Die sicht­ba­ren Unsichtbaren

  • Vor knapp einem Monat berich­te­te Hori­zon­te über die Theo­lo­gin­nen und Theo­lo­gen in Albe, die als nicht-ordi­nier­te Seel­sor­gen­de in den Pfarr­ge­mein­den und Spe­zi­al­seel­sor­gen oft die glei­che Arbeit machen wie Prie­ster und Diakone.
  • Mit Ermu­ti­gung durch Bischof Felix Gmür woll­ten sie ver­su­chen, in Hal­le 4 zu den ordi­nier­ten Theo­lo­gen, also den Prie­stern und Dia­ko­nen, zu gelan­gen und die Papst­mes­se mit ihnen mit­zu­fei­ern und damit eine Schwei­zer Kir­chen­rea­li­tät sicht­bar zu machen.
 «Ils n’existent pas». Kurz und knapp. Mar­kus Thü­rig, Gene­ral­vi­kar des Bis­tums Basel, über­bringt Doro­thee Becker und Moni­ka Hun­ger­büh­ler die Ant­wort des Lit­ur­gie-Ver­ant­wort­li­chen in Genf. Theo­lo­gin­nen und Theo­lo­gen in Albe exi­stie­ren schlicht nicht, und weil die Plät­ze für die Ordi­nier­ten abge­zählt sind, kön­nen die Theo­lo­gin­nen und Theo­lo­gen dort nicht sit­zen. Zwei Schwei­zer Gar­di­sten sol­len alle weg­schicken, die ver­su­chen, in den für ordi­nier­ten Theo­lo­gen reser­vier­ten Teil zu gelan­gen. So der Ist-Zustand um 15.30 Uhr.

Inter­ven­tio­nen fruch­ten nicht

Schon zwei Tage vor der Papst­mes­se in Genf zeich­net sich ab, dass der Wunsch der nicht-ordi­nier­ten Theo­lo­gin­nen und Theo­lo­gen viel­leicht nicht zu erfül­len ist. Mit der Begrün­dung, man wol­le Kon­fu­si­on ver­mei­den, ergeht aus dem Vati­kan via Charles Mor­e­rod, Bischof der Gast­ge­ber­diö­ze­se Genf, Lau­sanne und Frei­burg, die Wei­sung, dass die Frau­en und Män­ner aus den Bis­tü­mern Basel, St. Gal­len und Chur nicht im Bereich der Prie­ster und Dia­ko­ne mit­fei­ern sol­len. Inter­ven­tio­nen der Bis­tums­lei­tung Basel am Got­tes­dienst­ort fruch­ten nicht.Es sei aller­dings kein Pro­blem, so Mar­kus Thü­rig, die Albe am Platz anzu­le­gen und dort in Albe mit­zu­fei­ern. Man merkt Doro­thee Becker und Moni­ka Hun­ger­büh­ler, den Initi­an­tin­nen der Akti­on, an, dass sie ent­täuscht und wütend sind. Sie und ihre Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen, fünf Män­ner und zehn Frau­en, wol­len nicht ein­fach an den regu­lä­ren Volks-Plät­zen sit­zen, son­dern ver­su­chen, bis zum Schluss den Plan umzu­set­zen oder alter­na­tiv Felix Gmür dazu zu ermu­ti­gen, bei ihnen zu sit­zen, anstatt auf der gros­sen Büh­ne vor­ne – als Zei­chen der Soli­da­ri­tät. «Wir wün­schen uns – wenn wir schon nicht bei den Prie­stern und Dia­ko­nen sit­zen kön­nen – ein Zei­chen der Soli­da­ri­tät», heisst es immer wie­der.  Gleich­zei­tig ist es Doro­thee Becker und Moni­ka Hun­ger­büh­ler wich­tig, dass sie nicht auf Kon­fron­ta­ti­ons­kurs gehen. Dafür ist ihnen das Anlie­gen zu wich­tig.

Gene­ral­vi­kar han­delt solidarisch

Drei mit­ge­rei­ste Dia­ko­ne und ein Prie­ster, sowie Mar­kus Thü­rig, der Gene­ral­vi­kar, zei­gen sich soli­da­risch und blei­ben bei den Theo­lo­gin­nen und Theo­lo­gen in Albe auf den zuge­wie­se­nen Plät­zen mit­ten unter den ande­ren Gläu­bi­gen. Bischof Felix sieht der­weil – das schreibt er per sms – kei­ne Mög­lich­keit, zu der Grup­pe zu kom­men. Wäh­rend der Papst durch die Hal­le fährt und sich die Gläu­bi­gen ihm jubelnd zuwen­den, legen die ins­ge­samt 21 Frau­en und Män­ner ihre Gewän­der an, denn es geht ihnen dar­um, eine Schwei­zer Rea­li­tät abzu­bil­den. Als die Grup­pe sich für das Foto zurecht­stellt, fragt eine Frau erstaunt nach, wel­cher Grup­pe die Alben­trä­ge­rin­nen und –trä­ger ange­hö­ren und ist noch über­rasch­ter, als sie zur Ant­wort bekommt, dass sie römisch-katho­li­schen Seel­sor­gen­den gegen­über­steht.Es ist ein ein­drück­li­ches Bild, als die Theo­lo­gin­nen und Theo­lo­gen in Albe zur Kom­mu­ni­on gehen – weis­se Theo­lo­gen, die mit­ten im bun­ten Getüm­mel zei­gen, dass sie im Dienst der Kir­che ste­hen. Einer Kir­che, die zumin­dest in Genf sagt «Ils n’existent pas». Es wird noch gespro­chen wer­den müs­sen über die­se Wahr­neh­mung, das zei­gen die Theo­lo­gin­nen und Theo­lo­gen in Albe mit ihrem Ein­satz in Genf.

Auch in der Öffent­lich­keit unsichtbar

Auf der Rück­fahrt wird dis­ku­tiert. Zwar habe es kei­ne brei­te Ein­la­dung zu einer Soli­da­ri­täts­be­kun­dung sei­tens der Prie­ster und Dia­ko­ne gege­ben – doch was fru­striert, so eine Theo­lo­gin, sei die oft man­geln­de Soli­da­ri­tät der Prie­ster und Dia­ko­ne, die gleich­zei­tig die Dien­ste der nicht-ordi­nier­ten Theo­lo­gin­nen und Theo­lo­gen, ihre Arbeit in den Pfarr­ge­mein­den und der Spe­zi­al­seel­sor­ge, ger­ne und selbst­ver­ständ­lich in Anspruch näh­men. Ver­ant­wor­tung tei­len, aber nicht sicht­bar sein – das geht für die erfah­re­nen Theo­lo­gin­nen und Theo­lo­gen im Gemein­de­dienst nicht auf. Umso mehr, weil ihre Arbeit in den Pfarr­ge­mein­den von den Gläu­bi­gen und den Bis­tums­lei­tun­gen geschätzt wird. Ohne sie, das ist den mei­sten Katho­li­ken in den Bis­tü­mern Basel, St. Gal­len und Chur bewusst, wür­de das katho­li­sche Leben letzt­lich still­ste­hen.The­ma ist auch, was Doro­thee Becker in einem Resü­mee fol­gen­der­mas­sen for­mu­liert: «Ils/ elles n’existent pas» — die­se Tat­sa­che müs­sen wir aber auch in die Ver­ant­wor­tung der Medi­en stel­len. Wenn es um die Kir­che und ihre Reprä­sen­tan­tin­nen und Reprä­sen­tan­ten geht, dann wer­den in der Regel Pfar­rer befragt und vor­ge­stellt, viel­leicht noch Ordens­frau­en. Dass es Theo­lo­gen und Theo­lo­gin­nen in der römisch-katho­li­schen Kir­che gibt, auch in Lei­tungs­po­si­tio­nen, die die­sel­be Aus­bil­dung haben wie Prie­ster, und das seit 50 Jah­ren, ist Jour­na­li­sten und Jour­na­li­stin­nen mei­stens nicht bekannt. Auch in der Öffent­lich­keit sind wir nicht sichtbar».
Anne Burgmer
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