Was ist das Fundament?

Was ist das Fundament?

Fünf Men­schen, ein leer­er Stuhl mit Fra­gen­ze­ichen und eine Hand­puppe namens Willi. Dazu gute Mod­er­a­tion. Mehr brauchte es nicht, um das kleine und feine Podi­um zum The­ma Fam­i­lie in Kleindöt­tin­gen zu einem Erleb­nis zu machen.Der Applaus zum Schluss sagte alles. Fast zwei Stun­den lauscht­en zehn Erwach­sene und drei Jugendliche aufmerk­sam den State­ments und der Diskus­sion der fünf Podi­um­steil­nehmenden. Sie stell­ten ihnen Fra­gen oder bracht­en eigene Erfahrun­gen ein. Grund­lage für das Podi­um waren zwei Unter­richt­sein­heit­en von Ober­stufen­schü­lerin­nen und –schülern. Diese hat­ten sich im kon­fes­sionellen Reli­gion­sun­ter­richt mit dem The­ma Fam­i­lie auseinan­derge­set­zt. «Natür­lich wäre es schön gewe­sen, wären mehr Men­schen gekom­men. Ich frage mich zum Beispiel, wo die vie­len Mit­glieder des Frauen­bun­des waren. Wir haben bre­it Wer­bung gemacht für das Podi­um», sagte Clau­dia Rüegseg­ger, Kat­e­chetin in Leug­gern-Kleindöt­tin­gen, nach dem Anlass. Frus­tri­ert war sie aber nicht. Eben­so wenig wie Thomas Scheibel. Er ist Jugend­seel­sorg­er in den katholis­chen Pfar­reien St. Anto­nius, Kleindöt­tin­gen, und St. Peter und Paul, Leug­gern.Intimes The­ma Auch die Men­schen auf dem Podi­um macht­en nicht den Ein­druck, dass ihnen zu wenige Zuhörerin­nen und Zuhör­er gegenüber­sassen. Alexa Ces­ter, Gemein­derätin aus Böttstein, Markus Schmid, Car­i­tas Aar­gau, Andrea Suter, erfahrene allein­erziehende Mut­ter, Sil­via Schnei­der, frischge­back­ene Mut­ter und Agnes Canon­i­ca, Mut­ter und Gross­mut­ter, näherten sich aus ihren sehr per­sön­lichen Biografien dem The­ma. Impulse kamen über Zitate und Fra­gen, die die Hand­puppe Willi in der Jack­en­tasche hat­te. Willi war während aller Unter­richt­sein­heit­en bei den Schülern und sam­melte die offe­nen Fra­gen. Beispiel­weise ab wann Fam­i­lie anfange oder ob das chi­ne­sis­che Sprich­wort stimme, welch­es sagt, dass in ein­er Fam­i­lie das Glück von alleine kommt.Die Reak­tion darauf war bei Pub­likum und Podi­um ähn­lich: «Was ist denn über­haupt Glück?» Und: «Nein, so ein­fach ist das nicht.» Denn was ist, wenn die Fam­i­lie als das ver­meintlich erre­ichte Traumziel zer­bricht? Wenn das Fun­da­ment ein­er Fam­i­lie brüchig ist und keinen Sturm aushält, ohne vol­lends kaputt zu gehen? Fam­i­lie bedeutet Arbeit auf ver­schiede­nen Ebe­nen. Im famil­iären Aus­tausch, der auch Krach ver­tra­gen sollte. Das Gespräch, da waren sich alle einig, trägt wesentlich zum Gelin­gen der Fam­i­lie bei. «Unser Geschirrspüler ist seit eini­gen Wochen kaputt. Und auch wenn es am Anfang etwas Gerangel gab, wer abwaschen helfen soll, geniessen wir mit­tler­weile die gemein­samen Gespräche», erzählt Andrea Suter, Mut­ter von drei Söh­nen im Jugend- und Erwach­se­nenal­ter. Zus­tim­mendes Nick­en ist die Reak­tion.Druck von aussen Alexa Ces­ter betra­chtete das andere Ende: «Ich bin seit sieben Jahren im Gemein­der­at für das Ressort Soziales ver­ant­wortlich und erlebe, dass es für die Fam­i­lien, die zu uns kom­men, meist zu spät ist. Sie müssten viel früher kom­men, wenn dieser Aus­tausch aus den ver­schieden­sten Grün­den nicht mehr stat­tfind­et.» Doch – so ein Votum aus dem Pub­likum – die Scham sei oft­mals in belasteten Fam­i­lien hoch. Man traue sich nicht, Hil­fe zu suchen. Eine hohe Hemm­schwelle, gross­er Druck von aussen, ein oft über­höht­es Bild von der per­fek­ten Fam­i­lie in der Gesellschaft – die Gründe bei Prob­le­men zu schweigen seien zahlre­ich.Markus Schmid, Leit­er der Fach­stelle Diakonie bei der Car­i­tas Aar­gau, erk­lärte, dass es mit dem öku­menis­chen Pro­jekt der Weg­be­gleitung oder den Kirch­lichen Regionalen Sozial­dien­sten genau um diese nieder­schwelli­gen Hil­fs- und Beglei­tange­bote geht. «Meine Frau und ich haben sel­ber lange ein­er allein erziehen­den Mut­ter geholfen, indem wir ihr Kind zu uns genom­men haben, wenn sie abends arbeit­en musste», sagte er. Sil­via Schnei­der, seit 14 Monat­en Mut­ter, zeigte sich erle­ichtert, dass andere Müt­ter dem Druck von aussen eben­so aus­ge­set­zt sind wie sie sel­ber. «Es ist manch­mal schw­er, damit umzuge­hen, dass Kol­legin­nen kom­men und fra­gen, ob ich jet­zt endlich wieder arbeite», sagte sie. Sie füh­le sich wohl damit, im Moment ein­fach daheim zu sein, Mut­ter zu sein. Fast eine Tabuhal­tung in ein­er Gesellschaft, die Eltern­schaft und Beruf unter einen Hut brin­gen möchte.Freie Entschei­dung Was sich die Podi­um­steil­nehmenden von der Kirche wün­schen, fragte Clau­dia Rüegseg­ger zum Abschluss der Ver­anstal­tung. «Eine Kirche, die die Hand reicht», antwortete Agnes Canon­cia. Denn auch, wenn viele junge Men­schen nicht mehr in den Gottes­di­enst gin­gen, seien sie über Jugend­grup­pen oder andere Ange­bote doch in der Kirche. Das solle aufgenom­men wer­den und da könne Kirche dazu ler­nen. «Ich als Gross­mut­ter lerne ja auch noch dazu», sagte sie und lachte. Frei­willigkeit sei wichtig, ergänzte Andrea Suter, denn Zwang führe zu gar nichts. Am besten fasste es vielle­icht der älteste Zuhör­er zusam­men: «Die Umstände für Men­schen und die For­men von Fam­i­lie haben sich verän­dert. Das ist ein­fach so. Die Gesellschaft sollte dem Rech­nung tra­gen, doch sie tut sich schw­er mit den neuen For­men.» Eine Aus­sage, die auch auf die Kirche zutrifft. «Was die Syn­ode in Rom gebracht hat, weiss man noch nicht. Doch die lokalen Kirchen, die spreche ich direkt an. Die soll­ten zu dienen­den Kirchen wer­den. Net­zw­erke auf­bauen, die dem Men­schen helfen und Nähe geben», sagte Markus Schmid und ern­tete ein­stim­mige Zus­tim­mung.
Anne Burgmer
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