Kunst macht mutig

Kunst macht mutig

In Olten zeu­gen Schneer­este an Aut­ofen­stern davon, dass der Win­ter Einzug gehal­ten hat. Der Kirchen­jahreswech­sel ste­ht bevor und damit auch die Stabüber­gabe beim Hor­i­zonte-Jahreskün­stler. Der Fotograf übergibt an einen «Weit­ergestal­ter».Der Tra­di­tion gemäss find­et das Gespräch im Daheim «des Neuen» statt: Fabi­an Emch. Er ist 20 Jahre jung und begeis­tert­er Glock­en- und Kirchen­fan. Er war zwei Jahre Prak­tikant im Ver­lag seines Vaters Markus Emch. Heute ist er in der sozialther­a­peutis­chen Ein­rich­tung «Buechehof» im solothur­nischen Lostorf beschäftigt und geht weit­er zur Schule, um sein All­ge­mein­wis­sen zu erweit­ern. Er wohnt bei sein­er Mut­ter Daniela Basel­gia. Fabi­an Emch ist Teilautist. Deshalb sind die Eltern beim Gespräch dabei. Ver­traute Men­schen und gewohnte Umge­bung helfen Fabi­an Emch mit neuen Sit­u­a­tio­nen umzuge­hen.

Virtuelle Collagen

Über dem Sofa hän­gen Bilder. Kirchen­fo­tos, die Fabi­an Emch mit kräfti­gen Far­ben und ver­schiede­nen Struk­turen weit­ergestal­tet hat. Es sind Col­la­gen, doch nicht mit Papi­er, Schere und Kleb­stoff, son­dern aus­ge­führt am Com­put­er mit dem Bild­bear­beitungs-Pro­gramm Pho­to­shop. «Als ich im Ver­lag vom Vater das Prak­tikum begonnen habe, habe ich gel­ernt Fotos damit zu bear­beit­en. Daran hat­te ich Freude. Und es macht mir Spass, immer weit­er her­auszufind­en, was das Pro­gramm kann», erin­nert sich Fabi­an Emch.Seinen Vater irri­tierte das wilde Rumgek­licke zunächst, doch dann habe er die Ergeb­nisse gese­hen. «Heute ken­nt sich Fabi­an mit dem Pro­gramm bess­er aus als ich», stellt Markus Emch fest. Seit eini­gen Jahren fotografiert Fabi­an Emch, der schon im Kleinkin­dal­ter drei­di­men­sion­al zeich­nete, ohne dass es ihm jemand beige­bracht hätte. «Das Zeich­nen habe ich fast aufgegeben. Das Fotografieren gefällt mir bess­er», stellt Fabi­an Emch fest.

Fachlicher Austausch

Dass mit dem Jahreskün­stler Wern­er Rol­li ein erfahren­er Fotograf am Tisch sitzt, nutzt Fabi­an Emch, für Fra­gen. Architek­tur­fo­tografie hat es in sich, die Bilder ger­at­en schnell schief, nicht immer ist das Licht ide­al. Wern­er Rol­li nickt: «Ein Sta­tivkopf mit Fein­justierung ist hil­fre­ich und eine Wasser­waage oder ein kün­stlich­er Hor­i­zont». Wern­er Rol­li greift nach sein­er Kam­era, zeigt auf den kün­stlichen Hor­i­zont im Dis­play.«Das Licht», so erk­lärt Wern­er Rol­li weit­er, «ist let­ztlich Geschmackssache. Vielle­icht ver­sucht man es zu ein­er anderen Tageszeit nochmal.» Dann zeigt er auf eine Zeich­nung, die hin­ter Fabi­an Emch hängt: «Hast du dafür ein Foto als Vor­lage gehabt?», will Wern­er Rol­li wis­sen. Fabi­an Emch schüt­telt den Kopf. Er zeich­nete es aus der Erin­nerung, hat ein teil­fo­tografis­ches Gedächt­nis. Der Autismus bringt es mit sich, dass bes­timmte Fähigkeit­en stark aus­geprägt sind. Anderes fällt ihm weniger leicht, das sagt er sel­ber.

Glockengeschichten

Ein Gebi­et in dem sich Fabi­an Emch mit schlafwan­d­lerisch­er Sicher­heit bewegt und ein schi­er uner­schöpflich­es Wis­sen abruft, sind Glock­en. Er ist Mit­glied in der «Gilde der Car­il­lon­neure und Cam­panolo­gen der Schweiz», hat dort Fre­unde, tauscht sich aus. Auf seinem YouTube-Kanal, präsen­tiert der «Star­rkircher Glock­en­fan» selb­st gefilmte Glock­en­videos und pflegt Kon­takt zu anderen Glock­en-Youtu­bern. Wern­er Rol­li grinst und sagt: «Wie schön. Ich bin zwar nicht Mit­glied im Glock­en­vere­in, doch ich habe mal über mehrere Monate den Guss vier­er Glock­en fotografisch begleit­et und gefilmt. Ein span­nen­des The­ma!».

Kunst macht mutig und frei

Auch Fabi­an Emch hat Ausstel­lungser­fahrung. In der Gemein­de­v­er­wal­tung von Star­rkirch-Will präsen­tierte er im Som­mer seine Bilder erst­mals öffentlich, mit grossem Erfolg. «Die Ausstel­lung wurde ver­längert. Ich habe viele gute Rück­mel­dun­gen bekom­men», sagt Fabi­an Emch. Diese Erfahrung habe Fabi­an gut getan, erk­lärt Markus Emch: «Wenn ihm etwas fremd ist, schliessen sich Bar­ri­eren. Und diese Bar­ri­eren sind mit­tler­weile länger offen».Fabi­ans Kun­st, so sind sich Vater und Sohn einig, macht ihn mutig und freier. Sie ist Aus­drucksmit­tel, wo Schrift oder Sprache vielle­icht nicht weit­er­führen. Die Kam­era als Schutzschild? Wern­er Rol­li über­legt einen Moment und sagt dann: «Vielle­icht. Zumin­d­est mache ich mit der Kam­era in der Hand Sachen, die ich son­st nie machen würde. Irgend­wo draufk­let­tern, weil ich genau weiss, dass ich von dort mein Foto so machen kann, wie ich es mir vorstelle».

Passendes Patrozinium

Zeit für die Frage nach dem Rück­blick: Wie hat Wern­er Rol­li das Jahr als Hor­i­zonte Jahreskün­stler erlebt? «Ich komme aus der Presse­fo­tografie. Das heisst, ich bekomme einen klar definierten Auf­trag für einen Beitrag. Hier war die Her­aus­forderung, dass ich als Vor­gabe nur den jew­eils fest­gelegten Feiertag hat­te. Zunächst habe ich mich sehr inten­siv mit diesen Tagen auseinan­derge­set­zt, dann über­legt, was kann ich machen. Gle­ichzeit­ig bin ich als Fotograf auf Men­schen fix­iert. Es war unge­wohnt, Dinge zu fotografieren – oder ein The­men­bild ohne Men­schen zu machen. Doch ich bin zufrieden. Ich hat­te alle Frei­heit­en und soweit ich das abse­hen kann, keine neg­a­tiv­en Reak­tio­nen», fasst Wern­er Rol­li seine Erfahrung in Worte. Fabi­an Emch freut sich auf die Jahreskün­stlertätigkeit. Er einen genauen Plan erstellt, welche Kirchen aus dem Aar­gau er fotografieren und virtuell weit­ergestal­ten will. Er erk­lärt: «Das Patrozini­um der Kirche soll zum Fest passen und alle Regio­nen sollen vertreten sein». Fes­tkun­stDie Jahreskun­st hat bei Hor­i­zonte eine lange Tra­di­tion. Der Kün­stler oder die Kün­st­lerin set­zt sich in der eige­nen Aus­drucks­form ver­tieft mit den Hochfesten des Kirchen­jahres auseinan­der und ver­mit­telt den Leserin­nen und Lesern seine Sicht auf das Fest. Das kann eine Knack­nuss sein. Das Bild wird jew­eils mit einem Text ergänzt. Ein Märk­li weist die entsprechen­den Bilder als Teil der Rei­he aus. Malerei, Kalligra­phie, Karikatur und Fotografie – die Aus­drucks­for­men wech­seln mit den jew­eili­gen Kun­stschaf­fend­en. Einzelne Front­bilder erzie­len bre­ite Res­o­nanz. Teils erre­ichen die Hor­i­zonte-Redak­tion auch Fra­gen nach der Möglichkeit, Kopi­en oder Orig­i­nale der Titel­w­erke zu erwer­ben. Hor­i­zonte ver­mit­telt in einem solchen Fall via den Kon­takt zum Künstler/zur Kün­st­lerin. Im Kirchen­jahr 2016/2017 hat sich die Redak­tion entschlossen, mit Fabi­an Emch einem ver­gle­ich­sweise jun­gen Kün­stler die Möglichkeit zu bieten, sein Werk zu zeigen.
Anne Burgmer
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