Patti Basler – dieser Frau ist nichts heilig

Patti Basler – dieser Frau ist nichts heilig

  • Mit Humor will Pat­ti Basler den Men­schen helfen, nicht am Wahnsinn unser­er Welt zu verza­gen.
  • Heilig ist ihr nichts. Da halte sie es mit Jesus, sagt die Frick­ta­lerin.
  • Das gemein­sam gesun­gene «Stille Nacht» berührt Pat­ti Basler noch heute.

Worüber machen Sie lieber Witze über Reli­gion oder über Poli­tik?
Pat­ti Basler: Als Satirik­erin bin ich auf einen Main­stream angewiesen, ich muss am All­ge­mein­wis­sen meines Pub­likums anknüpfen. Das wird immer schwieriger, weil die Men­schen weniger Allgemein‑, dafür viel mehr Indi­vid­u­al­wis­sen haben. The­ol­o­gis­che und bib­lis­che Ken­nt­nisse wer­den immer sel­tener. Insofern ist Poli­tik ergiebiger.

In Ihrer Satire gibt es viele religiöse Bezüge. Was würde Ihren Tex­ten fehlen, wenn Sie darin auf Reli­gion verzicht­en müssten?
Das ist eine selt­same Frage. Der Gedanke, dass es ein «Reli­gionsver­bot» geben kön­nte, ist mir noch nie gekom­men. Oft geht es ja um lit­er­arische Leit­mo­tive, die ein­er Geschichte einen Rah­men und eine Ein­bet­tung geben. Diese Kon­tex­tu­al­isierung ist aber nicht nur the­o­retis­ch­er Natur. Da schwin­gen 2000 Jahre christlich­er Prä­gung unser­er Gesellschaft mit. Deshalb inspiri­ert Reli­gion zur Kreativ­ität. Die einiger­massen abstruse Schöp­fungs­geschichte mit mod­ern­er Wis­senschaft zu vere­in­baren, braucht einiges an kreativ­er Kraft. Und natür­lich musste ich als Katho­likin bere­its im Beicht­stuhl Lügen erfind­en. Gebote und Bibel­texte sind sowohl Gelehrten als auch dem glauben­den Volk ein her­aus­fordernde Quelle, die aus­gelegt und inter­pretiert wer­den will. Bibelex­egese ist auch nicht viel anders als die Analyse eines Gedichts.

Sie sagen: «Hoff­nung und Humor sind artver­wandt.» Wie meinen Sie das?
Bei­de helfen uns, nicht zu verza­gen am Wahnsinn unser­er Welt. Ohne Humor und ohne Hoff­nung wür­den wir verzweifeln an unserem irdis­chen Dasein und am Wis­sen um unsere Endlichkeit. Am befreiend­sten und befre­itesten wird ja immer an Beerdi­gun­gen gelacht, wenn eine lustige Anek­dote über die Ver­stor­be­nen erzählt wird. Die Mon­ty-Phy­ton-Szene, bei der die Gekreuzigten im Angesicht ihres Hin­schieds ein munteres Lied pfeifen, ist etwas vom Grossar­tig­sten, das der britis­che Humor je her­vorge­bracht hat. Ein fröh­lich­es Verspot­ten des Todes, dem so der Schreck­en genom­men wird. Und nichts anderes ist die Hoff­nung auf ein Jen­seits.
Reli­gion und Kul­tur, zu der auch der Humor zählt, schaf­fen etwas Bleiben­des, das über das materielle, irdis­che und kör­per­liche Dasein des Indi­vidu­ums hin­aus­ge­ht und Bestand hat.

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Vor zwei Jahren pub­lizierte dieses Pfar­rblatt ver­schiedene Karika­turen zu Ostern. Das provoziertes erboste Rück­mel­dun­gen. Der Vor­stand liess daraufhin eine Karikatur ent­fer­nen. Darauf zu sehen war ein knuf­figer Jesus, der freud­e­strahlend und quick­lebendig vor der Grabkam­mer ste­ht und den muf­fli­gen Tod tröstet mit den Worten: «Ach komm, nimms sportlich, jed­er hat mal einen schlecht­en Tag.» Haben Sie auch schon einen Rückzieher gemacht, nach Reak­tio­nen aus dem Pub­likum?
Dabei zeigt genau diese Karikatur, worum es im christlichen Glauben und im Humor geht: Den Sieg über den Tod als Endgeg­n­er. Und das liebevolle Trösten des Fein­des. Unver­ständlich, dass so etwas provozieren kann, obwohl es gle­ich zwei christliche Kern­botschaften enthält.
Ich über­lege mir vorher, ob und wie ich etwas auf die Bühne oder aufs Blatt bringe und ändere es danach meist nicht mehr. Dabei hil­ft, dass ich möglichst nicht über andere Reli­gio­nen lustig mache. Witze übers Chris­ten­tum hinge­gen sind mit Kirchen­s­teuern ver­di­ente Selb­stkri­tik.

Heilig ist mir jedoch nichts. Ich habe Respekt vor allen Men­schen. Vor einem Papst, ein­er Pfar­rerin, einem religiösen Wür­den­träger oder ein­er Poli­tik­erin allerd­ings kein Quäntchen mehr als vor den ein­fach­sten Men­schen. Da halte ich es mit Jesus.

«Fressen, saufen, herumhuren, danach beicht­en – und alles ist wieder gut: Das passt mir natür­lich. Das Fas­ten lei­der weniger.» Dieses katholis­che Klis­chee, das Sie bemühen, hält sich wack­er. Wieso ist das lustig, obwohl es mit der Real­ität nichts mehr zu tun hat?
Es hat mit der Real­ität sehr viel mehr zu tun, als uns lieb ist. Die Welt ist so hedo­nis­tisch wie nie. Wir wollen uns selb­st ver­wirk­lichen, Fun haben, das Leben geniessen. Und dies kuli­nar­isch, mit berauschen­den Sub­stanzen und sex­uell. «Fressen, saufen, herumhuren», damit sind gle­ich drei der sieben Tod­sün­den benan­nt. Verzicht­en, also «fas­ten», wollen wir nicht, es sei denn wir ver­sprechen uns davon Schön­heit und Gesund­heit. Lieber erkaufen wir uns Abso­lu­tion in Form von CO2-Ablass-Briefen oder mit Spenden. Heute nen­nt man das «Kar­ma-Punk­te». Und so betrü­gen wir uns selb­st, weil wir wis­sen, dass all der Ablass gar nicht so viel bringt.

Das gemein­sam gesun­gene «Stille Nacht» und das Vaterunser berühren Sie, sagten Sie in einem Inter­view. Meinen Sie das ernst? Und was genau berührt Sie?
Da wer­den Kind­heit­serin­nerun­gen evoziert, natür­lich berühren die mich. Gemein­sames Sin­gen schüt­tet zudem Glück­shormone aus. Reli­gion­s­ge­mein­schaften haben früh erkan­nt, wie verbindend dies sein kann.

Sex­is­mus, Diskri­m­inierung von queeren Men­schen, Miss­brauch: Diesen The­men muss sich die katholis­che Kirche stellen. Tau­gen diese The­men für Satire? Gibt es sowas wie Opfer­schutz in ihrem Meti­er?
Opfer­schutz kann ich mir sel­ber aufer­legen. Täter­schutz hinge­gen gibt es nicht. Im Gegen­teil.

Als Kind woll­ten sie Pfar­rerin sein, «mehr wis­send als der Pöbel und Bibel­texte erk­lären». Heute macht­en sie das auf der Bühne, sagen Sie. Woher kommt Ihr Sendungs­be­wusst­sein?
Sendungs­be­wusst­sein ist ein gross­es Wort. Es ist so eine Sache mit der Kun­st: Sie ist keine Frage des Wol­lens, son­dern des Müssens. Es muss raus. Am besten zu einem geneigten Pub­likum.

Wenn man das Schweiz­er Fernse­hen fragt, ste­ht Frauen ja gar kein Sendungs­be­wusst­sein zu. Da ist der Sender nicht viel weit­er als der Vatikan.

«Laut + Leis» ist der neue Pod­cast von kath.ch.

Er behan­delt rel­e­vante und aktuelle The­men rund um Reli­gion, Ethik und Gesellschaft.

Pro­duzentin und Host des Pod­casts ist San­dra Leis: Sie hat langjährige jour­nal­is­tis­che Erfahrung, arbeit­ete für den Bern­er «Bund» und die «NZZ am Son­ntag». Die let­zten zehn Jahre war sie für Radio SRF 2 Kul­tur als Jour­nal­istin und Redak­tion­slei­t­erin tätig.

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Ob im Gespräch mit einem span­nen­den Gast oder in der klu­gen Debat­te: San­dra Leis lädt alle zwei Wochen Men­schen ein, die sich mit der Welt auseinan­der­set­zen, über den eige­nen Teller­rand hin­auss­chauen und etwas zu sagen haben.

In der ersten Episode fragt San­dra Leis die Kabaret­tistin Pat­ti Basler, wie ihre katholis­che Herkun­ft sie geprägt hat und warum sich die Kirche reformieren muss. In der zweit­en Episode geht es um unseren Umgang mit Geld. Die 30-jährige «Zeit»-Redaktorin Anna Mayr ist in Armut aufgewach­sen und ver­fügt jet­zt über ein gutes Einkom­men. Was das mit ihr macht, erzählt sie in ihrem neuen Buch und im Pod­cast.

Zu find­en ist der Pod­cast «Laut + Leis» auf der Web­seite kath.ch/podcast und auf allen gängi­gen Pod­cast-Plat­tfor­men.



Eva Meienberg
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