Sichtbare und unsichtbare «Ausländer»

Sichtbare und unsichtbare «Ausländer»

Ein halbes Jahr nach der «Massenein­wan­derungsini­tia­tive» und wenige Monate vor der Abstim­mung über die «Ecopop-Ini­tia­tive» regt der emer­i­tierte Tessin­er Bischof Pier Gia­co­mo Gram­pa im Namen der Schweiz­er Bis­chöfe dazu an, am 1. August neu über die «Iden­tität» der Schweiz nachzu­denken.Gle­ichzeit sollen auch das Ver­hält­nis der Bevölkerung zu «Aus­län­dern» und die Gestal­tung des Zusam­men­lebens im Land Anlass zur Reflex­ion sein. Der Bischof warnt vor den «unsicht­baren Aus­län­dern, vor denen wir uns wirk­lich fürcht­en müssen». Das seien unter anderem inter­na­tionale Finanzge­sellschaften und Ver­brech­er­syn­dikate. Bischof Gram­pa erin­nert an die «Iden­tität des Schweiz­er Volkes», welche immer aus unter­schiedlichen Sprachen, Kon­fes­sio­nen, Kul­turen und Tra­di­tio­nen gebildet war. In der «Wil­len­sna­tion Schweiz» fan­den lib­erale, sozial­is­tis­che, reformierte, katholis­che, urbane und ländliche Kul­turen zusam­men. Christliche Werte seien dabei tief im Schweiz­er Volk ver­wurzelt. Gram­pa mah­nt, diese christlichen Werte immer wieder zu aktu­al­isieren: «Es genügt nicht, sich ihrer zu erin­nern und sie im Munde zu führen. Es bedarf auch der Inter­pre­ta­tion, des Klar­w­er­dens über ihre Bedeu­tung für heute, vor allem auch der prak­tis­chen Umset­zung.»Vere­in­nah­mung christlich­er Werte vor­beu­gen Dies sei vor allem notwendig, um die Vere­in­nah­mung ange­blich­er christlich­er Werte durch frem­den­feindliche Kräfte zu bekämpfen: «Gegen­wär­tig wer­den die christlichen Werte häu­fig von Leuten verkün­det, die sie als Werkzeug gegen einen poten­tiellen Feind instru­men­tal­isieren wollen: gegen den Anderen, gegen den Frem­den, gegen Mus­lime.» Die Kirche dürfe sich nicht darauf beschränken, diese Werte nur zu wieder­holen, ohne sie für die Gegen­wart auszule­gen. «Son­st wer­den wir eine Menge guter Chris­ten haben, die überzeugt davon sind, dass das Chris­ten­tum am besten durch die Begren­zung der Zuwan­derung von Aus­län­dern vertei­digt wird, dass man deren Rechte ein­schränkt und Mauern und Schranken errichtet.»Arbeit­splatz, Lohn­dump­ing, Min­dest­lohn Nach der Annahme der «Massenein­wan­derungsini­tia­tive» tue ein Nach­denken über unser Ver­hält­nis zu Aus­län­dern Not. Der Bischof warnt davor, alle Befür­worter als frem­den­feindlich abzustem­peln. Das Unbe­ha­gen viel­er Men­schen habe auch soziale Ursachen: «Das geht so weit, dass unsere Arbeit­er ihren Job ver­lieren und durch aus­ländis­che Bil­liglohnkräfte erset­zt wer­den. Dieser Schande muss man die Stirn bieten und sie bekämpfen, indem man einen Min­dest­lohn für die unter­schiedlichen Wirtschaftssek­toren fes­tlegt. Auch wenn die let­zte Volksini­tia­tive für einen Min­dest­lohn deut­lich abgelehnt wurde, so bleibt das Prob­lem doch aktuell.» Doch Gram­pa warnt auch vor Naiv­ität in der Aus­län­der­frage. Reale Äng­ste der Men­schen müssten ernst genom­men wer­den, denn «die Angst zu ver­leug­nen bedeutet, die Wirk­lichkeit zu ver­leug­nen». Die nach­haltig­ste Form zur Über­win­dung dieser Äng­ste ist für den Bischof die Begeg­nung: «Die Regel, dass man jeman­dem in die Augen schauen muss, wenn man ein Almosen gibt, gilt auch für die Begeg­nung mit einem Men­schen, den man nicht ken­nt. Es öffnet sich eine andere Per­spek­tive.»Finanzen und Syn­dikate Tat­säch­lich gibt es für Gram­pa auch «Fremde», vor denen wir wirk­lich Angst haben müssen: «Es sind «unsicht­bare Fremde», ohne Gesicht. Eine Begeg­nung mit ihnen sei unmöglich, doch bes­timmten sie die Bedin­gun­gen und seien für das Zusam­men­leben eine wirk­liche Gefahr. Das sind die inter­na­tionalen Finanzge­sellschaften, die ganze Wirtschaftssys­teme zusam­men­brechen lassen, nur durch das Ver­schieben von Ver­mö­gen, ohne Werte zu schaf­fen. Das seien auch ver­brecherische Clans, die zur Geld­wäsche Unternehmen und Gewer­be­be­triebe unter ihre Kon­trolle brin­gen und den Gewinn ihrer Mas­sage­sa­lons und Bor­delle über den Finanz­markt ver­schieben.» Dieser Fremde verur­sache zwar keine Staus auf der Auto­bahn und breche nicht in Häuser ein. «Aber er nimmt uns hin­ter­hältig in seine Fänge, indem er uns das Gewis­sen und die Kul­tur stiehlt.»kipa
Redaktion Lichtblick
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