Keine falschen Hoffnungen machen

Keine falschen Hoffnungen machen

  • Susy Mugnes arbeit­et als Seel­sorg­erin im Bun­de­sa­sylzen­trum in Brugg.
  • Als Migran­tin ken­nt sie die Bedürfnisse der Geflüchteten.
  • Sie fühlt sich mit ihnen ver­bun­den, nicht zulet­zt durch ein Gefühl der Ohn­macht.

«Ich bin auch eine Migran­tin», sagt die katholis­che Seel­sorg­erin Susy Mugnes, die seit 21 Jahren Asyl­suchende im Bun­de­sa­sylzen­trum in Basel betreut. Ihre eigene Migra­tions­geschichte begann, als sie dreizehn Jahre alt war. Damals wan­derte ihre Fam­i­lie von Ital­ien nach Aus­tralien aus. Mit 26 Jahren kam sie zurück nach Europa, um in das Säku­lar­in­sti­tut der Scal­abri­ni-Mis­sion­ar­in­nen einzutreten. Ihre Anfänge hat­ten die Mis­sion­ar­in­nen in Solothurn, wo sie die Fam­i­lien aus Südeu­ropa betreuten, die zum Arbeit­en in die Schweiz gekom­men waren. Deren Mot­to: «Ich war fremd und du hast mich aufgenom­men», sei auch heute ihr Auf­trag, sagt Susy Mugnes. Seit fast drei Jahren besucht sie auch ein­mal pro Woche das Asylzen­trum in Brugg. Dort ist das Zen­trum in den mil­itärischen Hallen der Stadt unterge­bracht. «Das ist nicht ide­al», sagt die Seel­sorg­erin. Das mil­itärische Umfeld wecke bei vie­len Geflüchteten Äng­ste.

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Hin­ter einem hohen Zaun, zwis­chen zwei Con­tain­ern befind­et sich der Ein­gang ins Bun­de­sa­sylzen­trum in Brugg. Dort meldet sich Susy Mugnes an und bekommt ihren Batch, der sie als Seel­sorg­erin ausweist. Hier endet der gemein­same Nach­mit­tag mit Susy Mugnes. Das Gespräch mit der Jour­nal­istin musste ausser­halb des Gelän­des stat­tfind­en.

Das wichtigste Bedürfnis der Geflüchteten

Bei einem Kaf­fee vor der Migros in Brugg hat die Seel­sorg­erin von ihrer Arbeit berichtet: «Mit dem Ein­tritt ins Bun­de­sa­sylzen­trum bekom­men die Geflüchteten eine Num­mer, aber nie­mand will eine Num­mer sein». Darum ver­suche sie die Men­schen im Bun­de­sa­sylzen­trum anzuschauen, zu grüssen und anzulächeln. Gehört und gese­hen zu wer­den, sei das wichtig­ste Bedürf­nis der Geflüchteten.

Rund 30 Män­ner haben nach der Eröff­nung des Zen­trums im Novem­ber 2020 dort gewohnt. Heute sind es fast 400 Män­ner. Am Anfang seien keine Chris­ten unter den Geflüchteten gewe­sen. Aber die religiöse Zuge­hörigkeit der Men­schen spiele ihr keine Rolle. Sie ist für alle da. Den einen sei die Reli­gion wichtig, anderen nicht. Manch­mal organ­isiert sie eine Bibel in ein­er bes­timmten Sprache, manch­mal einen Rosenkranz, manch­mal soll sie für jeman­den beten. Meis­tens hört sie ein­fach zu.

Die Muttersprache hören

Um mit den Geflüchteten in Kon­takt zu treten, lernt Susy Mugnes ein paar Worte in deren Sprache. Sog­ar ein paar Brock­en auf Tigrin­ja, das in Eritrea gesprochen wird, hat sie gel­ernt. Die Mut­ter­sprache zu hören, zaubere den Geflüchteten manch­mal ein Lächeln auf die Lip­pen. Wie viele Geflüchtete spüre auch sie Ohn­macht, weil sie den Men­schen nicht helfen könne, eine Aufen­thalts­be­wil­li­gung in der Schweiz zu organ­isieren.

Oft spreche sie auf dem Weg ins Bun­de­sa­sylzen­trum ein Gebet, damit es ihr gelinge, sich ganz die Men­schen einzu­lassen. «Ich bekomme mehr von den Geflüchteten, als ich ihnen geben kann. Sie schenken mir Glauben­szeug­nisse und Gottver­trauen.» Etwa durch die Erzäh­lung eines Geflüchteten, der in einem kleinen Boot auf stür­mis­ch­er See mit den anderen Pas­sagieren in Tode­sangst gebetet und über­lebt hat­te.

Die meisten müssen die Schweiz verlassen

Das Dublin-Abkom­men bere­ite den Flüch­t­en­den grosse Prob­leme, sagt Susy Mugnes. Gemäss diesem Abkom­men müssen Asyl­suchende dort ein Asylge­such stellen, wo sie den Schen­gen­raum zum ersten Mal betreten. Das hat in der Schweiz zur Folge, dass die meis­ten Asyl­suchen­den das Land wieder in Rich­tung Ital­ien oder Griechen­land ver­lassen müssen, wo die Umstände für die Geflüchteten oft schlechter sind als in der Schweiz.

Oekumenischen Seelsorgedienst für Asylsuchende (OeSA)

Susy Munges arbeit­et für den OeSA. Dieser wird von den Lan­deskirchen der Nord­westschweiz, der Evan­ge­lisch-methodis­tis­chen Kirche Basel-Stadt sowie einzel­nen Kirchge­mein­den und Pfar­reien getra­gen und von pri­vat­en Mit­gliedern und Spenden unter­stützt. Rund 50 frei­willige Mitar­bei­t­ende aus den ver­schieden­sten Län­dern unter­stützen die tägliche Arbeit der Seel­sor­gen­den. Zu den Ange­boten gehören neben der Seel­sorge, Beratung und Begleitung, ein Café-Tre­ff­punkt, Kinder­be­treu­ung, Spielan­i­ma­tion sowie ein Musikpro­jekt.

«Ich will den Men­schen keine falschen Hoff­nun­gen machen», sagt die Seel­sorg­erin. Etwas mehr als ein Vier­tel der Asylge­suche wur­den im Sep­tem­ber dieses Jahres bewil­ligt. Immer­hin wer­den etwas mehr als die Hälfte der Gesuch­stel­len­den vor­läu­fig aufgenom­men und müssen nicht gle­ich wieder aus­reisen. «Nicht für alle wird es hier gut», sagt Susy Mugnes. Ihre Hoff­nung ist, dass Gott gröss­er sei als die Men­schen und ihre Geset­ze.

Mit eini­gen Asyl­suchen­den hat sie auch nach deren Ausweisung noch Kon­takt. Vor ein paar Jahren kon­nte sie ein­er nach Ital­ien abgewiese­nen Frau helfen, dort eine Flüchtling­sor­gan­i­sa­tion zu find­en, die sie unter­stützt. Nach einem hal­ben Jahr hat sie einen Aufen­thaltssta­tus bekom­men. Ein bis zweimal pro Tag erre­icht sie eine tele­fonis­che Nachricht.

Angst und Depression

«Viele lei­den unter psy­chis­chem Druck, haben Äng­ste und Depres­sio­nen», sagt die Seel­sorg­erin. Aber für einen medi­zinis­chen Beratung­ster­min warteten die Asyl­suchen­den zwei, drei Monate. Immer wieder schick­ten deshalb die Pflege­fach­per­so­n­en die Geflüchteten in die Seel­sorge.

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Um selb­st im psy­chis­chen Gle­ichgewicht zu bleiben, tauscht sich Susy Mugnes mit den Kol­legin­nen beim Oeku­menis­chen Seel­sorge­di­enst für Asyl­suchende oder mit ihren Schwest­ern aus dem Säku­lar­in­sti­tut der Scal­abri­ni-Mis­sion­ar­in­nen aus. Auch das Beten helfe ihr. Ein­mal im Monat bege­hen die Mis­sion­ss­chwest­ern einen Wüs­tentag, ziehen sich zurück, um mit Gott zu sprechen. «Manch­mal backe ich aber auch Piz­za oder schaue einen Feel­go­od-Film, um mich abzu­lenken.»

Eva Meienberg
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