Die heilige Zweiflerin

  • Katha­ri­na von Alexan­drien hat­te keine Glauben­szweifel, Mut­ter Tere­sa viele.
  • Welche Rolle spielt der Zweifel? Ist er gut oder schlecht und was sagt er über den Glauben aus?
  • Im «Salon The­olo­gie» hat sich Veroni­ka Hoff­mann, Pro­fes­sorin für Dog­matik an der Uni­ver­sität Fri­bourg, diesen Fra­gen gestellt.

Katha­ri­na von Alexan­drien lebte im vierten Jahrhun­dert, bis sie der ägyp­tis­che König köpfen liess. Der Leg­ende nach weigerte sich die beken­nende Christin stand­haft, ihrem Glauben abzuschwören. Die Frau – fest im Glauben und frei von Zweifeln – habe sog­ar die Wach­män­ner vor ihrem Kerk­er bekehrt. Veroni­ka Hoff­mann erzählt die Leg­ende der Mär­tyrerin im «Salon The­olo­gie» zum The­ma «Zweifel – Fre­und oder Feind des Glaubens». An der Online-Ver­anstal­tung des TBI nehmen an diesem Abend zehn Frauen per Zoom teil. Ganz anders geht die zweite Erzäh­lung über Mut­ter Tere­sa von Kalkut­ta, die zusam­men mit ihren Ordenss­chwest­ern zeitlebens den Ärm­sten und Ster­ben­den geholfen hat. Auch sie war und ist vie­len Men­schen ein Vor­bild im Glauben. Im Zuge ihres Heiligsprechungsver­fahrens wur­den jedoch Aufze­ich­nun­gen von ihr veröf­fentlicht, die von den grossen Zweifeln zeu­gen, die Mut­ter Tere­sa während Jahrzehn­ten gehabt hat­te. Mut­ter Tere­sa wurde mit ihren Zweifeln heiligge­sprochen.

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Der Zweifel neu gedeutet

Veroni­ka Hoff­mann, Pro­fes­sorin für Dog­matik an der Uni­ver­sität Fri­bourg, hat in ihrer Forschung zum Zweifel fest­gestellt, dass es eine Bedeu­tungsver­schiebung gibt. Während in der Philoso­phie der Zweifel erken­nt­nis­the­o­retisch immer schon pos­i­tiv bew­ertet wurde, blieb er in der christlichen The­olo­gie uner­wün­scht, gefährlich und galt als Sünde. Erst seit eini­gen Jahrzehn­ten ist der Zweifel in der christlichen The­olo­gie willkom­men. In neuester Zeit werde der Zweifel sog­ar gelobt. Veroni­ka Hoff­mann zitiert dazu den Reli­gion­ssozi­olo­gen Peter Berg­er. Dieser verorte den Zweifel im Mit­telfeld zwis­chen Fun­da­men­tal­is­mus und Rel­a­tivis­mus. Jemand, der zwei­fle, habe die Suche nach Wahrheit noch nicht aufgegeben. Der Zweifel sei sog­ar die Voraus­set­zung für Tol­er­anz gegenüber Ander­s­gläu­bi­gen, zitiert Veroni­ka Hoff­mann Peter Berg­er, dessen Ansicht­en sie jedoch nicht in allen Punk­ten teile.

Arten des Zweifelns

Neben den ver­schiede­nen Bew­er­tun­gen des Zweifels unter­schei­det die Dog­matik-Pro­fes­sorin unter­schiedliche Dimen­sio­nen des Zweifelns: Zweifeln als denkerische Auseinan­der­set­zung. Zweifel als Anerken­nung, dass unser Erken­nen seine Gren­zen hat. Zweifel kön­nen aber auch Mis­strauen gegenüber Gott bedeuten und auf eine gestörte Gottes­beziehung hin­weisen. Manch­mal sind Zweifel auch ein Symp­tom, dass der Glaube nicht mehr passt oder die Fröm­migkeit nicht mehr aus­re­icht. Andere Welt­deu­tun­gen kön­nen den eige­nen Glauben eben­falls her­aus­fordern. «Manch­mal verun­sichert der Zweifel, manch­mal lässt er den Glauben wach­sen», resümiert Veroni­ka Hoff­mann.

Was kann ich für meine Zweifel?

Auf beson­deres Inter­esse beim achtköp­fi­gen weib­lichen Pub­likum stösst die Frage nach dem eige­nen Zutun. Was kann ich für meinen Glauben? Was für meine Zweifel? Kön­nen wir beschliessen, zu glauben und nicht mehr zu zweifeln? Der indi­vidu­elle Ein­fluss werde wohl über­schätzt, sagt Veroni­ka Hoff­mann. Mit Blick auf Men­schen, die den ­eige­nen Glauben nicht oder nicht mehr aktiv vol­lziehen kön­nen, sei der Gedanke tröstlich, dass Gott an den Men­schen glaubt, auch wenn dieser nicht an Gott glauben kann. Zwei Teil­nehmerin­nen erzählen von ähn­lichen Erfahrun­gen mit ihren Glaubens­zweifeln. Diese liessen sich mit the­ol­o­gis­chen Antworten meist nicht aus­räu­men. Hil­fre­ich­er seien da Begeg­nun­gen mit dem Göt­tlichen, sagt eine Teil­nehmerin. Die andere fügt hinzu: «Mit dem Herz komme ich als Zweifel­nde wieder in den Flow.»

Eva Meienberg
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