
MutÂterÂglück im KloÂster Gnadenthal
- Ab dem MitÂtelÂalÂter bis zur AufÂheÂbung der KlöÂster im AarÂgau lebÂten im KloÂster GnaÂdenÂthal Zisterzienserinnen.
- Im 19. JahrÂhunÂdert kamen GerüchÂte auf, die GnaÂdenÂthaÂler NonÂnen hätÂten gegen das KeuschÂheitsÂgeÂbot verstossen.
- Der HistoÂriÂker HeinÂrich BriÂner forschÂte nach und entÂlarvÂte die GerüchÂte als «Fake-News». Doch stiess er bei seiÂnen RecherÂchen in den Akten auf zwei KinÂder mit GeburtsÂort GnaÂdenÂthal und entÂdeckÂte im TaufÂverÂzeichÂnis ein veriÂtaÂbles Sakrileg.
Das Leben der NonÂnen, abgeÂschirmt hinÂter KloÂsterÂmauÂern, war schon immer Anlass für wilÂdeÂste PhanÂtaÂsien. BussÂgürÂtel mit StaÂcheln aus Eisen solÂlen sie getraÂgen haben, um sexuÂelÂle VerÂsuÂchunÂgen abzuÂtöÂten. Man kann ExemÂplaÂre solÂcher ZüchÂtiÂgungsÂinÂstruÂmenÂte noch im MuseÂum vor Ort besichÂtiÂgen. Aber irgendÂwie nahm man den fromÂmen FrauÂen ihren reliÂgiöÂsen Furor nicht ganz ab.
ProÂpaÂganÂda gegen das Kloster
So unterÂstellÂte AuguÂstin KelÂler, der als «KloÂsterÂmörÂder» in die GeschichÂte einÂgeÂganÂgen ist, den NonÂnen des KloÂsters GnaÂdenÂthal unverÂhohÂlen folÂgenÂreiÂche VerÂfehÂlunÂgen gegen das KeuschÂheitsÂgeÂbot: «Und wenn auf dem Wege des notoÂriÂschen GerüchÂtes aus GnaÂdenÂthal zwieÂfaÂches MutÂterÂglück und die FürÂsorÂge des Herrn BeichÂtiÂgers von WetÂtinÂgen gemelÂdet wurÂde, so konnÂten wir dem GerüchÂte keiÂne gerichtÂlich erhoÂbeÂne ThatÂsaÂche zu GrunÂde legen: aber das wisÂsen wir, daß das Gerücht ein allÂgeÂmeiÂner SkanÂdal, und dieÂser SkanÂdal eine wirkÂliÂche, konÂstaÂtierÂte ThatÂsaÂche war.» GnaÂdenÂthaÂler NonÂnen als gefalÂleÂne Engel? Das mochÂte der ProÂpaÂganÂda gegen die KlöÂster dieÂnen, ernst zu nehÂmen war es nicht. Allein die ForÂmuÂlieÂrung zeigt, dass KelÂler wohl selbst nicht an das Gerücht geglaubt hat. Nichts von alleÂdem lässt sich beleÂgen. Fake News at it’s best.
LockeÂre Klausur?
Belegt ist allerÂdings, dass die «KlosterÂzucht» sogar in der TagÂsatÂzung, dem höchÂsten Organ der Alten EidÂgeÂnosÂsenÂschaft, mehrÂmals TheÂma war. Es ist auch belegt, dass sechs junÂge MänÂner aus der UmgeÂbung 1525 in einem nächtÂliÂchen «ÜberÂfall» in die KlauÂsur einÂgeÂdrunÂgen sind. Was genau vorÂgeÂfalÂlen ist, geht aus den fünf BerichÂten der TagÂsatÂzung nicht herÂvor. Noch viel mehr bleibt verÂschlosÂsen, welÂche RolÂle die NonÂnen bei dem «ÜberÂfall» (mit)gespielt haben.
Zwei NieÂderÂkünfÂte im GnaÂdenÂthal verzeichnet
Es scheint denÂnoch, dass das KloÂster GnaÂdenÂthal die WirÂren der ReforÂmaÂtiÂon einiÂgerÂmasÂsen unbeÂschaÂdet überÂstanÂden hat. Belegt ist mit einem TagÂsatÂzungsÂbeÂricht aus dem Jahr 1532 immerÂhin der AusÂtritt von zwei NonÂnen, die «sich verÂeheÂlicht haben». Man kennt sie aus dem von IreÂne BriÂner impleÂmenÂtierÂten «SzeÂniÂschen RundÂgang», der im GnaÂdenÂthal hie und da aufÂgeÂführt wird.
Im GegenÂsatz zu KelÂlers unsägÂlich verÂqueÂrem Fake von den zwei GeburÂten im NonÂnenÂkloÂster GnaÂdenÂthal lasÂsen sich im Geburts- und im TaufÂreÂgiÂster der GemeinÂde NesÂselnÂbach tatÂsächÂlich zwei NieÂderÂkünfÂte in den histoÂriÂschen GemäuÂern des KloÂsters GnaÂdenÂthal nachÂweiÂsen. Die FamiÂlie des «GutsÂbeÂsitÂzers» und UnterÂnehÂmers EschÂmann-von MerÂhart, die zur Zeit der TabakÂfaÂbrik im eheÂmaÂliÂgen KloÂster wohnÂte, bekam nachÂweisÂbar zwei KinÂder im GnaÂdenÂthal: Am 18. August 1878 wurÂde Max Eugen Adolf und am 2. März 1881 Franz Ulrich HeinÂrich geboÂren. Als GeburtsÂort ist im GeburtsÂreÂgiÂster der GemeinÂde NesÂselnÂbach für beiÂde «GnaÂdenÂthal» eingetragen.
Ein SakriÂleg im Taufregister
[esf_wordpressimage id=34605 width=half float=right][/esf_wordpressimage]Die Suche nach den EinÂträÂgen im TaufÂreÂgiÂster sorgÂte allerÂdings für eine ÃœberÂraÂschung: Die KinÂder wurÂden nicht kathoÂlisch, sonÂdern reforÂmiert getauft. Im reforÂmierÂten TaufÂreÂgiÂster ist zudem deutÂlich herÂvorÂgeÂhoÂben: Die TauÂfe wurÂde in der geweihÂten KloÂsterÂkirÂche vollzogen!
Es ist mit hoher WahrÂscheinÂlichÂkeit davon ausÂzuÂgeÂhen, dass in der damaÂliÂgen Zeit ein solÂcher VorÂgang als veriÂtaÂbles SakriÂleg — als ein VerÂgeÂhen gegen etwas HeiÂliÂges — angeÂseÂhen wurÂde. Als der TabakÂfaÂbriÂkant 1889 aufÂgeÂben mussÂte, lauÂteÂte der KomÂmenÂtar jedenÂfalls: «Es ging ein AufÂatÂmen durch die kathoÂliÂsche VolksÂseeÂle.» HeuÂte sind derÂarÂtiÂge HalÂtunÂgen zum Glück überwunden.