«Jetzt geht es plötzlich schnell»

«Jetzt geht es plötzlich schnell»

  • Die Coro­na-Krise fördert Verän­derun­gen in den Pfar­reien, aber auch in der Kirche weltweit.
  • Neben kleineren, prak­tis­chen Inno­va­tio­nen kön­nte die Pan­demie grössere Verän­derun­gen in der Kirche anstossen.
  • Ein Forschung­spro­jekt, an dem das Schweiz­erische Pas­toral­sozi­ol­o­gis­che Insti­tut SPI beteiligt ist, unter­sucht diese Verän­derungs­dy­namik.

 

«Coro­na ist ein Test­fall für die Kirchen: Haben Kirchen noch die Kraft zu grossen Verän­derun­gen?», lässt sich Arnd Bünker, Leit­er des Schweiz­erischen Pas­toral­sozi­ol­o­gis­chen Insti­tuts SPI auf der Web­seite contoc.org zitieren. «Con­toc» ist die Abkürzung für «Church­es online in times of Coro­na» und beze­ich­net ein inter­na­tionales öku­menis­ches Forschung­spro­jekt, an dem sich das SPI mass­ge­blich beteiligt. Auf Grund­lage ein­er Umfrage bei Pfar­rper­so­n­en in 24 Län­dern auf allen Kon­ti­nen­ten wollen die The­olo­gen das kirch­liche Han­deln in der Coro­n­azeit erforschen. Was ist neu ent­standen in der Zeit, als Gottes­di­en­ste, Seel­sorge, diakonis­che Arbeit und religiöse Bil­dung in der herkömm­lichen Form weg­fie­len?

Ungeplant und unfreiwillig, aber rasch und flächendeckend

Um die 6‘500 Pfar­rper­so­n­en und Seel­sor­gende von Argen­tinien bis Süd­ko­rea haben Auskun­ft gegeben. Davon stam­men 3960 Antworten aus Deutsch­land, 771 aus der Schweiz und 410 aus Öster­re­ich. Nun soll die Auswer­tung der Dat­en Auf­schluss geben über Fra­gen wie: «Welche Muster der Krisen­reak­tion lassen sich bei Seel­sor­gen­den und Pfar­rper­so­n­en ent­deck­en?», «Welche Rolle spie­len dabei Fra­gen der Dig­i­tal­isierung?» und «Welche Per­spek­tiv­en für die Kirch­enen­twick­lung öff­nen sich?».

Das Forschung­steam sieht in Coro­na einen Katalysator für Verän­derun­gen inner­halb der Kirche. SPI-Leit­er Arnd Bünker hält in seinem State­ment zum Pro­jekt fest: «Oft wur­den Wan­del oder Erneuerung der Kirchen erhofft. Jet­zt geht es plöt­zlich ganz schnell. Unge­plant und unfrei­willig zwar, aber schnell und flächen­deck­end.»

Bargeldlose Kollekte

Die Forscherin­nen und Forsch­er inter­essieren sich für die über­greifende Verän­derungs­dy­namik. Doch auch im kleineren Rah­men hat Coro­na für Neuerun­gen gesorgt. Eine prak­tis­che Lösung, die sich zur Zeit in Aar­gauer Kirchen etabliert, ist das bargeld­lose Bezahlen. In eini­gen Pfar­reien ist es bere­its möglich, die Kollek­te mit der Bezahl-App «Twint» per Smart­phone zu bezahlen. Zu diesem Zweck ist auf den Opfer­kör­bchen ein QR-Code ange­bracht, der mit dem Handy ges­can­nt wer­den kann. So erfol­gt die Spende unkom­pliziert und anonym. In der Kirche Herz Jesu in Lenzburg ste­hen bei den Eingän­gen seit Anfang August elek­tro­n­is­che Wei­h­wasser­spender. Jed­er Ein­tre­tende erhält eine hygien­isch ein­wand­freie Por­tion Wei­h­wass­er, ganz ohne Knopf­druck.

Für das Kloster Ein­siedeln hat die Fir­ma WT-Indus­tries in Zug, die nor­maler­weise im Her­stellen von Werkzeu­gen und For­men für die deutsche Auto­mo­bilin­dus­trie tätig ist, einen Wei­h­wasser­spender ent­wor­fen und gebaut, der eben­falls ohne Berührung auskommt und auch noch ästhetisch ansprechend aussieht. «Wir sind ges­pan­nt, wie die Besucherin­nen und Besuch­er darauf reagieren und wie wir mit den in Ein­siedeln gemacht­en Erfahrun­gen zur Weit­er­en­twick­lung des Wei­h­wasser­spenders mithelfen kön­nen», schrieb das Kloster in ein­er Mit­teilung auf sein­er Web­seite Ende August.

Sünden ins Smartphone sprechen

Die Pan­demie-Sit­u­a­tion verun­möglicht auch die Beichte. Hier schafft die Smart­phone-App «Con­fes­sara» des Schweiz­er Unternehmens «Loma Mon­tana» Abhil­fe. Wie katholisch.de berichtet, bietet die App «Katho­liken eine Möglichkeit, mobil von über­all aus zu beicht­en». Katho­liken kön­nen eine Sünde in ihr Smart­phone sprechen und erhal­ten darauf von ein­er kün­stlichen Intel­li­genz eine indi­vidu­elle Antwort mit Empfehlun­gen und Bibel­sprüchen aus der katholis­chen Glaubenswelt. Auf die Idee zu der App sei er gekom­men, weil seine gläu­bi­gen Ver­wandten in Ecuador in der Coro­na-Krise darunter lit­ten, nicht beicht­en zu kön­nen, sagte der Entwick­ler Dominique Siev­ers gegenüber katholisch.de.

Den Entwick­lern ist bewusst, dass eine kün­stliche Intel­li­genz keine Abso­lu­tion erteilen kann. Um Missver­ständ­nisse zu ver­mei­den, werde darauf hingewiesen, dass die Abso­lu­tion nur ein Geistlich­er erteilen könne. Dazu zeigt die App katholis­che Kirchen in der Umge­bung an und erwäh­nt Möglichkeit­en, wie ein Priester erre­ich­bar ist. Die App sei aber «ein Mosaik­stein auf dem Weg, seinen Glauben trotz Kon­tak­tbeschränkun­gen auszuüben», hal­ten sie fest.

Marie-Christine Andres Schürch
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