«Habt ihn lieb, unseren Pastoralraum!»

«Habt ihn lieb, unseren Pastoralraum!»

  • Kirch­dorf, Unter­siggen­thal und Nuss­bau­men bilden neu den Pas­toral­raum Siggen­thal.
  • Die Feier zur Errich­tung des neuen Pas­toral­raums am Sam­stag, 20. Okto­ber in Nuss­bau­men bewegte mit gesun­genen und gesproch­enen Worten.
  • Die Sän­gerin­nen und Sänger, die Musizieren­den, der Gemein­deleit­er und die Mit­feiern­den strahlten zuver­sichtliche Auf­bruchsstim­mung aus.
  • Bischof Felix Gmür ver­glich den Weg, der dem Pas­toral­raum bevorste­ht, mit einem Auf­stieg durch die Wüste und fand klare Worte gegen Macht­miss­brauch in der Kirche.
 Er klingt wun­der­bar, der Pas­toral­raum Siggen­thal! Wenn die drei Pfar­reien im neuen Pas­toral­raum so har­monieren wie seine Kirchenchöre, wird alles gut. Im Gottes­di­enst zur Errich­tung des Pas­toral­raums Siggen­thal san­gen zwei Kirchenchöre und zwei Jugend­chöre gemein­sam unter der Leitung von Mar­gret Sohn. Die über 80 Sän­gerin­nen und Sänger bracht­en zum Aus­druck, was die Anwe­senden bewegte: Freude über das bere­its Geschaffte, Zuver­sicht für die näch­ste Etappe und den Mut, Hin­dernisse gemein­sam zu meis­tern. Beim Eröff­nungslied «Wir sind zusam­men unter­wegs» bewegten sie sich — einan­der die Hände reichend — von den hin­ter­sten Sitzrei­hen bis nach vorne zum Altar. Die Musik­er Georg Masanz, Michael Süess, Tobias Pfis­ter und Mis­cha Frei unter­stützten den Gesang mit Key­board, Schlagzeug, Sax­o­fon und Kon­tra­bass und an der Quer­flöte und am Klavier bewegten die Geschwis­ter Lena und Simon Popp mit tra­gen­den Klän­gen.

Tausend Höhenmeter in der Wüste

Michael Lep­ke, inter­im­istis­ch­er Gemein­deleit­er der Pfar­rei Nuss­bau­men, wurde in der Feier als Leit­er des neuen Pas­toral­raums einge­set­zt. Er begrüsste die Anwe­senden mit dem Hin­weis, dass der gemein­same Weg mit der Errich­tung des Pas­toral­raums nicht abgeschlossen sei: «Wir sind zusam­men unter­wegs.» Er rief zu Beginn der Feier dazu auf, zu vergeben, was nicht gelun­gen ist, und frühere Miss­gun­st zwis­chen den Pfar­reien zu vergessen. In sein­er Predigt griff Diöze­san­bischof Felix Gmür das gemein­same Unter­wegs­sein auf. Das Marku­se­van­geli­um erzählt, wie Jesus mit seinen Jüngern vom See Genezareth über Jeri­cho nach Jerusalem geht. Ab Jeri­cho steige der Weg steil an, über tausend Höhen­meter seien es, quer durch die Wüste, schilderte Bischof Felix. «Wir sind in diesem Pas­toral­raum kurz vor dem Auf­stieg von Jeri­cho nach Jerusalem», sagte er zur ver­sam­melten Gemeinde.

Sind die Kirchdorfer besser als die Untersiggenthaler?

Während Jesus mit seinen Jüngern nach Jerusalem unter­wegs ist, kündigt er ihnen drei Mal sein Lei­den an. Jedoch tut er dies nicht plump, son­dern jedes­mal ver­packt in eine Belehrung. In sein­er Predigt griff Bischof Felix die erste Belehrung her­aus. Die Frage da lautet: «Gibt es solche, die bess­er sind als andere?» – «Eine gute Frage!», bemerk­te der Bischof und meinte augen­zwinkernd: «Sind denn nicht vielle­icht die Kirch­dor­fer bess­er als die Unter­siggen­thaler?». Dann fasste er die Antwort von Jesus zusam­men: «Es gibt Mächtige und solche, die Macht erfahren. Diejeni­gen die Macht haben, unter­drück­en die Schwächeren.‘Bei euch aber soll es nicht so sein’, sagte Jesus seinen Jüngern». Jesus habe sich nicht gegen die Macht gewandt, son­dern gegen den Miss­brauch der Macht. Bischof Felix hielt fest: «In den ver­gan­genen 2000 Jahren war die Kirche oft ein Vor­bild, aber sehr oft auch das Gegen­teil. Miss­brauch, auch sex­ueller, ist nicht nur eine Schweinerei, son­dern auch eine grosse Sünde.»

Niemand muss verdursten

Jede Macht sei eine Ver­suchung. Doch sei jede und jed­er aufgerufen, im Rah­men sein­er Möglichkeit­en dem anderen aufzuhelfen. «Das bedeutet, dass wir alles, was wir kön­nen und haben, so gebrauchen, dass es nicht nur uns selb­st, son­dern auch anderen dient. Wir müssen nicht gegen uns sel­ber leben, aber andere in unser Leben ein­beziehen. Das gilt auch im Pas­toral­raum», sagte Bischof Felix Gmür. «Wir sind noch nicht am Ziel, aber es begin­nt eine neue Etappe. Und wir freuen uns auf den Auf­stieg von Jeri­cho nach Jerusalem durch die Wüste. Denn Sie alle haben genü­gend Wass­er dabei, weil die einen den anderen tra­gen helfen. Nie­mand muss ver­dursten». Mit sein­er frei und klar vor­ge­tra­ge­nen Predigt, gewürzt mit Humor und ein­er Prise Selb­stironie, kam Bischof Felix bei den Leuten an. «Er ist so erfrischend nor­mal, ein­er von uns», meinte eine Gottes­di­en­st­be­sucherin beim Apéro und ern­tete rund­herum Zus­tim­mung.

Mit Charme und Schoggi

Vor dem Auszug startete der frischge­back­ene Pas­toral­raum­leit­er Michael Lep­ke eine kleine «Charme­of­fen­sive» und kündigte an, alle Gottes­di­en­st­be­such­er erhiel­ten am Aus­gang eine Tafel Pas­toral­raum­schog­gi. Dann entliess er seine Gemeinde mit den Worten: «Habt ihn lieb, unseren Pas­toral­raum!». Michael Lep­ke hat Grund zur Hoff­nung: Wenn der neue Pas­toral­raum so zart auf der Zunge zerge­ht wie die Schog­gi und so himm­lisch klingt wie die Kirchen­musik, dann muss man ihn ein­fach gern haben. 
Marie-Christine Andres Schürch
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