Wer ganz bei sich ist

Wer ganz bei sich ist

In einem der ehe­ma­li­gen Stift­shäuser in Beromün­ster führen Brigitte Dresch­er und Jörg Ger­ber das Auszei­thaus. Wer über die Schwelle tritt, tankt auf, erfährt Stärkung und tanzt voll Zuver­sicht zurück in den All­t­ag. Das Auszei­thaus Beromün­ster ste­ht auf ein­er Schnittstelle. Knapp an der Nord­fas­sade vor­bei rauscht der Durch­gangsverkehr, auf der gegenüber­liegen­den Seite grüsst verträumt ein Oliven­bäum­chen und das warme Braun der Holztür weckt Ver­trauen. Hier über­tritt der Besuch­er die Schwelle zwis­chen All­t­ag und Auszeit.Med­i­ta­tion «Du bist ver­traut mit all meinen Wegen», spricht Jörg Ger­ber in die dun­kle Stille. Das Bibel­wort ver­hallt nicht unge­hört, son­dern ent­fal­tet in den Köpfen und Herzen der elf Anwe­senden seine Wirkung. Es sind Frauen aus der Umge­bung, die an diesem Mor­gen spon­tan zu der Med­i­ta­tion erschienen sind.Grün­der und Leit­er Seit bald einem Jahr ist das Haus Num­mer 16, eines von ins­ge­samt 31 Häusern auf dem Are­al des Stifts St. Michael in Beromün­ster, Ort der Med­i­ta­tion, der Stille und des Gebets. Das Auszei­thaus bietet Raum für Men­schen, die innehal­ten, zur Ruhe kom­men und neue Kraft schöpfen wollen, um das Leben zu ord­nen, Trauer zu ver­ar­beit­en oder Entschei­dun­gen anzuge­hen. Brigitte Dresch­er-Baumel­er und Jörg Ger­ber haben das Auszei­thaus gegrün­det, sie leit­en – mit Unter­stützung — auch dessen ver­schiedene Ange­bote. Die bei­den lern­ten sich vor Jahren bei der Arbeit für die Römisch-Katholis­che Kirche im Kan­ton Luzern ken­nen. Jörg Ger­ber arbeit­ete dort für die Fach­stelle für Pfar­reien­twick­lung, Brigitte Dresch­er war im Frauen­bund tätig. Sowohl Lan­deskirche als auch Frauen­bund boten Kurse an. Die Kursin­halte über­schnit­ten sich teil­weise, so dass es auf der Hand lag, Kurse gemein­sam zu organ­isieren. Damit begann die Zusam­me­nar­beit des The­olo­gen und der viel­seit­ig engagierten Kirchen­frau.Von Auf­tank­ta­gen zum Auszei­thaus «Wir boten Kom­mu­nion­helfer- und Lek­torenkurse an und merk­ten mit der Zeit, dass bei den Men­schen ein gross­er Durst da ist.», erzählt Jörg Ger­ber. Als Durst beze­ich­net er die Sehn­sucht der Men­schen nach einem gelin­gen­den Leben, ihren tiefen Wun­sch, Gottes Liebe im eige­nen Leben zu ent­deck­en. Daraufhin began­nen Jörg Ger­ber und Brigitte Dresch­er «Auf­tank­tage» zu organ­isieren. Und als das Dominikaner­in­nen-Kloster im luzernischen Rick­en­bach, das nur drei Kilo­me­ter von Beromün­ster ent­fer­nt liegt, vor ein paar Jahren eine Seel­sorgestelle schuf, riefen Jörg Ger­ber und Brigitte Dresch­er dort das Ange­bot der «Auszeit­tage» ins Leben, woll­ten noch stärk­er in die Tiefe gehen. Im Som­mer 2014 mietete das erprobte Zweierges­pann im Stift St. Michael in Beromün­ster eines der unbe­wohn­ten Chorher­ren­häuser. Das Auszei­thaus war geboren.Den Ruck­sack sortieren Brigitte Dresch­er und Jörg Ger­ber haben bei­de die fün­fjährige, öku­menisch organ­isierte Aus­bil­dung «Geistliche Begleitung und Exerz­i­tien-Leitung» am Lasalle-Haus absolviert. In Bezug auf das Ein­gangs­bild des Textes ist ihnen wichtig, weniger die Schwelle als vielmehr die Schnittstelle zu beto­nen: Die Auszeit­er­fahrung soll in den All­t­ag hinein wirken. Brigitte Dresch­er erzählt von ein­er Teil­nehmerin, die ein tre­f­fend­es Bild für die Def­i­n­i­tion von «Auszeit» gefun­den hat: Wenn ich mir eine Auszeit nehme, schul­tere ich meinen Ruck­sack und gebe mir Zeit, dessen Inhalt zu sortieren. «Was lasse ich zurück?» «Was muss ich mit­nehmen?» Und: «Wo tanke ich Kraft, das zu tra­gen, was ich tra­gen muss?», laut­en die Fra­gen bei der Auseinan­der­set­zung mit dem ganz per­sön­lichen Ruck­säck­li. Fahre ich hinge­gen in den Urlaub, lasse ich den Ruck­sack zu Hause in ein­er Ecke, wo ich ihn bei der Rück­kehr unverän­dert wiederfinde und mir sein Gewicht wieder auf die Schul­tern lade.In jedem Men­schen präsent Die in diesem Ver­gle­ich ange­sproch­ene Nach­haltigkeit der Auszeit ist Brigitte Dresch­er und Jörg Ger­ber sehr wichtig. Die Teil­nehmerin­nen und Teil­nehmer sollen die Auszeit-Erfahrung in ihren All­t­ag hinein­tra­gen kön­nen. «Wir sind überzeugt, dass Gott in jedem Men­schen auf einzi­gar­tige Weise präsent ist. Durch unsere Arbeit möcht­en wir Men­schen ermuti­gen, aus der Liebe Gottes her­aus zu leben.» Einige bauen die im Auszeit­en­haus prak­tizierte Med­i­ta­tion in ihren Tagesablauf ein. Andere nehmen mit der wieder gewonnenen Kraft ein neues Pro­jekt in Angriff. Jörg Ger­ber sagt: «Die Men­schen sollen gestärkt aus der Zeit in Beromün­ster her­vorge­hen.» Eine Auszeit kann das Leben­sum­feld nach­haltig bee­in­flussen. Brigitte Dresch­er sagt ernst: «Wer ganz bei sich ist, kann die Welt zum Besseren verän­dern.» Men­schen, die mit sich im Reinen seien, kön­nten auch in ein­er Gruppe am besten funk­tion­ieren, ist sie überzeugt.Nichts Los­gelöstes Das Auszei­thaus ist ein Herzen­spro­jekt von Brigitte Dresch­er und Jörg Ger­ber. Eines, dem sie Zeit zum Wach­sen geben wollen, wie Brigitte Dresch­er erk­lärt: «Ich bin fest überzeugt, dass es richtig für uns ist, langsam von innen nach aussen zu wach­sen. Mit der Unter­stützung eines neu gebilde­ten Trägervere­ins hof­fen wir, länger­fristig selb­st­tra­gend zu wer­den.» Glob­al denken, lokal han­deln lautet ihr Cre­do. Den Din­gen, die sie nicht ändern kann, ver­sucht sie, mit Gelassen­heit zu begeg­nen. Dazu gehören auch die etablierten Macht­struk­turen der katholis­chen Kirche, welche teil­weise erschw­eren, dass die Men­schen dort Halt find­en. «Dabei kön­nte die Kirche Nahrung für so viele sein.», find­et Brigitte Dresch­er. Jörg Ger­ber und Brigitte Dresch­er leg­en Wert darauf, dass sie mit ihren Ange­boten eben­falls in der christlichen, ins­beson­dere der katholis­chen Kirche ver­wurzelt sind. «Wir haben einen solchen Reich­tum in der Tra­di­tion, einen solchen Schatz an Gebeten, Räu­men und Rit­ualen, an dem wir uns bei der Gestal­tung des per­sön­lichen Lebenswegs ori­en­tieren kön­nen.», betont Jörg Ger­ber. Und fügt hinzu: «Was wir machen, ist Kirche, wir erfind­en das Rad nicht neu.» Das Auszei­thaus ist einge­bet­tet in den Kom­plex des rund 1000-jähri­gen Stifts St. Michael. Die Verbindung zu den sieben noch dort leben­den Chorher­ren ist der Leitung des Auszei­thaus­es wichtig. «Wir sind Teil der katholis­chen Kirche und wollen nichts Los­gelöstes machen, son­dern ein­fach einen weit­eren Schw­er­punkt set­zen.» Die Erfahrung zeige, dass das Ange­bot Men­schen anziehe, die einen neuen Zugang suchen, erzählt Brigitte Dresch­er. «Die Kirche – oder Gott – lässt sie nicht in Ruhe, sie wollen zurück zu den Wurzeln und suchen einen anderen Weg als bish­er.»Zurück in den All­t­agsstrom Wichtig auf dem per­sön­lichen Auszeitweg ist auch der Kör­p­er. Den Kör­p­er wahrzunehmen heisst, den Ver­stand zur Ruhe kom­men zu lassen. Ein­mal meinte ein Teil­nehmer: «Mein Ver­stand führt mich immer wieder von mir weg.» Eutonie und Tanzen helfen, vom Denken ins Sein zu kom­men. «Tanzen ist die ganzheitlich­ste Form von Beten – wenn ich tanze, bin ich ganz im Hier und Jet­zt.», sagt Brigitte Dresch­er. Welch schöne Vorstel­lung, dass die Men­schen nach ein­er inten­siv­en Woche in Beromün­ster über die Schwelle zurück in ihren All­t­ag tanzen. Dann wenige Schritt ums Haus herum gehen, dor­thin, wo der Verkehr rauscht. Um sich dann in den Strom zu stürzen — gestärkt, voll Zuver­sicht und bere­it, die Welt ein kleines Biss­chen bess­er zu machen.  Besin­nungstage für Grup­pen Seit Mitte des let­zten Jahres bietet das Auszei­thaus in Beromün­ster seine 3- oder 6‑tägigen Exerz­i­tien an. Tanz‑, Wan­der- und Schweige­ex­erz­i­tien, Kurse oder län­gere Auszeit­en gehören zum Ange­bot. Das Ange­bot «Grup­pen» richtet sich an Men­schen aus unter­schiedlichen Grup­pen ein­er Pfar­rei: Seel­sorge- und Kat­e­chetInnen­teams, Pfar­rei- und Kirchen­räte, frei­willig Engagierte oder Jugendliche in der Fort­set­zung des Firmweges etc. Im Zen­trum ste­ht dabei der per­sön­liche Weg der Einzelper­son, eine Gruppe umfasst cir­ca 6 Per­so­n­en. Das Datum wird in Absprache mit der Leitung des Auszei­thaus­es fest­gelegt. www.auszeithaus.ch / Kon­takt: , T 041 921 93 18  
Marie-Christine Andres Schürch
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