Über Migra­ti­on dis­ku­tie­ren, nicht nur reden

Über Migra­ti­on dis­ku­tie­ren, nicht nur reden

Der kan­to­na­le Beauf­trag­te der Römisch-Katho­li­schen Lan­des­kir­che Aar­gau an der Kan­ti Baden holt vom 30. Janu­ar bis 3. Febru­ar 2017 ein Ethik-Ate­lier zum The­ma Migra­ti­on nach Baden. Das Gan­ze funk­tio­niert als Work­shop und steht auch aus­ser­schu­li­schen Grup­pen zur Ver­fü­gung. Im Inter­view mit Hori­zon­te erklä­ren Ben­ja­min Ruch und Ate­lier-Erfin­der Johan Rochel, wie das Ate­lier funk­tio­niert, was es der Stadt Baden bringt, und war­um auch der Bade­ner Stadt­rat samt sei­nem Stadt­am­mann Geri Mül­ler das Ate­lier besucht.
Herr Rochel, Sie haben ein Ethik-Ate­lier zum The­ma Migra­ti­on kon­zi­piert. Wie kam es dazu? Johan Rochel: Der Aus­gangs­punkt war ein Wis­sen­schafts­kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­jekt. Inner­halb des­sel­ben habe ich zur Ethik in der Migra­ti­ons­po­li­tik dok­to­riert und fand’s scha­de, die dar­aus resul­tie­ren­den Ergeb­nis­se ein­fach in der Schub­la­de ver­schwin­den zu las­sen. Es ent­stand die Idee, für die Öffent­lich­keit ein Deba­tier­for­mat zu schaf­fen. Unter­stützt wur­de ich bei die­sem Vor­ha­ben von «for­aus«, dem Schwei­zer Think-Tank zur Aus­sen­po­li­tik, der Schwei­ze­ri­schen Eid­ge­nos­sen­schaft und ver­schie­de­nen Stif­tun­gen.Herr Ruch, Sie holen nun die­ses Ate­lier nach Baden. War­um? Ben­ja­min Ruch: Span­nend dünkt mich, dass es von der Ethik und von der Phi­lo­so­phie her kommt. Das bie­tet die Mög­lich­keit, sich auf einer neu­en Ebe­ne mit dem Phä­no­men Migra­ti­on aus­ein­an­der­zu­set­zen. Johan Rochel: Mein Anlie­gen ist es, Raum zu schaf­fen für eine ethi­sche Debat­te, die in die­ser Form zum The­ma Migra­ti­on so nicht statt­fin­det. Über Migra­ti­on wird viel gere­det, aber eine Aus­ein­an­der­set­zung basie­rend auf per­sön­li­chen, ethi­schen Über­zeu­gun­gen, fin­det mei­nes Erach­tens viel zu wenig statt.Was heisst das konkret? Johan Rochel: Es gibt kei­nen Gast, der refe­riert. Alle müs­sen sich betei­li­gen. Das Ate­lier funk­tio­niert wie ein Work­shop. Aus­gangs­la­ge ist jeweils eine ethi­sche Fra­ge. Zum Bei­spiel: Wer soll über­haupt als Flücht­ling gel­ten? Oder: Inwie­weit sol­len Migran­tin­nen und Migran­ten bei poli­ti­schen Ent­schei­den in unse­rem Land mit­be­stim­men dür­fen? Ben­ja­min Ruch: Das Ate­lier funk­tio­niert par­ti­zi­pa­tiv und bie­tet Mög­lich­kei­ten, sich in ver­schie­de­ne Rol­len und Hal­tun­gen hin­ein­zu­ver­set­zen.Und das funktioniert? Johan Rochel: Auf unse­rer erste Tour­nee gastie­ren wir an acht Orten in allen Schwei­zer Sprach­re­gio­nen. Vor Baden haben wir ver­schie­de­ne Städ­te in der Roman­die besucht: Mon­they, Neu­châ­tel, La Chaux-de Fonds. Die Rück­mel­dun­gen waren posi­tiv und wir haben bereits Inter­es­san­tes fest­stel­len kön­nen.Zum Bei­spiel? Johan Rochel: In Neu­châ­tel bei­spiels­wei­se gibt’s bereits das Aus­län­der­stimm­recht. Die Fra­ge, ob Aus­län­der mit­be­stim­men dür­fen, wur­de nicht kon­tro­vers dis­ku­tiert. Andern­orts hin­ge­gen schon. In La Chaux-de-Fonds wie­der­um spiel­te die Grenz­pro­ble­ma­tik eine Rol­le. Ich könn­te mir vor­stel­len, dass das auch in Kreuz­lin­gen und Mend­ri­sio, wo wir eben­falls hin­ge­hen wer­den, ein The­ma sein wird. Inso­fern glau­be ich, dass weni­ger Sprach­re­gio­nen, als viel­mehr loka­le und regio­na­le Gege­ben­hei­ten aus­schlag­ge­bend für vor­han­de­ne ethi­sche Über­zeu­gun­gen sind.Was erwar­ten Sie für Baden? Johan Rochel: Ein gros­ses Inter­es­se. Immer­hin haben sich bereits der Stadt­rat samt Stadt­am­man Geri Mül­ler ange­mel­det. Ben­ja­min Ruch: Und an der Kan­ti Baden, wo das Ate­lier gastiert, haben sich bereits zwölf Klas­sen ange­mel­det. Es wer­den mit Sicher­heit noch wei­te­re hin­zu­kom­men.Was hat der Bade­ner Stadt­rat davon, wenn er die­ses Ate­lier besucht? Johan Rochel: Unser Ziel ist auch ein Input für die poli­ti­sche Dis­kus­si­on vor Ort. Die Stadt, in der wir sind, ist immer wie­der Bezugs­punkt für die Dis­kus­si­on. Zum Abschluss erstel­len wir ein Fazit zuhan­den der poli­ti­schen Behör­den. Vor die­sem Hin­ter­grund dürf­te sich der Bade­ner Stadt­rat bestimmt ein Bild machen wol­len.Das Ate­lier rich­tet sich also nicht pri­mär an Jugend­li­che und jun­ge Erwachsene? Johan Rochel: Dass wir in Baden an einer Schu­le gastie­ren, ist Zufall. Bis anhin waren wir zu gast in Kul­tur­in­sti­tu­tio­nen — in Thea­tern und Muse­en. Gewiss: Die Arbeit mit Jugend­li­chen und jun­gen Erwach­se­nen ist uns wich­tig. Wir wol­len aber auch dar­über hin­aus ver­schie­de­ne Bevöl­ke­rungs­grup­pen anspre­chen. Ben­ja­min Ruch: So soll der Dis­kurs am jewei­li­gen Stand­ort für eine brei­te Öffent­lich­keit offen ste­hen, bei­spiels­wei­se für loka­le Par­tei­en, Ver­ei­ne, kirch­li­che Grup­pie­run­gen…Herr Ruch, wo sehen Sie für sich als Theo­lo­ge und für Ihre Schu­le Anknüpfungspunkte? Ben­ja­min Ruch: Mich inter­es­siert bei­spiels­wei­se, ob die von der Kir­che ver­tre­te­nen Posi­tio­nen eine Rol­le spie­len, ob es Bezugs­punk­te zur bibli­schen Tra­di­ti­on im Umgang mit dem Frem­den gibt. In der Bibel gibt es immer weder Migra­ti­ons­ge­schich­ten… Und für unse­re Schu­le dünkt mich wich­tig, dass wir an der Migra­ti­ons­the­ma­tik dran­blei­ben und in die­sem Zusam­men­hang ein­mal etwas Neu­es ver­su­chen. Von der Form her ist das Ethik-Ate­lier bestimmt ein Expe­ri­ment. Mal sehen, wie es ankommt, und ob sich das viel­leicht auch für ande­re The­men an unse­rer Schu­le eig­net.Infos: Das Ethik-Ate­lier gastiert vom 30.Januar bis 4. Febru­ar 2017 an der Kan­tons­schu­le Baden (Semi­nar­stras­se 3) und emp­fängt jeweils von 17 bis 22 Uhr ange­mel­de­te Grup­pen. Grup­pen bis 25 Per­so­nen kön­nen sich für eine geführ­te Teil­nah­me per Mail anmel­den:
Andreas C. Müller
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