Behinderung ist kein Hindernis

Behinderung ist kein Hindernis

Alber­to Stankovic fehlt seit sein­er Geburt ein Arm. Gle­ich­wohl kann der 19-Jährige im Tas­taturschreiben mit jedem Profi mithal­ten. Dies beweist er auch auf dem Pfar­reisekre­tari­at in Suhr. Ermöglicht hat ihm dies ein Prak­tikum der Fach­stelle Pas­toral für Men­schen mit Behin­derung der Römisch-Katholis­chen Lan­deskirche Aar­gau. Im Inter­view ziehen die Fach­stel­len­lei­t­erin und der Prak­tikant Bilanz. Das Faz­it: Inklu­sion kann gelin­gen.Frau Deschler, mit Alber­to Stankovic haben Sie als Lei­t­erin der Fach­stelle Pas­toral für Men­schen mit Behin­derung der Römisch-Katholis­chen Lan­deskirche Aar­gau einen Prak­tikan­ten auf der Fach­stelle sowie in der Pfar­rei. Qua­si der Tat­be­weis für die von Ihnen stets pos­tulierte Inklu­sion? Isabelle Deschler: Schon von meinen Kol­legin­nen und Kol­le­gen Peter Schmitz-Hüb­sch und Kit­ti Stef­fen war angedacht wor­den, dass Men­schen mit Behin­derung bei uns arbeit­en. Als Angestellte auf der Fach­stelle ist das auf­grund der beschränk­ten Pensen lei­der nicht möglich. Mit dem Prak­tikum und der Aus­dehnung des Fokus auf die Pfar­reien haben sich neue Möglichkeit­en eröffnet. Alber­to Stankovic arbeit­et sowohl bei uns auf der Fach­stelle als auch auf dem Pfar­reiamt in Suhr.Warum hat es denn nie­mand in Ihrem Team mit Hand­i­cap? Isabelle Deschler: Sehen Sie, es gibt ohne­hin nur wenige The­ologin­nen und The­olo­gen. Und auf Stel­lenauss­chrei­bun­gen kön­nen Sie nur aus jenen Leuten auswählen, die sich auch bewor­ben haben.Sie propagieren die Inklu­sion anstelle von Inte­gra­tion. Ist das nicht eine begrif­fliche Spitzfind­igkeit? Isabelle Deschler: Ich stre­ite bes­timmt nicht mit jeman­dem über Begrif­flichkeit­en. Beson­ders nicht, wenn Men­schen das umset­zen, worum es mir eigentlich geht.Was macht denn den Unter­schied? Isabelle Deschler: Bei Inte­gra­tion bleiben «die anderen» anders, bei der Inklu­sion existiert der Gegen­satz zwis­chen uns und «den anderen» nicht mehr.Wie lässt sich das konkret ver­mit­teln? Isabelle Deschler: Ich spreche immer wieder bewusst davon und erfahre oft als Reak­tion, dass mir die Leute sagen: «Ja genau, darum geht es eigentlich.» Es find­et ein Umdenken statt, wenn man sich das bewusst macht.Und mit welchem Effekt? Beispiel­sweise in Bezug auf Her­rn Stankovic? Isabelle Deschler: Dass jemand mit einem Hand­i­cap wie Alber­to sehr viel gibt. Als The­olo­gin ver­ste­he ich zum Beispiel nicht viel von Com­put­ern, Alber­to hinge­gen schon. Insofern ist das Prak­tikum keine Beschäf­ti­gungs­ther­a­pie, son­dern ein echt­es Arbeitsver­hält­nis.Wie haben Sie das erlebt, Herr Stankovic? Alber­to Stankovic: Man hat mir viel zuge­traut. Man übergibt mir Arbeit und lässt mich machen. Es wird nicht nachkon­trol­liert. Ich geniesse das­selbe Ver­trauen wie jed­er andere Mitar­bei­t­ende auch. Isabelle Deschler: Mit Ein­schränkun­gen einzig dort, wo es der Prak­tikan­ten-Sta­tus per se mit sich bringt. Aber das hat nichts mit der Per­son oder dem Hand­i­cap zu tun.Herr Stankovic, erleben Sie auf­grund Ihres Hand­i­caps Diskri­m­inierung? Alber­to Stankovic: Nein. jeden­falls nicht direkt. Gewiss ist es so, dass ich es bei der Stel­len­suche schwieriger habe, weil sich Arbeit­ge­ber oft nicht vorstellen kön­nen, wie ich die Arbeit genau gle­ich gut und gle­ich schnell machen kann wie alle anderen auch. Oder aber Men­schen, die mir allzu vor­eilig ihre Hil­fe anbi­eten, mir beispiel­sweise in die Jacke helfen wollen oder die Türe öff­nen. Aber Aus­gren­zung habe ich nie erfahren.Was sind Ihre Ziele für die Zukun­ft, Herr Stankovic? Alber­to Stankovic: Ich möchte meine Bürolehre erfol­gre­ich abschliessen, im ersten Arbeits­markt Fuss fassen und später auf Kinder­be­treu­ung umsat­teln.Und Ihre, Frau Deschler? Für Ihre Fach­stelle? Isabelle Deschler: Ich wün­sche mir, dass auch andere Pfar­reien Men­schen mit ein­er Behin­derung beschäfti­gen. In welchem Rah­men auch immer. Dafür will ich mich ein­set­zen.   
Andreas C. Müller
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