Licht in der dunkelsten Zeit
Ein Fenster in der Kirche in Taizé zeigt, wie Maria und Elisabeth sich begegnen. In ihren Bäuchen sind beim genauen Hinschauen Jesus und Johannes zu erkennen. Johannes geht vor Jesus auf die Knie.
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Licht in der dunkelsten Zeit

Kurz vor Weihnachten ist Wintersonnenwende, wir erleben den kürzesten Tag. Der Blick in die Bibel zeigt, wie der Jahreslauf mit seinen kosmischen Wendepunkten mit dem Leben Jesu verknüpft ist.


Am 21. Dezem­ber erre­icht die Erde kurz nach 16 Uhr mit­teleu­ropäis­ch­er Zeit auf ihrer Umlauf­bahn jenen Punkt, an dem die Nord­hal­bkugel am stärk­sten von der Sonne weg geneigt ist. Die schein­bare Bahn der Sonne über den Him­mel ver­läuft so flach, dass sie auch mit­tags nur knapp 19 Grad über den Hor­i­zont steigt. Nur 8,5 Stun­den Son­nen­licht gibt es jet­zt – der kürzeste Tag im Jahr. Dieser Zeit­punkt markiert die Win­ter­son­nen­wende, den astronomis­chen Win­ter­an­fang. Wir sind in der dunkel­sten Jahreszeit angekom­men. In dieser dun­klen Zeit feiern Christin­nen und Chris­ten die Geburt von Jesus, dem Licht der Welt.


Die andere Sicht
Während bei uns auf der Nord­hal­bkugel am 21. Dezem­ber der kürzeste Tag ist und die Sonne nördlich des Polarkreis­es gar nicht aufge­ht, ist auf der Süd­hal­bkugel der Erde der läng­ste Tag des Jahres und damit astronomis­ch­er Som­mer­an­fang. Am Süd­pol geht die Sonne jet­zt eine Weile lang nicht unter. Der kürzeste Tag des Jahres am 21. Dezem­ber ist der Tag mit den wenig­sten Licht­stun­den. Der früh­este Son­nenun­ter­gang find­et jedoch bere­its am 12. Dezem­ber statt, während der späteste Son­nenauf­gang erst am 30. Dezem­ber fol­gt. Ursache dafür sind – grob gesagt – die Nei­gung der Erdachse und die ellip­tis­che Umlauf­bahn der Erde um die Sonne.

Sechs Monate vorher

Auf liturgie.ch stellt der The­olo­giepro­fes­sor Albert Ger­hards die Geburt Jesu rund um den kürzesten Tag in Verbindung mit der Geburt Johannes des Täufers sechs Monate vorher, am läng­sten Tag des Jahres: «Das Fest der Geburt Johannes des Täufers am 24. Juni befind­et sich nicht zufäl­lig am ent­ge­genge­set­zten Ende des Jahreskreis­es zum Wei­h­nachts­fest am 25. Dezem­ber», schreibt Ger­hards. Nach­dem der Engel im Luka­se­van­geli­um Maria die Geburt eines Sohnes angekündigt hat, erwäh­nt er, dass ihre Ver­wandte Elis­a­beth bere­its im sech­sten Monat schwanger sei (Lukas 1,36). Elis­a­beth bringt ihren Sohn Johannes den Täufer also sechs Monate vor Jesu Geburt zur Welt. So wird die Zeit mit ihren kos­mis­chen Wen­depunk­ten wie Som­mer- und Win­ter­son­nen­wende the­ol­o­gisch mit dem Leben Jesu verknüpft. «Er muss wach­sen, ich aber muss klein­er wer­den», sagt Johannes der Täufer zu den Jüngern über Jesus (Johannes 3,30) – nach Johannes’ Geburt wur­den die Tage kürz­er, nach Jesu Geburt wieder länger. «Die bib­lis­che Licht­metaphorik verbindet sich organ­isch mit der unmit­tel­baren kos­mis­chen Erfahrung», hält Ger­hards fest.

Weihnachtslichter und Johannisfeuer

Heili­ga­bend am 24. Dezem­ber, zur Zeit der Win­ter­son­nen­wende, lässt sich in Verbindung stellen mit dem Brauch­tum rund um den Geburt­stag Johannes’ des Täufers am 24. Juni, zur Zeit der Som­mer­son­nen­wende. Ger­hards schreibt: «Das Johan­n­is­feuer ist ein Pen­dant zu den wei­h­nachtlichen Lichtern und erhält seine Kraft aus dem Oster­feuer, dem Zeichen des Sieges des Licht­es über die Dunkel­heit, des Lebens über den Tod.»

Marie-Christine Andres Schürch
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