Eine fröhliche und selbstbewusste Minderheit

Eine fröhliche und selbstbewusste Minderheit

  • Mit­ten in den weltweit­en syn­odalen Prozess von 2021 bis 2023 fällt das 50-Jahr-Jubiläum der Syn­ode 72 in der Schweiz.
  • Mit der Tagung «Syn­ode 22: Macht und Par­tizipa­tion» in der Paulusakademie in Zürich beg­in­gen der Vere­in tagsatzung.ch und die Fach­stelle Bil­dung und Prop­stei dieses Jubiläum.
  • Das Tre­f­fen von über 100 Katho­likin­nen und Katho­liken berührte eine Fülle an The­men. So soll sich die Kirche in die Poli­tik ein­brin­gen und stärk­er mit der Kli­ma­ju­gend zusam­me­nar­beit­en, um eine fröh­liche und selb­st­be­wusste Min­der­heit zu wer­den.

Die Weltkirche steckt mit­ten im syn­odalen Prozess, welchen Papst Franziskus für den Zeitraum von 2021 bis 2023 aus­gerufen hat. Im ver­gan­genen Herb­st startete der Prozess mit den Beratun­gen in den Diöze­sen rund um die Welt. Nun fol­gt die Beratung auf kon­ti­nen­taler Ebene, im Herb­st 2023 bildet die Bischof­ssyn­ode in Rom den Abschluss des syn­odalen Prozess­es. Mit­ten in diesen weltweit­en Prozess fällt das 50-Jahr-Jubiläum der Syn­ode 72 in der Schweiz. Unter diesem Namen fasst man die Ver­anstal­tun­gen zusam­men, die hierzu­lande zwis­chen 1972 und 1975 stat­tfan­den und zum Ziel hat­ten, die Beschlüsse des Zweit­en Vatikanis­chen Konzils für die Schweiz­er Ort­skirchen umzuset­zen.

[esf_wordpressimage id=38940 width=half float=left][/esf_wordpressimage]Der Vere­in tagsatzung.ch und die Fach­stelle Bil­dung und Prop­stei der Aar­gauer Lan­deskirche hat­ten am 11. Juni zur Tagung «Syn­ode 22: Macht und Par­tizipa­tion. 50 Jahre Syn­ode 72 – Wie weit­er?» in die Paulusakademie in Zürich geladen. Die Ver­anstal­ter hat­ten sich vorgenom­men, das Jubiläum der Syn­ode 72 dazu zu nutzen, dringlichen Refor­man­liegen der kirch­lichen Basis Gehör zu ver­schaf­fen. Das Tre­f­fen von über 100 Katho­likin­nen und Katho­liken berührte eine Fülle an The­men. So soll sich die Kirche in der Poli­tik ein­brin­gen und stärk­er mit der Kli­ma-Jugend zusam­me­nar­beit­en, um eine fröh­liche und selb­st­be­wusste Min­der­heit zu wer­den.

Initiative – einmal mehr – von unten

Im Jahr 1972 hat­ten 330’000 Schweiz­erin­nen und Schweiz­er an Befra­gun­gen teilgenom­men, darunter Pfar­reien, Vere­ine, Ver­bände und Ordensleute. «Bis heute gab es keinen auch nur annäh­ernd so basis­demokratis­chen Prozess», rief Felix Senn den Tagung­steil­nehmern in Erin­nerung. Der The­ologe und Mitor­gan­isator erläuterte, die Ini­tia­tive zur Syn­ode 72 sei damals klar von oben gekom­men: unter anderem vom dama­li­gen Chur­er Bischof Johannes Von­der­ach und dem Basler Wei­h­bischof Otto Wüst. Aus diesem Grund habe man im Vor­feld des Jubiläums bei den Schweiz­er Bis­chöfen ange­fragt, ob ein Erin­nerungsakt geplant sei. Weil aber keine Zeichen der Bis­chöfe kamen, dass sie die Syn­ode 72 erin­nern woll­ten, habe man – ein­mal mehr – die Ini­tia­tive von unten ergrif­f­en.

Kein Argument gegen Reformen

[esf_wordpressimage id=38938 width=half float=left][/esf_wordpressimage]Der Vor­mit­tag war Impul­srefer­at­en gewid­met. Der The­ologe Odi­lo Noti sprach über Kirche und Poli­tik, Marie-Claire Graf, Kli­mas­treik-Mitini­tiantin, informierte über Klim­agerechtigkeit und der St. Galler Stän­der­at Paul Rech­stein­er machte eine Ausle­ge­ord­nung über das Stimm­recht für alle. Eva-Maria Faber, Pro­fes­sorin für Dog­matik und Fun­da­men­talthe­olo­gie an der The­ol­o­gis­chen Hochschule Chur, wid­mete sich in ihrem Refer­at der Sakra­menten­the­olo­gie, die The­olo­gin und Pfar­reiseel­sorg­erin Char­lotte Küng sprach über den Auss­chluss der Frauen vom Amt und Daniel Kosch, Präsi­dent der Römisch-Katholis­chen Zen­tralkon­ferenz RKZ, stellte Instru­mente der Par­tizipa­tion vor.

[esf_wordpressimage id=38942 width=half float=right][/esf_wordpressimage]Kosch klärte gle­ich zu Beginn eines der Missver­ständ­nisse, die oft mit Reform­forderun­gen der Kirche ein­herge­hen: «Eine Tren­dumkehr bei den Mit­gliederzahlen ist illu­sorisch, den die Säku­lar­isierung entspricht einem gesellschaftlichen Mega­trend.» Doch diese Tat­sache sei keineswegs ein Argu­ment gegen Refor­men, denn Refor­men wür­den die verbleiben­den Katho­liken zu ein­er fröh­licheren und selb­st­be­wussteren Min­der­heit machen.

Kirche muss Thematisierungskompetenz verbessern

Das ful­mi­nante Refer­at von Odi­lo Noti griff den Vor­wurf auf, die Kirche mis­che sich unstatthaft in die Poli­tik ein. Er scheute sich nicht, unan­genehme Wahrheit­en auszus­prechen: «Das kirch­liche Engage­ment in poli­tis­chen Fra­gen kann den gesellschaftlichen Main­stream nicht bee­in­flussen oder ändern.» Den­noch betonte Noti, die Beteili­gung der Kirchen an der poli­tis­chen Diskus­sion sei eine Selb­stver­ständlichkeit und Notwendigkeit. Absti­nenz hiesse, den Anspruch auf Rel­e­vanz aufzugeben.

[esf_wordpressimage id=38935 width=half float=left][/esf_wordpressimage]Um mitzure­den, müsse die Kirche jedoch ihre The­ma­tisierungskom­pe­tenz verbessern, forderte Noti. Wie das funk­tion­ieren kön­nte, disku­tierten die Teil­nehmer des Ate­liers «Kirche und Poli­tik» am Nach­mit­tag unter der Leitung von Clau­dia Men­nen, Lei­t­erin der Fach­stelle Bil­dung und Prop­stei der Aar­gauer Lan­deskirche. Moritz Bauer, Bun­de­spräs­es von Jung­wacht Blau­r­ing, wies darauf hin, dass die Kirche ger­ade dort, wo sie in Aus­tausch mit jun­gen Men­schen sein kön­nte, kein Play­er sei. Ihre Fähigkeit, The­men zu set­zen, sei eingeschränkt durch ein gravieren­des Glaub­würdigkeit­sprob­lem. Thomas Wal­li­mann, Leit­er von ethik22, dem Insti­tut für Sozialethik, plädierte für mehr tak­tis­che Klugheit: «Die Kirche muss nach den poli­tis­chen Spiel­regeln spie­len. Poli­tik ist wie Jassen – ich muss tak­tieren.» Clau­dia Men­nen fasste in der Schlusspräsen­ta­tion zusam­men: «Kirche ist poli­tisch. Wenn sie es nicht ist, ver­fehlt sie ihr Wesen.»

Schlussdokument in Arbeit

[esf_wordpressimage id=38945 width=half float=right][/esf_wordpressimage]Alle Ate­liers präsen­tierten im Abschlussplenum ihre Fest­stel­lun­gen und Forderun­gen. Einen Link zur Über­sicht find­en Sie hier. Im Nach­gang zu dieser Tagung soll aus den Reflex­io­nen und Ergeb­nis­sen ein Schluss­doku­ment entste­hen, das die Impulse, Anre­gun­gen und Forderung doku­men­tiert. Felix Senn sagte: «Das Doku­ment soll dann der kirch­lichen Öffentlichkeit, den Bis­chöfen und Kirchen­leitun­gen zur Weit­er­ar­beit übergeben wer­den.» Die «Syn­ode 22» soll mit dieser Tagung nicht zu ihrem Abschluss kom­men.

Marie-Christine Andres Schürch
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