Jesus lebt auf 25 Quadratmetern

Jesus lebt auf 25 Quadratmetern

  • Seit zwanzig Jahren baut der The­ologe Thomas Wolfer an sein­er Krip­pen­land­schaft.
  • Über die Osterzeit bevölk­ern unzäh­lige bib­lis­che Fig­uren, Handw­erk­er, Händ­lerin­nen, Ziegen und viele weit­ere Tiere Wolfers Woh­nung in Fahrwan­gen.
  • Die Ausstel­lung zeigt das Leben Jesu von der Geburt bis zur Aufer­ste­hung. Noch bis am 14. April kön­nen Inter­essierte die Osterkrippe besuchen.

Exakt einen Zen­time­ter schrammt die Woh­nungstür beim Öff­nen an der Ecke eines gemauerten Innen­hofs vor­bei, als Thomas Wolfer die Gäste hinein­bit­tet. Das Brett, auf dem Häuschen, Fig­uren, Tiere und Pflanzen platziert sind, füllt den Ein­gangs­bere­ich opti­mal aus. Beim Blick in den Flur und das Wohnz­im­mer wird klar, dass der Erbauer der Krip­pen­land­schaft keinen Mil­lime­ter sein­er Woh­nungs­fläche ver­schenkt hat. Ställe, Häuser und Tem­pel ste­hen dicht aneinan­der in der Wüsten­land­schaft, die sich um die Ecke in Rich­tung Schlafz­im­mer erstreckt. Im Büro liegt der Garten Get­se­mani am Fuss des Ölbergs. Dort sind römis­che Sol­dat­en ger­ade im Begriff, Jesus gefan­gen zu nehmen. Eine Ebene darüber ste­ht die Anhöhe von Gol­go­ta mit den drei Kreuzen. Bib­lis­che Fig­uren, Händ­lerin­nen, Handw­erk­er, Ziegen und Vögel bevölk­ern die Plätze und Strassen, zwis­chen den Häuschen bren­nen Feuer, Bäche plätsch­ern.

Fahrwanger Krippenlandschaft


Die Son­der­ausstel­lung «Jesus – Geburt, Leben, Tod und Aufer­ste­hung befind­et sich bei Thomas Wolfer zuhause am Bären­platz 4 in Fahrwan­gen und ist noch bis am 14. April offen, der Ein­tritt ist frei. Gerne führt Thomas Wolfer inter­essierte Besucherin­nen und Besuch­er durch die Ausstel­lung. Ter­mine nach Absprache per Tele­fon oder E‑Mail. Kon­takt: T 043 333 97 67 / E‑Mail:  / www.krippenlandschaft.ch

Überbordende Fantasie

Seit zwanzig Jahren baut der The­ologe ­Thomas Wolfer an sein­er Krip­pen­land­schaft. Inzwis­chen umfasst sie 1500 Fig­uren und Tiere, darunter etwa 80 bis 90 Fig­uren, die sich bewe­gen. Wolfer stammt aus Stuttgart. Als Zehn­jähriger wollte er Schrift­steller wer­den. Er sei ein Tagträumer gewe­sen, der sich kom­plett in eine Fan­tasiewelt ver­set­zen kon­nte, erzählt der 54-Jährige. Zwar habe er immer gut zwis­chen Real­ität und Fan­tasie unter­schei­den kön­nen, «doch ich war ein Geschicht­en­erzäh­ler und ‑erfind­er, schon immer». Weil er von klein auf in der Kirche aktiv war, kam er auf die Idee, The­olo­gie zu studieren. Im Jahr 1999 zog er für seine erste Stelle als Pas­toralas­sis­tent in die Schweiz. In dieser Tätigkeit lebte er seinen Ideen­re­ich­tum bei der Vor­bere­itung von Fam­i­lien­gottes­di­en­sten, Krip­pen­spie­len, Unter­richt und anderen Pfar­reiak­tiv­itäten voll aus. Wolfer erin­nert sich daran, wie er im Pfar­rei­heim mit Malerkle­be­band ein Labyrinth auf den Fuss­bo­den designt hat. Bis um Mit­ter­nacht habe er daran gear­beit­et. «Wenn ich etwas mache, dann richtig», sagt er dazu und lacht. Er ver­ste­ht, dass manche den Kopf schüt­teln über seinen Hang zum Über­bor­den, doch er kann nicht anders.

Einfallsreicher Autor

Als Ver­ant­wortlich­er für die Min­is­tran­ten hat er in ein­er Pfar­rei eine Mini-Zeitung her­aus­gegeben, mit Witzen, Anek­doten und jew­eils einem Krim­i­nal­fall aus dem Umfeld der Kirche. Zwölf dieser Min­is­tran­tenkrim­is hat Wolfer zu einem Buch zusam­menge­fasst, das im Han­del erhältlich ist. Aus ein­er kurzen Szene für einen Schuleröff­nungs­gottes­di­enst wurde später ein Fan­ta­sy­ro­man, der über 500 Seit­en umfasst. In den let­zten 25 Jahren schrieb er zahlre­iche Kurzgeschicht­en und Romane für Jugendliche im beru­flichen und pri­vat­en Umfeld. Daraus wur­den bish­er drei Büch­er veröf­fentlicht.  «Bei mir entste­ht ein Buch beim Schreiben, plöt­zlich habe ich wieder einen Ein­fall und ändere bere­its Geschriebenes wieder ab», erk­lärt er. Das Wis­sen und die Inspi­ra­tion zu den bib­lis­chen Land­schaften holt er sich nicht nur aus der Bibel, son­dern auch aus TV-Dokus und Sach­büch­ern. [esf_wordpressimage id=48814 width=half float=left][/esf_wordpressimage]

Mit Holz- und Heissleim am Werk

Seit ein­er Oper­a­tion an der Wirbel­säule muss Wolfer alles gemäch­lich­er ange­hen. Viele der Gebäude baut er mit kleinen Steinen von Hand. Dabei geht er mit Holz- und Heissleim ans Werk: «Ich bin kein guter Handw­erk­er, ich kann nur kleben», sagt er. Beim Bau seines ersten Gebäudes habe er sich noch unge­fähr an die Bauan­leitung gehal­ten, erzählt er. Heute entste­hen die Gebäude zuerst in seinem Kopf, dann klebt er drau­f­los. Wichtig sei, dass die Gebäude max­i­mal 32,5 Zen­time­ter hoch und 65 Zen­time­ter bre­it wür­den, son­st passten sie nicht in die Holzha­rassen, in denen sie auf­be­wahrt wer­den. Zwei Keller­a­bteile hat Wolfer mit seinen Schätzen gefüllt, der Rest lagert in sein­er Woh­nung.

Krippenexperte

In den let­zten 25 Jahren habe er einen sechsstel­li­gen Betrag für seine Krip­pen­lei­den­schaft aus­gegeben, schätzt Wolfer. Als er von Deutsch­land in die Schweiz zog, schenk­te ihm sein Vater einen Stall, seine erste Krippe. Die Fig­uren dazu kaufte Wolfer in Ein­siedeln. Ein Jahr später, auf einem Pfar­reirat­saus­flug nach Ein­siedeln, kaufte er drei Frauen­fig­uren dazu: «Lei­der hat­te ich die genauen Masse mein­er anderen Fig­uren nicht ganz im Kopf», erin­nert sich Wolfer. So waren die neuen Fig­uren drei Zen­time­ter gröss­er als die bish­eri­gen. Da habe er einen zweit­en, etwas grösseren Stall erwor­ben. Mit den Jahren baute Thomas Wolfer weit­ere Häuser, erwarb Fig­uren, eine ori­en­tal­is­che Krip­pen­stadt, abgeän­dert nach seinen Wün­schen, und kisten­weise Zube­hör. Bald begann er, auch im Inter­net nach passenden Krip­pen zu fah­n­den, und bestellt heute meis­tens online. Die Fig­uren stam­men aus Ital­ien, Spanien und Deutsch­land, es hat darunter neapoli­tanis­che Ton­fig­uren und geschnitzte Holz­fig­uren aus dem Gröd­ner­tal im Südtirol. Nach und nach wurde Wolfer zum Krippen​experten und gibt sein Wis­sen in Führun­gen gerne an Besuch­er weit­er. [esf_wordpressimage id=48831 width=half float=right][/esf_wordpressimage]

Osterkrippe

Als er noch als Pas­toralas­sis­tent tätig war, stellte er die wach­sende Krip­pen­land­schaft an seinem jew­eili­gen Arbeit­sort auf, zum Beispiel für den Unti oder für den Frauen­vere­in. Im Jahr 2019 baute er im Gebäude der ehe­ma­li­gen Valiant-Bank in Fahrwan­gen die fig­uren­re­ich­ste Krip­pen­land­schaft der Schweiz. Für die aktuelle Ausstel­lung hat Thomas Wolfer die Wei­h­nacht­skrippe zu ein­er Osterkrippe erweit­ert. Erst­mals zeigt Wolfer Szenen aus dem ganzen Leben Jesu. Die Ausstel­lung umfasst die Wei­h­nachts­geschicht­en nach Lukas und nach Matthäus, Begeben­heit­en aus Jesu Leben sowie Szenen aus der Pas­sion­s­geschichte wie den Einzug in Jerusalem, das Let­zte Abendmahl, die Nacht am Ölberg, die Kreuzi­gung und die Aufer­ste­hung.

Der Abbau der Krippe wird dieses Jahr etwa vier Monate dauern, schätzt Wolfer. Die Einzel­teile müssen mit Sys­tem ver­packt und die Kisten sorgfältig beschriftet wer­den. Son­st dro­ht aus der Fülle ein Chaos zu wer­den. Nach dem Abbau wird Thomas Wolfer wieder etwas Platz in sein­er Woh­nung haben. Platz für tausend neue Ideen.

Marie-Christine Andres Schürch
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