«Luise Thut inspiriert uns»

«Luise Thut inspiriert uns»

  • Am 28. Feb­ru­ar feiert die Schweiz­er Hos­piz-Pio­nierin Luise Thut ihren 95. Geburt­stag.
  • Vor 35 Jahren, als die Pal­lia­tivbe­we­gung in der Schweiz noch weit­ge­hend unbekan­nt war, set­zte Luise Thut alle Hebel in Bewe­gung, um die Hos­pizbe­we­gung im Aar­gau zu etablieren.
  • Nun wid­met sich eine Ausstel­lung im Müller­haus Lenzburg dem Lebenswerk dieser Frau, die sich für ein Lebensende in Würde ein­set­zte.


Der Tisch ist gedeckt, aus dem Back­ofen duftet die Käsewähe. Doch die Haupt­per­son wird zum Mit­tagessen nicht erscheinen. Luise Thut, die am 28. Feb­ru­ar ihren 95. Geburt­stag feiert, nimmt nicht mehr viele Ter­mine wahr.

Am Tisch in der Woh­nung von Beat­rice Koller Bich­sel sitzen jedoch drei von Luise Thuts Wegge­fährtin­nen, denen es müh­e­los gelingt, die Pio­nierin und ihr Werk präsent zu machen: «Luise Thut inspiri­ert uns, weil sie anpack­te und die Leute mitriss, mit ihrer Wil­lensstärke und ihrem Charme», sagt Car­men Frei. Die Kul­tur­man­agerin organ­isiert im Auf­trag der Luise-Thut-Stiftung zusam­men mit Beat­rice Koller Bich­sel und Susan­na Vanek die Ausstel­lung LEBENSwerk lebensENDE, die Leben und Wirken der Aar­gauer Hos­piz-Pio­nierin würdigt.

Ausstellung LEBENSwerk lebensENDE

[esf_wordpressimage id=42776][/esf_wordpressimage]Ausstellung ab Sam­stag, 25. Feb­ru­ar bis 4. März 2023 im Müller­haus Lenzburg, jew­eils 14 – 19 Uhr. Vernissage: Sam­stag, 25.2. 15 Uhr. Das Rah­men­pro­gramm greift The­men rund ums Lebensende auf. Etwa die Podi­ums­diskus­sion am Mon­tag, 27.2. 18 Uhr, zur Frage: «Hat der Fried­hof aus­ge­di­ent?»

Schlüsselerlebnis in den USA

Ausstel­lungs­macherin Car­men Frei hebt speziell her­vor: «Als Geron­tolo­gin bin ich fasziniert von der Tat­sache, dass Luise Thut ihr Lebenswerk anpack­te, als sie bere­its 60 Jahre alt war.» Das Schlüs­sel­er­leb­nis hat­te Thut im Jahr 1989, als eine Fre­undin in den USA an Krebs starb, liebevoll umsorgt in einem Hos­piz. Zu jen­er Zeit war die Pal­lia­tivpflege in der Schweiz kaum bekan­nt und Luise Thut real­isierte: «Das ist mein The­ma, für das ich mich engagieren möchte.» So wird sie im Buch Ein Haus fürs Leben von 2015 zitiert.

Von diesem Schlüs­sel­er­leb­nis bis zur Eröff­nung des ersten sta­tionären Hos­pizes im Aar­gau vergin­gen 16 Jahre. In dieser Zeit ver­fol­gte Thut ihre Vision ziel­stre­big. Zuerst bildete sie sich in den USA zur Hos­pi­zlei­t­erin aus und suchte den Kon­takt zu Pio­nierin­nen der Hos­pizbe­we­gung, Cice­ly Saun­ders und Elis­a­beth Kübler-Ross, zu denen sich eine Fre­und­schaft entwick­elte. In den 1990er-Jahren baute Thut im Aar­gau mit Frei­willi­gen das Ange­bot der ambu­lanten Ster­be­be­gleitung auf. 2001 grün­dete sie den ersten Trauertr­e­ff.

Eine ansteckende Vision

Beat­rice Koller Bich­sel lernte Luise Thut in der ersten Zeit des ambu­lanten Hos­pizes ken­nen: «Sie war eine beg­nadete Net­zw­erk­erin, die mit Hart­näck­igkeit und Charme immer wieder wichtige Leute von ihrer Idee überzeugte», sagt sie. Koller Bich­sel liess sich selb­st auch von Thuts Vision ansteck­en und trat in den Vor­stand des Vere­ins Hos­piz Aar­gau ein. Dieser führt das Hos­piz oper­a­tiv. Heute ist Koller Bich­sel Präsi­dentin des Stiftungsrats der Luise-Thut-Stiftung, deren Zweck die finanzielle und bera­tende Unter­stützung der von Luise Thut in der Schweiz einge­führten Hos­piz-Philoso­phie ist.

Susan­na Vanek gehört eben­falls zum Stiftungsrat der Luise-Thut-Stiftung und ist ver­ant­wortlich für die Kom­mu­nika­tion. Sie lernte Thut im Jahr 1998 ken­nen, als sie für die Aar­gauer Zeitung ein Porträt über sie schrieb. «Luise Thut hat einen grossen, tiefen Glauben an Gott», sagt Vanek. Dieser Glaube daran, dass sich alles fügen wird, liess Thut immer wieder Hür­den über­winden: «Weil nie­mand Ster­be­be­gleitung kan­nte, wurde das Hos­piz mit der aktiv­en Ster­be­hil­fe gle­ichgestellt. Das war eine der Schwierigkeit­en der Anfangszeit», sagt Vanek.

Freiwillige sind das Herzstück

Das erste sta­tionäre Hos­piz wurde im Jahr 2005 im Reuss­park im ehe­ma­li­gen Kloster Gnaden­thal eröffnet. Car­men Frei war zu dieser Zeit Kom­mu­nika­tions- und Kul­turbeauf­tragte des Reuss­park und betont Thuts Pio­nier­rolle: «Ihre grosse Leis­tung ist, dass sie gegen alle Wider­stände an ihrer Vision fes­thielt. Inzwis­chen hat sich die Sit­u­a­tion grundle­gend geän­dert. Pal­lia­tive Pflege hat sich in Spitälern und Pflege­heimen etabliert.» Heute befind­et sich das sta­tionäre Hos­piz in Brugg und ver­fügt über zehn Einzelz­im­mer.

Frei­willige, die Ster­bende in den let­zten Tagen und Stun­den begleit­en, hal­ten Hände, lesen aus dem Lieblings­buch vor, lachen, sin­gen oder beten mit den Patien­ten. Die Frei­willi­gen sind das Herzstück der Hos­pizarbeit, denn Ster­ben in Würde erfordert Zuwen­dung und Zeit. «Ohne sie wäre unsere Arbeit undenkbar», sagt Thut im Buch von 2015.

Die Ausstel­lung LEBENSwerk lebensENDE the­ma­tisiert neben Thuts Leben und Wirken ger­ade auch den Aspekt der Frei­willi­ge­nar­beit und motiviert die Besuch­er, über ihr eigenes gesellschaftlich­es Engage­ment nachzu­denken. Beson­ders freut die Gast­ge­berin­nen, dass dies­mal die Haupt­per­son nicht fehlen wird. Denn Luise Thut hat vor, die Ausstel­lung und einzelne Punk­te des Rah­men­pro­gramms zu besuchen.

Marie-Christine Andres Schürch
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