Sturm­schä­den rund um Kir­chen: Wer zahlt?

Sturm­schä­den rund um Kir­chen: Wer zahlt?

  • Rund 4 500 Sturm­schä­den an Gebäu­den sind bei der Aar­gaui­schen Gebäu­de­ver­si­che­rung nach den Stür­men Burg­lind, Evi und Frie­de­ri­ke gemel­det wor­den. Die Scha­den­sum­me im Kan­ton beläuft sich auf 12 bis 14 Mil­lio­nen Franken.
  • 17 kirch­li­che Gebäu­de im Kan­ton wur­den durch den Sturm beschädigt.
  • Die mei­sten Schä­den sind durch die Gebäu­de­ver­si­che­rung gedeckt. Und doch gibt es Lücken, wie der Fall in der Pfar­rei Peter und Paul in Aar­au zeigt.
 Geball­te Frau­en­power zu Jah­res­be­ginn – die Stür­me Burg­lind, Evi und Frie­de­ri­ke bescher­ten uns einen tosen­den Janu­ar und sorg­ten auch für Schä­den an Aar­gau­er Kir­chen­ge­bäu­den. In Lau­fen­burg, Zofin­gen und Brem­gar­ten weh­te es Zie­gel von den Kir­chen­dä­chern, in Ober­wil-Lie­li riss Burg­lind eben­falls Schin­deln vom Dach sowie einen Fen­ster­la­den vom Pfarr­haus ab. Auch in Sar­menstorf fie­len Zie­gel und der Wind schlug die Sei­ten­tür der Kir­che so hef­tig auf, dass sie zer­split­ter­te. 17 Scha­dens­mel­dun­gen, wel­che kirch­li­che Gebäu­de betref­fen, sind bei der Aar­gaui­schen Gebäu­de­ver­si­che­rung ein­ge­gan­gen.

Baum abtrans­por­tie­ren für 2 000 Franken

In der Pfar­rei Peter und Paul in Aar­au fiel ein rund zehn Meter hoher Baum auf das Dach der Gale­rie, wel­che Kir­che und Pfarr­haus ver­bin­det. Die Gebäu­de­ver­si­che­rung bezahlt zwar das kaput­te Dach, doch die Kosten für die Ent­fer­nung des Baums muss die Kirch­ge­mein­de tra­gen. Der Baum muss­te vor Ort zer­sägt und dann abtrans­por­tiert wer­den. Das koste­te etwa 2 000 Fran­ken, wie Sakri­stan Hans Hen­zmann sagt. Die Zahl der Scha­den­fäl­le auf kirch­li­chem Ter­rain dürf­te also um eini­ges höher als 17 lie­gen. Denn Schä­den in der Umge­bung der Kir­chen, wel­che kei­ne bau­li­chen Anla­gen der Umge­bung dar­stel­len, fal­len nicht in den Zustän­dig­keits­be­reich der Gebäu­de­ver­si­che­rung und sind somit nicht erfasst.

Höhe­re Prä­mi­en für Kir­chen mit­ten in der Stadt

Kirch­li­che Gebäu­de wie Glocken­tür­me und Kirch­ge­mein­de­häu­ser sind obli­ga­to­risch bei der Aar­gaui­schen Gebäu­de­ver­si­che­rung gegen Feu­er- und Ele­men­tar­schä­den ver­si­chert. Sie fal­len in die glei­che Tarif­ka­te­go­rie wie Wohn­häu­ser. Die Prä­mie rich­tet sich nach dem Gebäu­de­vo­lu­men. Die­ses wird anhand der kubi­schen Berech­nung ermit­telt: Das Gebäu­de­vo­lu­men wird mit dem Kubik­me­ter­preis, der je nach Stand­ort und Bau­ma­te­ria­li­sie­rung der Kir­che vari­iert, mul­ti­pli­ziert und ergibt so den Ver­si­che­rungs­wert. Die Mul­ti­pli­ka­ti­on von Gebäu­de­ver­si­che­rungs­wert und Prä­mi­en­satz ergibt die Prä­mie. Befin­det sich die Kir­che mit­ten in der Stadt, ist der Wie­der­auf­bau schwie­ri­ger und in der Regel teu­rer, als wenn sie iso­liert auf einem Hügel steht. Dies wird in der Ein­schät­zung mit­be­rück­sich­tigt. Die durch­schnitt­li­che Prä­mie von Aar­gau­er Kir­chen liegt bei 1 700 Fran­ken.

Gebäu­de obli­ga­to­risch, Umge­bung freiwillig 

Die Gebäu­de­ver­si­che­rung deckt die Gebäu­de­hül­le. Das Mobi­li­ar im Haus ist durch die Haus­rats- bzw. Sach­ver­si­che­rung gedeckt. Schä­den an so genann­ten «bau­li­chen Anla­gen der Umge­bung» – zum Bei­spiel Mau­ern, Trep­pen, Gelän­der, Bas­sins oder Sicht­schutz­wän­de – kön­nen durch die frei­wil­li­ge Zusatz­ver­si­che­rung mit­ver­si­chert wer­den. Die kan­to­na­len Gebäu­de­ver­si­che­run­gen in den Kan­to­nen Aar­gau, Appen­zell Aus­ser­rho­den, Bern, Basel, Gla­rus, Nid­wal­den, Schaff­hau­sen und Waadt bie­ten eine sol­che frei­wil­li­ge Umge­bungs­ver­si­che­rung an.

Liegt der Baum noch auf dem Dach?

Aber auch die Umge­bungs­ver­si­che­rung hät­te den Aar­au­ern im kon­kre­ten Fall nichts genützt. Fällt ein Baum auf ein Gebäu­de, gibt es laut Peter Schil­ler von der AGV zwei mög­li­che Fäl­le. Liegt der Baum noch auf dem Dach und muss ent­fernt wer­den, um das beschä­dig­te Gebäu­de zu repa­rie­ren, bezahlt die Gebäu­de­ver­si­che­rung die Kosten für das Ent­fer­nen des Baums von Gebäu­de­dach. Fällt aber ein Baum aufs Dach, beschä­digt die­ses und fällt dann zu Boden, wer­den die Ent­fer­nung und der Abtrans­port des Baums nicht ver­gü­tet. Auch wird im Aar­au­er Fall der Ersatz des Baums nicht bezahlt: «Alles, was grün ist, kann die Gebäu­de­ver­si­che­rung nicht ver­si­chern», umschreibt Peter Schil­ler von der AGV den Umstand. Bäu­me und Bepflan­zun­gen kön­nen allen­falls bei einer pri­va­ten Ver­si­che­rungs­ge­sell­schaft ver­si­chert wer­den.

Wer nicht vor­sorgt, bezahlt selber

Der Umgang mit der Ver­si­che­rung von Sturm­schä­den hat sich in den letz­ten Jah­ren ver­än­dert. Wäh­rend Prä­ven­ti­on kurz nach dem Jahr­hun­dert­sturm Lothar im Dezem­ber 1999 noch nicht im Fokus stand, wird sie heu­te gross geschrie­ben, erläu­tert Peter Schil­ler von der Aar­gaui­schen Gebäu­de­ver­si­che­rung. Seit dem Jahr 2012 habe der Ver­si­che­rer die Mög­lich­keit, einem Eigen­tü­mer Auf­la­gen zu machen. Als Bei­spiel: Ein Win­ter­gar­ten, des­sen Dach mit Dop­pel­steg­plat­ten aus Ple­xi­glas erstellt wur­de, könn­te mit Glas gegen Hage­lein­wir­kung ver­stärkt wer­den. Die AGV betei­ligt sich an die­sen Mehr­ko­sten mit 40 Pro­zent. Kommt der Eigen­tü­mer sei­ner Prä­ven­ti­ons­pflicht nicht nach, muss er im Scha­dens­fall mit einem zusätz­li­chen Selbst­be­halt und allen­falls einer Lei­stungs­kür­zung rech­nen. Peter Schil­ler: «Jeder Eigen­tü­mer soll für die Sicher­heit sei­nes Gebäu­des besorgt sein – mit zumut­ba­rem Auf­wand natür­lich.» Bei histo­ri­schen Gebäu­den wie Kir­chen sei der Unter­halt ent­spre­chend auf­wen­di­ger, fügt er hin­zu.

Ungu­tes Bauch­ge­fühl in Laufenburg

Davon kann Roland Schnetz­ler ein Lied sin­gen. Der Kir­chen­pfle­ge­prä­si­dent von Lau­fen­burg wird unru­hig, wenn ein Gewit­ter auf­zieht oder Wind durchs Städt­chen fegt. Die Kir­che Johan­nes der Täu­fer thront auf einem Hügel über der Alt­stadt an sehr expo­nier­ter Lage. Des­halb beschlich den Kir­chen­pfle­ge­prä­si­den­ten auch wäh­rend des Sturms Burg­lind am 2. Janu­ar ein ungu­tes Gefühl. «Ich mach­te einen Kon­troll­gang in der Kir­che, kam in den Est­rich und konn­te gleich hin­aus­schau­en», erzählt Roland Schnetz­ler. Die her­un­ter­ge­fal­le­nen Zie­gel konn­ten zum Glück noch glei­chen­tags wie­der befe­stigt wer­den. Das war nötig, denn auch für die Ver­hin­de­rung von Fol­ge­schä­den ist der Eigen­tü­mer ver­ant­wort­lich. Die Web­sei­te hausinfo.ch lie­fert ein Bei­spiel: «Haus­be­sit­zer sind ver­pflich­tet, ein beschä­dig­tes Dach schnellst­mög­lich pro­vi­so­risch vor ein­drin­gen­dem Regen­was­ser zu schüt­zen. Wird dies unter­las­sen, kann der Gebäu­de­ver­si­che­rer die Haf­tung für Fol­ge­schä­den ein­schrän­ken oder ableh­nen.»

Was­ser­fall in der Kirche

Doch sei bei der Lau­fen­bur­ger Kir­che stän­di­ge Kon­trol­le nötig, hält Roland Schnetz­ler fest. Bei star­kem Regen kam es schon mehr­mals vor, dass Was­ser aus der Dach­rin­ne ins Kir­chen­in­ne­re floss. Das Wort «flies­sen» sei lei­der kei­ne Über­trei­bung, meint er und berich­tet von einem regel­rech­ten Was­ser­fall, der sich ins Sei­ten­schiff ergos­sen habe. Nach wie­der­hol­ten Was­ser­schä­den habe die Mobi­li­ar ver­langt, dass die Dach­rin­ne anders mon­tiert wer­den müs­se. Anson­sten wer­de sie bei wei­te­ren Was­ser­schä­den Regress auf den Eigen­tü­mer neh­men.

Denk­mal­pfle­ge bie­tet Hand für Lösungen

Doch wie leicht las­sen sich sol­che bau­li­chen Anpas­sun­gen an einem denk­mal­ge­schütz­ten Objekt über­haupt rea­li­sie­ren? Der Kan­to­na­le Denk­mal­pfle­ger Reto Nuss­bau­mer weiss, dass die Ansicht ver­brei­tet ist, die Denk­mal­pfle­ge lege dem Eigen­tü­mer bei Umbau­ar­bei­ten Stei­ne in den Weg. Jedoch sei die­se Annah­me falsch: «Die Denk­mal­pfle­ge ist ein kon­struk­ti­ver Part­ner, und bie­tet Hand für Lösun­gen. Auch am geschütz­ten Objekt kann man arbei­ten. Es ist ja auch in unse­rem Inter­es­se, Schä­den am Gebäu­de zu ver­mei­den.»

Eichen­tü­re zersplittert

Im Fall von Sar­menstorf, wo die Sei­ten­tü­re der Kir­che teil­wei­se zer­split­tert war, konn­te die Repa­ra­tur ohne Mit­wir­kung der Denk­mal­pfle­ge aus­ge­führt wer­den. Micha­el Rüt­ti­mann, ver­ant­wort­li­cher Kir­chen­pfle­ger für Bau und Unter­halt, erklärt: «Der Schrei­ner hat die kaput­ten Tei­le aus dem­sel­ben Holz in dem­sel­ben Farb­ton nach­ge­baut.» Weil die Türe so wie­der in den Ori­gi­nal­zu­stand kommt, wird die Denk­mal­pfle­ge nicht bei­gezo­gen. Die Tür­fül­lun­gen waren noch intakt und kön­nen wie­der­ver­wen­det wer­den. Schar­nie­re und Tür­schloss der alten Eichen­tü­re kann der Schrei­ner aus­bau­en und in die neue Tür ein­set­zen. «Wären die Beschlä­ge eben­falls defekt gewe­sen, hät­ten wir die Denk­mal­pfle­ge wohl bei­gezo­gen, da hät­ten wir nicht so ein­fach Ersatz­tei­le gefun­den», sagt Micha­el Rüt­ti­mann. Die Repa­ra­tur der Tür kostet rund 8 000 Fran­ken und wird von der Gebäu­de­ver­si­che­rung bezahlt.

Ver­si­che­rungs­exper­te der Lan­des­kir­che weiss Rat

Die Römisch-Katho­li­sche Kir­che im Aar­gau unter­stützt die Kirch­ge­mein­den in Ver­si­che­rungs­fra­gen. Ansprech­per­son ist der Ver­si­che­rungs­fach­mann Mar­tin Egli. Hil­fe­ru­fe von Aar­gau­er Kirch­ge­mein­den wegen Sturm­schä­den hat er bis jetzt kei­ne erhal­ten. «Das zeigt, dass die Kir­chen­pfle­gen gut geschult sind und wis­sen, wie sie im Scha­dens­fall vor­ge­hen müs­sen», sagt Mar­tin Egli. Vor zwei Jah­ren fand im Rah­men der Kir­chen­pfle­ger­ta­gung ein Work­shop zu Ver­si­che­rungs­fra­gen statt. Den näch­sten gebe es im kom­men­den Jahr, nach den Neu­wah­len der Kir­chen­pfle­gen, stellt Mar­tin Egli in Aus­sicht. Ger­ne dür­fen sich Kirch­ge­mein­den bei Fra­gen rund um die Ver­si­che­rung an ihn wen­den:
Marie-Christine Andres Schürch
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