Wenn nicht «Nichts» war

Wenn nicht «Nichts» war

Es kann für die Beteiligten emo­tion­al anstren­gend sein. Entsprechend klein ist die Zahl der Ehe-Annul­lierungsver­fahren im Bis­tum Basel. Doch es gibt sie und sie sind keine «Schei­dung auf katholisch».Wenn es um die Hochzeits­feier­lichkeit­en geht, denkt kaum jemand daran, dass eine Ehe auch scheit­ern kann. Das ist gut und nor­mal. Doch Ehen gehen in die Brüche und einige wenige geschiedene Katho­likin­nen und Katho­liken wün­schen sich nach ein­er zivilen Schei­dung auch die kirch­liche Annul­lierung des Ehe­ban­des. Entwed­er weil sie einen voll­ständi­gen Schlussstrich ziehen wollen, oder weil sie eine neue Beziehung einge­gan­gen sind, und auch kirch­lich heirat­en möcht­en. «Im Offizialat haben wir im Jahr rund dreis­sig Anfra­gen von Inter­essierten und von Schei­dung betrof­fe­nen Men­schen», erk­lärt Peter Schmid, Offizial des Bis­tums Basel, «in etwa zwei Fällen wird ein Annul­lierungsver­fahren durchge­führt. Zusät­zlich wird im Schnitt in fün­fzehn Fällen der kirch­liche Ledi­gen­stand auf dem Ver­wal­tungsweg fest­gestellt.» Let­zteres heisst, dass eine kirch­liche Ehe auf­grund eines Form­fehlers nicht gültig zus­tande gekom­men ist.Belas­ten­des Ver­fahren Ein Annul­lierungsver­fahren wird erst eröffnet, wenn sich nach Vorge­sprächen abze­ich­net, dass es wahrschein­lich mit der Fest­stel­lung der Ungültigkeit abgeschlossen wer­den kann. Das geschieht mit Rück­sicht auf die Gefüh­le der Betrof­fe­nen, denn das Ver­fahren kann emo­tion­al anspruchsvoll sein. Ein­er der geschiede­nen Part­ner ist die kla­gende Partei, der andere die nicht-kla­gende Partei. Die kla­gende Partei, gele­gentlich auch bei­de Parteien, beschreiben ihre Biogra­phie und die Zeit ihrer Ehe. Das berührt Fra­gen von Kind­heit und Jugend.Die anschliessenden Befra­gun­gen wer­den durch eigens geschulte Seel­sorg­er und Seel­sorg­erin­nen durchge­führt, denn es geht unter anderem um den Glauben, das soziale Umfeld, die Sex­u­al­ität und die psy­chis­che Ver­fass­theit in ver­schiede­nen Leben­sphasen. Die Parteien müssen zudem Zeu­gen benen­nen, die eben­falls Auskun­ft geben kön­nen. Bei eini­gen Annul­lierungs­grün­den müssen auch psy­chol­o­gis­che Gutacht­en erstellt wer­den. Auf Grund­lage all dieser Aus­sagen prüft der soge­nan­nte Ehe­band-Vertei­di­ger, was alles für die Gültigkeit der Ehe spricht. Alle diese Unter­la­gen kön­nen die Parteien ein­se­hen und kom­men­tieren, wenn sie das wün­schen.Das ganze Ver­fahren kann emo­tion­al belas­tend sein und gegen anderthalb Jahre dauern. Vielfach reisst es alte Ver­let­zun­gen und belas­tende Erin­nerun­gen auf. Doch selb­st wenn ein Ver­fahren mit der Fest­stel­lung der Ungültigkeit been­det wird, ver­schwindet dadurch die part­ner­schaftlich gelebte Zeit nicht. «Ich spreche nicht gerne von Nichtigkeit», sagt Peter Schmid, «die gemein­same Zeit der Betrof­fe­nen gehört zur ihrer Biogra­phie. Sie ver­schwindet nicht ein­fach, weil die Kirche die Ungültigkeit der Eheschlies­sung fest­gestellt hat. Es wäre men­schen­fre­undlich­er, wenn ein geord­netes Ver­fahren entwick­eln wer­den kön­nte, in dem es darum geht, festzustellen, ob eine Ehe nicht mehr existiert.»Ehe-Vor­bere­itung Angesichts dieses manch­mal belas­ten­den Ver­fahrens stellt sich die Frage, ob es nicht eine bessere Vor­bere­itung auf die Eheschlies­sung geben sollte. «Gele­gentlich hat schon eine Partei am Ende ihrer Befra­gung im Rah­men des Annul­lierungsver­fahrens sich bedankt und gemeint, es wäre hil­fre­ich gewe­sen, wenn ihr diese Fra­gen vor der Heirat gestellt wor­den wären», sagt Peter Schmid auf diese Frage. Zwar seien die Vor­bere­itung auf Taufe, Kom­mu­nion und Fir­mung in den let­zten Jahren enorm verbessert und inten­siviert wor­den, doch die Vor­bere­itung auf die Ehe friste ein etwas stiefmüt­ter­lich­es Dasein. «Unab­hängig von der Frage der Annul­lierungsver­fahren wäre es dem Ehe­sakra­ment angemessen, die Vor­bere­itung min­destens so ernst zu nehmen wie beispiel­sweise die Vor­bere­itung auf den Emp­fang der Fir­mung», sagt Peter Schmid.Kurt Adler-Sach­er, Erwach­se­nen­bild­ner bei Bil­dung und Prop­stei im Aar­gau, führt seit acht Jahren Ehe-Vor­bere­itungskurse im Aar­gau durch. Pro Jahr sind es mit­tler­weile vier Stück an denen im Schnitt acht bis zwölf Paare teil­nehmen. «Die Kirche kann die Men­schen nicht zwin­gen, sich über das for­mal geforderte hin­aus mit der Ehe auseinan­derzuset­zen. Doch es ist wichtig, dass Paare im Vor­feld die Möglichkeit haben, über ihre Vorstel­lun­gen zu reflek­tieren und sich auszu­tauschen», sagt Kurt Adler-Sach­er. Das Ehe-Sakra­ment heisse nicht, dass dann alles gut sei. Es muss kon­tinuier­lich an der Beziehung gear­beit­et wer­den. Mit entsprechen­den Ange­boten für Ehep­aare jeden Alters trägt er diesem Punkt Rech­nung.Schwindende Bedeu­tung Papst Franziskus hat das Ehean­nul­lierungsver­fahren per Geset­zesän­derung zum 8. Dezem­ber 2015 etwas vere­in­facht. Waren vor diesem Datum zwei Instanzen notwendig, um die Ungültigkeit ein­er Eheschlies­sung rechtswirk­sam festzustellen, reicht heute eine Instanz. Viel ändert das im Bis­tum Basel allerd­ings nicht: «Von ganz weni­gen Aus­nah­men abge­se­hen wur­den die erstin­stan­zlichen Fest­stel­lun­gen der Ungültigkeit durch das Offizialat des Bis­tums Basel von der zweit­en Instanz, dem Inter­diöze­sa­nen Schweiz­erischen Kirch­lichen Gericht mit Sitz in Fri­bourg, bestätigt», erk­lärt Peter Schmid. Ins­ge­samt ist die Zahl der Ehe-Annul­lierungsver­fahren in den let­zten Jahren zurück­ge­gan­gen. Für Peter Schmid ein Indiz dafür, dass immer mehr Men­schen eine kirch­liche Wiederver­heiratung nach ein­er ersten, sakra­men­tal geschlosse­nen, Ehe nicht mehr wichtig genug ist, um das lang­wierige Ver­fahren auf sich zu nehmen.
Anne Burgmer
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