Der Krimi mit dem Zauberberg

Der Krimi mit dem Zauberberg

Achtzig Frauen des Aar­gauis­chen Katholis­chen Frauen­ver­ban­des (AKF) reis­ten diese Woche nach Davos – auf den Spuren ihres ein­sti­gen Lun­gen­sana­to­ri­ums San­i­tas. Als dieses in den 1990er-Jahren verkauft wurde, schienen die AKF-Frauen zunächst um den Verkauf­ser­lös bet­ro­gen. Behar­rlich­er Kampf ver­half ihnen zu ihrem Recht – und dem Aar­gau zum AKF-Frauen­preis, der dieses Jahr zum 20. Mal ver­liehen wurde.Lokalhis­torik­er Klaus Bergamin schaut ver­son­nen auf die Liegen, auf denen einst betuchte Tuberku­lose-Kranke aus aller Welt in Liegekuren gepflegt und untätig der Katas­tro­phe des Ersten Weltkriegs ent­ge­gen däm­merten. Das ein­stige Luxu­s­sana­to­ri­um Hotel Schatzalp hat die let­zten 100 Jahre ohne grössere Verän­derun­gen über­dauert. Auch die Waschbeck­en mit ihren pro­peller­för­mi­gen Arma­turen kön­nen die AKF-Frauen noch besichti­gen. Sie staunen auch, als sie vom Davos­er erfahren, mit welch aben­teuer­lichen Meth­o­d­en hier einst ver­sucht wurde, die Tuberku­lose zu heilen, die Anfang des 20. Jahrhun­derts für viele den Tod bedeute.

Wegen mangelnder religiöser Betreuung ein Sanatorium

Doch der Besuch im Hotel Schatzalp gilt nicht eigentlich jen­em Ort, der Thomas Mann zu seinem Zauber­berg-Roman inspiri­erte. Die Frauen wollen hier etwas von jen­er Atmo­sphäre aufnehmen, die wohl auch im AKF-eige­nen Sana­to­ri­um San­i­tas geherrscht haben musste, das 1916 vom AKF und anderen Frauen­bund-Kan­ton­alver­bän­den gekauft und betrieben wurde.Vor hun­dert Jahren beklagten sich näm­lich aar­gauis­che Pati­entin­nen über man­gel­nde religiöse Betreu­ung auf der Barmel­weid sowie in anderen Höhen­kliniken. Zwei ini­tia­tive Frauen aus dem Kan­ton­alvor­stand des AKF wandten sich daher an ihre katholis­chen Schwest­er­ver­bände in anderen Kan­to­nen mit der Idee, ein eigenes katholis­ches Sana­to­ri­um in Davos zu grün­den. Diese Idee zün­dete und so fand am 14. März 1916 die Grün­dungsver­samm­lung statt.

Mutiges Sozialwerk für sozial schwache Frauen

Die AKF-Frauen laufen mit Klaus Bergamin durch das Englis­che Vier­tel auf einem Weg, den Thomas Mann vor hun­dert Jahren eben­falls ent­lang spaziert war, und gelan­gen dann zu den zwei Gebäu­den des ein­sti­gen SAN­I­TAS-Lun­gen­sana­to­ri­ums. Auch wenn heute in Eigen­tumswoh­nun­gen umge­wan­delt, geht von diesen Gebäu­den noch immer etwas Beson­ders aus. Beat­rice Haush­err, derzeit­ige Co-Präsi­dentin des AKF, sagt: «Ich wusste lange nicht, dass der AKF ein solch­es Haus besass. Ich war sofort fasziniert von der Geschichte dieses Ortes.»Das Sana­to­ri­um San­i­tas, war, so Klaus Bergamin, eine unverzicht­bare Insti­tu­tion, und zwar dank des Engage­ments des AKF vor allem für sozial schwäch­er Gestellte. Beat­rice Koller-Bich­sel, die seit 30 Jahren mit dem AKF für Frauen­rechte kämpft, sagt: «Dass hier vor allem Frauen aus ärmeren Schicht­en sich pfle­gen lassen kon­nten, war damals ein sehr sozialer Gedanke.» Das sieht auch Lokalhis­torik­er Klaus Bergamin so, der selb­st 1954 im Sana­to­ri­um San­i­tas seine Tuberku­lose-Krankheit auskuri­eren musste. Der Lokalhis­torik­er erin­nert sich, wie er damals jeden Don­ner­stagabend als Plat­te­nau­fleger ein Wun­schkonz­ert für die Pati­entin­nen des Sana­to­ri­ums zusam­men­stellte, dass diese über Kopfhör­er geniessen kon­nten.

Von den Holländern über den Tisch gezogen

Als 1990 das Sana­to­ri­um San­i­tas an die AG Sana­to­ri­um Davos (Nieder­ländis­ches Asth­mazen­trum) für acht Mil­lio­nen Franken verkauft wurde, erfuhr dies der AKF erst durch die Über­weisung aus dem Verkauf. Die Freude wich jedoch schnell der Ernüchterung, weil die Frauen mit dem lächer­lich gerin­gen Betrag von knapp 65 000 Franken abge­speist wer­den woll­ten. Beat­rice Koller-Bich­sel erin­nert sich: «Wir woll­ten uns nicht für dumm verkaufen lassen.» Sie bekam mit, wie sich dank des Ein­satzes des dama­li­gen AKF-Kan­ton­alvor­standes unter dem Prä­sid­i­um von Car­o­line Meier-Machen und Elis­a­beth Sail­er sowie dank der Unter­stützung des Baden­er Anwaltes Wen­dolin Stutz gelang, einen gerecht­en Anteil am Verkauf­ser­lös zu bekom­men. Die Summe, die der AKF 1995 erhielt, war dann um ein vielfach­es höher: Knapp 1,5 Mil­lio­nen Franken. Car­o­line Meier-Machen bilanziert: «Ich finde es toll, dass wir es geschafft haben, die anderen Kan­ton­alver­bände auf unser Anliegen aufmerk­sam zu machen, so dass wir das Geld erhiel­ten, was uns zus­tand.» Beat­rice Koller-Bich­sel, die dieses Rin­gen als junge AKF-Frau ver­fol­gte, sagt: «Es war ein langer Weg. Ich habe die zwei Frauen für ihren Mut bewun­dert, diesen Kampf gegen Anwälte und das nieder­ländis­che Unternehmen aufzunehmen.»

Frauenpreis-Stiftung aus dem erkämpften Erlös

Der erkämpfte Erlös aus der Verkauf­s­summe des Lun­gen­sana­to­ri­ums San­i­tas wurde nicht ein­fach für eigene Bedürfnisse ver­wen­det, er wurde in dem neu geschaf­fe­nen gemein­nützi­gen «AKF-San­i­tas-Fonds» angelegt. Daraus ent­stand der AKF-San­i­tas-Preis (heute AKF-Frauen­preis), der höch­st­dotierte Frauen­preis der Schweiz, der dieses Jahr zum 20. Mal ver­liehen wurde. Beat­rice Koller-Bich­sel, Mit­glied von der AKF-Frauen­preis-Kom­mis­sion: «Mit dem Preis von 20 000 Franken wollen wir Frauen ani­mieren, sich auf kreative Weise sozial in die Gesellschaft einzubrin­gen.» Beat­rice Haush­err ergänzt: «Dieser Preis wurde zu einem jährlichen Ereig­nis mit hoher Pub­liz­ität – auch für den AKF.» Beson­ders schön fand sie die diesjährige Preisver­lei­hung, bei welch­er der Preis aus Anlass des 20-jähri­gen Jubiläums an 120 ehre­namtlich arbei­t­ende Frauen­bunds­frauen ging, die in Ortsvere­inen, Kom­mis­sio­nen und im Kan­ton­alver­band mitwirken.

Im AKF-Frauenpreis lebt der Geist des Sanatoriums weiter

Zum Abschluss des Aus­fluges ste­hen einige Frauen trotz des feucht­en Niesel­re­gens noch angeregt disku­tierend vor den bei­den San­i­tas-Gebäu­den. Sie wirken zufrieden. Beat­rice Koller-Bich­sel, der die Würdi­gung der vie­len Frauen, die im Stillen Gross­es leis­ten, stets ein gross­es Anliegen war, sagt: «Mit dem AKF-Frauen­preis lebt das Werk der ersten AKF-Frauen, die damals mit Mut und Engage­ment an Bazaren jeden Ein­frän­kler für die Grün­dung des Haus­es San­i­tas zusam­men getra­gen haben, weit­er.» Car­o­line Meier-Machen fügt hinzu: «Von der Arbeit dieser Pio­nierin­nen prof­i­tieren auch die muti­gen Frauen von heute.»
Andreas C. Müller
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