Farbige Lichtblicke für eine graue Kindheit
Seit bald 20 Jahren reist jeden Sommer eine Gruppe mit Jugendlichen aus dem Kanton Baselland für eine Woche nach Rumänien, um dort den Alltag von Heimkindern zu bereichern. Horizonte hat im zweiten Teil seiner Sommerserie die Spur dieses Projekts aufgenommen, zu dem es kein vergleichbares Pendant im Aargau gibt.Jeden Tag ein Fest. Unter diesem Motto steht diesen Sommer das einwöchige Rumänienprojekt des Vereins «
Verseni.ch», der mit Jugendlichen im Alter zwischen 16 und 25 Jahren aus dem Kanton Baselland ein Kinderheim in Rumänien besucht. Mit verschiedenen Spielen und Aktionen verwandelt das Baselbieter Team jeden Tag in einen Festtag, wie die Hauptleiterin Noemi Aegerter erklärt. Insgesamt 17 Jugendliche und junge Erwachsene sind diesmal mit dabei.
Kulturwandel dank regelmässigen Besuchen
Über eine Schweizer Kontaktperson in Rumänien stiessen die Initianten 1997 auf das Kinderheim in Verseni im Nordosten des Landes. Dies geschah im Rahmen einer Osteuropa-Reise der Jugendseelsorge des Dekanats Liestal. Der Besuch im Kinderheim entpuppte sich als Schlüsselerlebnis. Die Eindrücke vom Elend der Kinder, von denen bis zu hundert in einem Saal schliefen, liessen die Jugendlichen aus der Schweiz nicht mehr los. Sie beschlossen, den Kindern zu helfen, stellten ein einfaches Kinderprogramm zusammen und organisierten einen Kleider- und Materialtransport.Mittlerweile gibt es keine Materiallieferungen mehr. Denn: «Es fehlt den Heimkindern weniger an Kleidern und Spielsachen», so Noemi Aegerter, «sondern vielmehr an Aufmerksamkeit und zwischenmenschlichen Kontakten». Auch im Heim hätten sich Situation und Kultur verbessert. Während die Kinder früher von den Erziehern regelmässig geschlagen wurden, legt die Heimleitung heute grossen Wert auf eine gute Betreuung und Ernährung der Kinder. Diese leben nun in 6‑Bett-Zimmern, nach Alter und Geschlechter getrennt. Zudem haben sie genügend Rückzugsmöglichkeiten.
Misshandelt und ausgesetzt
«Die Kinder blicken auf eine traurige Kindheit zurück», erzählt Noemi Aegerter. «Sie stammen aus zerrütteten Familien, wurden zum Teil von ihren Eltern misshandelt und ausgesetzt.» Häufig leben die Eltern im Ausland und kümmern sich nicht mehr um ihre Kinder oder haben diese den Grosseltern übergeben. Mangels Geld und Ressourcen landen die Kinder dann im Kinderheim.Die Reise nach Rumänien versetzt die Jugendlichen aus dem Baselbiet in der Zeit zurück. Verseni liegt in einer besonders armen Gegend von Rumänien, wo geteerte Strassen noch selten sind. Dafür gehören Ross und Wagen auf den holprigen Strassen zur Tagesordnung. Man wolle vom Glück, das man in der Schweiz geniesse, den Kindern in Rumänien ein Stück abgeben, antwortet Noemi Aegerter auf die Frage, warum sich seit bald 20 Jahren immer wieder Jugendliche für das Projekt engagieren. Natürlich reize auch die Möglichkeit, eine fremde Kultur kennen zu lernen und anderen Menschen zu begegnen.
Mit verrückten Ideen wird die Spendenkasse gefüllt
Ohne Spenden könnten die Jugendlichen das Kinderheim in Verseni nicht unterstützen, schliesslich kostet allein die Reise rund 900 Franken pro Person. Fünf Kirchgemeinden im Kanton helfen dem Verein beim Sammeln von Gönnerbeiträgen. Mit verschiedenen Aktionen besseren die Jugendlichen zudem die Spendenkasse auf: Dazu gehören beispielsweise ein Benefiz-Schnitzelbangg-Abend an Aschermittwoch oder die Aktion «Rent a Versenier», bei der die Jugendlichen sich als Team für Geburtstagsfeiern, Putzaktionen oder als Umzugshelfer anbieten.Und im Aargau? Verseni als Vorbild für die kirchliche Jugendarbeit im Rüebliland? «Wir sind zurzeit in keinem Entwicklungsprojekt im Ausland tätig», erklärt beispielsweise Yannick Müller von der Jugendseelsorge «Juseso Fricktal». Allerdings engagierte man sich für ein Asylprojekt in der Schweiz, um Begegnungen mit Asylbewerbern zu ermöglichen.
Horizonte-Sommerserie aus aktuellem Anlass
An der diesjährigen Sommer-Session stritt Bundesbern im Rahmen seiner Spardebatte auch über Kürzungen bei der Entwicklungshilfe. Das nahm Horizonte zum Anlass, im Rahmen seiner Sommerserie für einmal in die Ferne zu reisen. Aber nicht in die Ferien, sondern an Orte, wo sich Kirchgemeinden, katholische Verbände und die katholische Jugendarbeit in verschiedenen Projekten engagieren. Im
ersten Teil ging es auf die Philippinen, wo eine freiämter Kirchgemeinde Kindern und Jugendlichen eine neue Perspektive ermöglicht.