kön­nte diese mod­erne Kirche viele grosse Fen­ster haben. Und doch sitzt man hier in der Bank und sieht nir­gends nach Draussen. Ein bewusster Entscheid des Architek­ten.»

Lichtfuge

Den­noch ist es hell, nur eben nicht über­all. Die Licht­führung beein­druckt. Lück­en und Fugen im Beton sind so platziert, dass Licht auf den Altar und die Wand dahin­ter fällt. Dieser Teil des Raums ist als Mit­telpunkt hell beschienen, während Ein­gangs­bere­ich und Sitzbänke im Halb­dunkel ver­schwinden. Den Innen­raum der Kirche entwick­elte der Architekt Hanns A. Brütsch zusam­men mit dem Bild­hauer Josef Rick­en­bach­er, der Altar, Ambo, Taber­nakel und Tauf­stein ent­warf. Die Wand­malereien in der Kapelle stam­men von Willy Hel­bling.

Billige Materialien

Reto Nuss­baumer weist noch auf eine weit­ere Beson­der­heit hin: Die Buchser Kirche vere­inigt lauter «bil­lige» Mate­ri­alien. Der dun­kle Boden ist aus Bitu­men gegossen, die Holzverklei­dung im hin­teren Teil beste­ht aus dunkel gebeiztem Weich­holz, sägeroh und ungeschlif­f­en. Der Rest ist Sicht­be­ton. Als die Kirche 1967 fer­tiggestellt war, gefiel der mod­erne Beton­bau längst nicht allen Pfar­reiange­höri­gen. Doch der Bau entsprach dem dama­li­gen Zeit­geist, wie Reto Nuss­baumer sagt: «Die Kirche ging aus einem Wet­tbe­werb her­vor. Doch die anderen ein­gere­icht­en Pro­jek­te waren ähn­lich. Ein Architekt, der in dieser Zeit etwas auf sich hielt, baute in Beton, son­st galt er als Ewiggestriger.»

Unter Denkmalschutz

Heute, 50 Jahre später, ste­ht die Kirche unter eid­genös­sis­chem und kan­tonalem Denkmalschutz. Das Gebäudeensem­ble sei typol­o­gisch und mit sein­er Mate­ri­al­wahl ein charak­ter­is­tis­ches Zeug­nis sein­er Zeit. Es zeichne sich durch seinen kün­st­lerischen Wert aus, der aus der engen Zusam­me­nar­beit von Architekt Hanns A. Brütsch und dem Bild­hauer Josef Rick­en­bach­er resul­tiere, schreibt die Denkmalpflege Aar­gau.

Expressivster Bau im Aargau

Auf der Süd­seite der Kirche schweift Reto Nuss­baumers Blick nach oben. Die Kirche schraubt sich empor, kaskadenar­tig steigt die Fas­sade an, bis hin­auf zum Turm. Sechs Ebe­nen schim­mern übere­inan­der in der Sonne. Der Beton hat die Farbe von Sand. «Was die skulp­turale Wirkung ange­ht, ist Buchs der expres­sivste Bau. Für mich der ein­drück­lich­ste Kirchen­bau im Aar­gau.», sagt Reto Nuss­baumer. Wohl war das Grund­stück vor dem Bau nicht gän­zlich flach. Jedoch ist der Grun­driss so geschickt ins Gelände gepasst, dass sich Hügel und Kirchenan­lage gegen­seit­ig in ihrer Wirkung ver­stärken.

Beton braucht Schutz

Der Denkmalpfleger stre­icht mit der Hand über das Beton­pro­fil. Die Wand zeigt das Quer­muster der Schalungs­bret­ter, zwis­chen die der Beton gegossen wurde. Nichts deutet darauf hin, dass hier vor weni­gen Jahren noch Risse den Blick auf ros­tige Eisen­stäbe freiga­ben. In den fün­fzig Jahren ihres Beste­hens hat die Kirche bere­its zwei Sanierun­gen erlebt. Schon Mitte der 80er-Jahre, 20 Jahre nach Fer­tig­stel­lung, wur­den grosse Fas­saden­schä­den ent­deckt. «Beton lässt schi­er alles zu – es muss aber richtig mit ihm umge­gan­gen wer­den.», erk­lärt Reto Nuss­baumer. Beim Bau der Buchser Kirche wusste man noch nicht so genau wie heute, auf was man beim Bauen mit Beton acht­en muss. So wur­den die Armierung­seisen nicht genü­gend mit Beton überdeckt und die Eisen­stäbe im Innern began­nen zu ros­ten. Weil Rost das Vol­u­men des Eisen­stabs ver­grössert, ent­stand Druck, der den Beton absprengte.

Eine Gratwanderung

Während die Beton­sanierung von 1988 die Wirkung des Baus empfind­lich beein­trächtigt hat­te, wurde bei der Aussen­restau­rierung von 2014 bis 2015 das ursprüngliche Ausse­hen in aufwendi­ger Arbeit wieder­hergestellt. Reto Nuss­baumer und Peter May­er begleit­eten die Arbeit­en von Seit­en der Denkmalpflege. Eine solche Restau­rierung könne ein Grat­wan­derung sein, weiss er: «Für uns Denkmalpfleger ist das Resul­tat gelun­gen, wenn alles möglichst aussieht wie im Urzu­s­tand. Manchen Leuten scheint dann aber, es sei gar nichts gemacht wor­den. Und das für so viel Geld.» Diese Grat­wan­derung ist bei der Buchser Kirche geglückt. Der wichtig­ste Effekt der abgeschlosse­nen Ren­o­va­tion sei ohne­hin, dass die Kirche St. Johannes ihre ursprüngliche Wirkung wieder ent­fal­ten kann und nun eini­gen Jahrzehn­ten ohne Beton­prob­leme ent­ge­gen­blickt. 

Nachtrag: 50 Jahre Kirche Buchs

St. Johannes Buchs-Rohr feiert den run­den Geburt­stag von Pfar­rei und Kirche seit Dezem­ber 2016 mit ein­er Serie von Anlässen für alle Alters­grup­pen und Inter­essen. Die kom­menden Anlässe sind: Am Fre­itag, 1. Sep­tem­ber 2017, find­et um 19 Uhr die Vernissage der Jubiläum­szeitschrift «50 Jahre Pfar­rei Buchs» mit kurzem Dia­vor­trag von Denkmalpfleger Reto Nuss­baumer statt. Anschliessend Apéro. Am Son­ntag, 3. Sep­tem­ber 2017, um 10 Uhr feiert Buchs-Rohr einen Fest­gottes­di­enst mit Wei­h­bischof Denis Theuril­lat. Anschliessend Apéro, Mit­tagessen und gemütlich­es Beisam­men­sein mit Kinder­pro­gramm (Mit­tagessen mit Anmel­dung). Infos unter www.pfarrei-buchs.ch Näch­ste Fol­gen der Som­merserie: Don­ner­stag, 3. August: St. Anton Wet­tin­gen (Teil 4)Bish­er erschienen: Der dop­pel­teilige Auf­takt: Aarau, Peter und Paul; Ennet­baden, St. Michael Suhr, Kirche Heilig Geist
Marie-Christine Andres Schürch
mehr zum Autor
nach
soben