Auch Katechetinnen dürfen wieder unterrichten
- Nachdem der Regierungsrat vor zwei Wochen zuerst beschlossen hatte, vorläufig keinen konfessionellen Religionsunterricht an den Schulen zuzulassen, besann sich das Departement für Bildung, Kultur und Sport (BKS) nach kirchlichem Protest doch noch anders (Horizonte berichtete).
- Am Montag, 11. Mai, wurde der Religionsunterricht an den Schulen nach zweimonatiger Pause wieder aufgenommen. Untersagt bleibt Unterricht in Räumlichkeiten der Pfarrei, weil dieser als Veranstaltung gilt.
- In den ersten Religionslektionen nach Wiedereröffnung der Schulen gaben die Katechetinnen und Katecheten den Corona-Erfahrungen ihrer Schüler Raum.
Die lange unterrichtsfreie Zeit hätte durchaus auch positive Wirkung gezeigt, scherzte Jugendseelsorger Thomas Scheibel. «Bei meiner Kollegin erschienen am letzten Montag alle Religionsschüler vollzählig und waren durchs Band gut gelaunt.» Sie freuten sich ebenso wie die Unterrichtende über das Wiedersehen und das zurückgewonnene Stück Alltag.
Verschwörungstheorien einordnen
Thomas Scheibel, Jugendseelsorger im Pastoralraum Aare-Rhein, wählte für den Wiedereinstieg die «Emmaus-Lektion». «Das Thema Hoffnung und Auferstehung passt sehr gut in die aktuelle Phase», findet er. Anhand der Geschichte der beiden Jünger, die auf dem Weg nach Emmaus dem auferstandenen Jesus begegnen, bringen die Schüler ihre Zweifel, Fragen und Unsicherheiten zur Sprache.«Die Religionsstunde eignet sich für die Thematisierung schwieriger Fragen, die sich in der aktuellen Krise stellen», sagt Thomas Scheibel. Dazu gehört für ihn, mit den Schülern über ethische Entscheidungen und Verschwörungstheorien zu diskutieren oder etwa zu versuchen, die Ansicht einzuordnen, die Pandemie sei eine «Strafe Gottes». «Geht es um solche Fragen, zeigen sich Stellenwert und Stärke des Religionsunterrichts.»
Verwirrung vor dem Schulstart
Weil das Departement für Bildung, Kultur und Sport BKS zuerst kommuniziert hatte, der Religionsunterricht gehöre nicht zur offiziellen Stundentafel und werde deshalb nicht wieder starten, intervenierten die beiden Landeskirchen beim verantwortlichen Regierungsrat Alex Hürzeler. Daraufhin revidierte das BKS seinen Entscheid: «Wir haben das Thema innerhalb des Departements nochmals diskutiert und sind zum Schluss gekommen, dass wir den konfessionellen Unterricht doch schon ab dem 11. Mai zulassen wollen», sagte BKS-Sprecherin Simone Strub am Mittwoch vor Schulbeginn.Noch nicht erlaubt sind Religionslektionen, die in den Räumlichkeiten der Pfarrei stattfinden. Solche gelten als Veranstaltung und fallen unter das aktuell herrschende Veranstaltungsverbot für mehr als fünf Personen. Dieser Umstand trifft alle Aktivitäten am Lernort Pfarrei wie Erstkommunionvorbereitung, Versöhnungsfeiern oder Erlebnisnachmittage. Besonders betroffen sind einzelne reformierte Katechetinnen: Weil sie aus Goodwill gegenüber der Schule ausschliesslich in ihren eigenen Pfarreiräumlichkeiten unterrichten, fällt ihr Unterricht vorläufig noch ganz aus. Das bestätigt Jürg Hochuli, Leiter Gemeindedienste bei der Reformierten Kirche Aargau, auf Anfrage.
Ein grosses Vakuum
Isabelle Hitz unterrichtet im Pastoralraum Siggenthal Erst- bis Drittklässler. «Ich habe mich riesig auf meine Schülerinnen und Schüler gefreut», sagt die Katechetin. «Weil der Lockdown mit Fastenzeit, Karwoche und Ostern die wichtigste Zeit im Kirchenjahr betraf, spürte ich ein grosses Vakuum. Zu gerne hätte ich mit den Schülern Ostern erlebt und gefeiert.»In der ersten Lektion schaute Isabelle Hitz zusammen mit ihren Schülern auf die letzten Wochen zurück. Weil Kinder ihre Empfindungen nicht immer in Worte zu fassen vermögen, wählte sie dafür das Gestalten von «Lifelines», also «Lebenslinien». Mit Filzschnüren und kleinen Gegenständen legte jedes Kind seine eigene Linie. Ohne miteinander zu sprechen, begleitet von Musik, liessen sie sich dabei von den Fragen leiten: «Was hat mir gefallen?», «Was war schwierig?», «Wie ist es mir gegangen?» und «Was hat diese Zeit mit mir gemacht?».
Vorfreude auf Feiern in der Kirche
«Knäuel aus dunklem Filz offenbaren möglicherweise schwierige Momente, ohne dass der Schüler diese benennen muss», erklärt Isabelle Hitz. Anschliessend durften sie ihre Wünsche und Erfahrungen auch schriftlich festhalten – auf einer Apfelblüte aus Papier. In jeder Kirche des Pastoralraums Siggenthal steht ein Holzbaum, an den Kirchenbesucher Zettelchen mit ihren Anliegen heften können. Nun hat die Katechetin die Blüten mit den Kindergedanken ebenfalls dort befestigt. Was Isabelle Hitz auffiel: «Viele Kinder haben es genossen, so viel Zeit zu Hause zu verbringen und ihre Eltern um sich zu haben.»Wenn Isabelle Hitz einen Wunsch frei hätte, wäre dieser, dass ein neues Bewusstsein aus der Corona-Krise erwachsen möge. Ausflüge in den nahen Wald statt Flüge ins ferne Ferienparadies, Einkaufen im Dorfladen statt im Ausland. Zudem freut sie sich auf die Zeit, in der Feiern in der Kirche wieder möglich sein werden: «Kinder wirken gerne im Gottesdienst mit, machen Musik, spielen Theater, beten und singen. Ich freue mich, wenn wir wieder gemeinsam feiern können.»