«Kraftort nicht der Esoterik überlassen»
Zwischen Mai und September finden in der Buschbergkapelle oberhalb von Wittnau Abendmeditationen statt. Das Angebot auf dem Kraftort erfreut sich grosser Beliebtheit.Man kommt sich beinahe vor wie auf einem Pilgerweg. Heute Abend zumindest. Vor und hinter mir wandern zahlreiche Personen mit Wanderschuhen, Stöcken und Rucksäcken zielstrebig nach oben auf den Buschberg. Die einen nehmen den Kreuzweg von Wittnau aus, vorbei an der schönen Lourdes-Grotte, die andern starten ihren Fussmarsch oben beim Parkplatz. Von dort sind es dann noch etwa 20 Minuten bis zum Ziel: der Buschbergkapelle.
Beliebter Wallfahrtsort aufgrund wundersamer Rettung
Seit Jahrhunderten bereits ist der Buschberg oberhalb von Wittnau ein beliebter Wallfahrtsort. Die Sage berichtet vom Müller Benedikt Martin, der die Herrschaft über sein Fuhrwerk verlor und wie durch ein Wunder gerettet wurde. Als Dank errichtete er 1668 auf dem Buschberg ein hölzernes Kreuz. 200 Jahre später wurde an seiner Stelle eine Kapelle erbaut. Spätestens seit den Untersuchungen der Geobiologin Blanche Merz und des englischen Heilers Geoffry Boltwood 1994 ist der Buschberg auch als Kraftort mit besonderer Ausstrahlung bekannt.Von Mai bis September führen Christoph Küng, Gemeindeleiter von Wittnau, und Bernhard Lindner, Erwachsenenbildner der Fachstelle «Bildung und Propstei» und Gemeindeleiter in Oeschgen, in der Buchbergkapelle jeweils am ersten Sonntag im Monat Abendmeditationen durch. Und das seit 2005. Unter dem Motto «Die Erde ist unsere Mutter» geben Christoph Küng und Bernhard Lindner Impulse aus der Weisheit der indigenen Völker Nord- und Südamerikas, um über die Schöpfungsverantwortung und den eigenen Lebensstil nachzudenken.
Mit Abendsonne und Vogelgezwitscher
Heute Abend ist die Buschbergkapelle, zehn Minuten vor Beginn der Meditation, bereits gut gefüllt. Manche der Besucherinnen und Besucher kennen sich. Eine Frau mit Käppi, Rucksack und einem Blümchen in der Hand, stösst soeben hinzu. Sie wird sogleich angefragt, ob sie Lust habe, die kleine Glocke der Kapelle zum Klingen zu bringen. Unterdessen stimmt Bernhard Lindner seine Gitarre und diskutiert mit den Besuchern in der ersten Reihe. Ein laues Lüftchen weht durch die halboffene Kapelle. Die Abendsonne schickt goldgelbes Licht auf die Wiese und den Wald hinter der Kapelle. Dazu Vogelgezwitscher aus den vier Linden, die das Kreuz bei der Kapelle umrahmen. Es geht los.Die Erde sei nicht nur Materie, auf der Pflanzen gedeihen und wir Menschen eine Lebensgrundlage finden, sagt Bernhard Lindner zur Einstimmung. Der Seelsorger lebte sechs Jahre lang bei den «andinen Christen in Peru». Dort betrachte man die Erde als etwas Lebendiges, wo Gott den Menschen begegnet.
Persönliche Fürbitten willkommen
Weiter bekommen die Besucher der Abendmeditation Gelegenheit, während drei bis vier Minuten mit ihren Banknachbarn Gedanken auszutauschen. Persönliche Wünsche und Anliegen haben zudem im anschliessenden Fürbittengebet spontan Platz. Nach dem Vaterunser sowie dem Dank- und Segensgebet geht die 45-minütige Abendmeditation zu Ende. Manche treten gemeinsam den Heimweg an. Andere verbleiben noch in der Kapelle und geniessen die Stimmung, fernab von Hektik und Alltag.«Ich bin oft alleine hier oben», sagt eine Frau aus Zeihen, die bereits mehrere Male die Abendmeditation auf dem Buschberg besucht hat. Ihr gefalle es, dass man sich hier so offen und ungezwungen einbringen könne. Eine Besucherin aus Olsberg, ganz am anderen Ende des Fricktals gelegen, ist zum zweiten Mal dabei: «Ich bin dankbar für dieses Angebot und fühle mich einfach sehr wohl hier oben.» Eine Frau aus Wittnau schätzt den Buschberg als Kraftort und betet regelmässig in der Kapelle. An der Abendmeditation nehme sie ebenfalls regelmässig teil.
Kein Widerspruch zur Kirche
Wie kamen Christoph Küng und Bernhard Lindner auf die Idee, in der Buschbergkapelle eine Abendmeditation anzubieten? «Der Buschberg ist für viele Menschen ein Kraftort. Wir wollten diesen Platz nicht nur der Esoterik überlassen, sondern auch mit christlicher Spiritualität füllen», sagt Bernhard Lindner.Die Meditation an Kraftorten sei für ihn kein Widerspruch zum katholischen Glauben, findet Bernhard Lindner, auch wenn die Amtskirche eher zurückhaltend mit dieser Thematik umgehe. «Viele Christen sind offen für die göttliche Kraft, die sie an verschiedenen Orten empfangen können. Die einen fühlen sich in bestimmten Kirchen geborgen, andere in der Natur. Die Buschbergkapelle steht für mich als Verbindung zwischen Kirche und Natur.» Hinzu komme, dass auch im zweiten Vatikanischen Konzil, in der dogmatischen Konstitution über die Offenbarung, die Verbindung zwischen Gott und Naturerfahrungen erwähnt werde.Am 4. September findet die letzte Abendmeditation dieses Jahres auf dem Buschberg statt. Sie wird traditionsgemäss musikalisch umrahmt. Christoph Küng und Bernhard Lindner planen, nächstes Jahr wiederum die Abendmeditationen ins Programm aufzunehmen.
www.bildungundpropstei.ch
www.pfarrei-wittnau.chNächste und letzte Abendmeditation im 2016: Sonntag, 4. September, 18 Uhr, Buschbergkapelle