
Bild: © zVg Le Nouvelliste/Christian Hofmann
Der Augustiner auf dem Stuhl Petri
Die Wahl von Leo XIV. löst weltweit Reaktionen aus – auch im eigenen Orden
Mit Leo XIV. wurde ein Ordensmann zum Papst gewählt, der in der augustinischen Tradition verwurzelt ist. Für Schwester Catherine Jerusalem – ebenfalls Augustinerin – ist das mehr als nur ein Detail, es prägt sein Verständnis davon, wie er sein Papstamt ausführt.
Dieser Beitrag erschien zuerst im Forum – Pfarrblatt der katholischen Kirche im Kanton Zürich
Der neue Papst ist ein Augustinermönch – gehört also zur gleichen Ordensfamilie wie Sie. Was ist Ihnen nach der Wahl durch den Kopf gegangen?
Catherine Jerusalem: Ich war mitten in einer Sitzung, als die Nachricht uns erreichte. Wir haben sofort unterbrochen: Als der Vorhang in Rom geöffnet wurde, konnten wir auf der Leinwand die ersten Bilder des neuen Papstes verfolgen. Die erste WhatsApp-Nachricht, die ich von einem Journalisten bekommen habe, lautete: «Den hatte ich nicht auf meiner Liste.» Und so bewahrheitet sich, dass alle Spekulationen nichts nützen, denn wer als Papst ins Konklave zieht, kommt ja bekanntlich als Kardinal zurück. Die zweite WhatsApp-Nachricht kam von meinen togolesischen Mitschwestern aus Lomé: «C’est un augustinien!» – Er ist ein Augustiner!
Was bedeutet das, dass der Papst ein Augustiner ist?
Dass er selbst sofort mitteilte, er sei Augustiner, bedeutet für mich, dass es ihm am Herzen liegt, dies zu sein. Der heilige Augustinus ist Kirchenlehrer, und die Regel, auf die man sich als Augustiner oder Augustinerin bezieht, ist wohl die kürzeste Regel eines Ordens: «Vor allen Dingen, liebe Brüder, sollt ihr Gott lieben, sodann den Nächsten; denn das sind die Hauptgebote, die uns gegeben sind. Das ist es, was wir euch im Kloster gebieten.» Vorbild ist für Augustinus die Lebens- und Gütergemeinschaft der ersten Christen in Jerusalem. Augustinus mahnt in seiner Regel zum Gebet, zur geistlichen Lesung, zum Bewahren der ersten, ungeteilten Liebe, zum Masshalten und zur Bescheidenheit im Umgang mit den zeitlichen Gütern (Apostelgeschichte 4,32).
Was für eine Auswirkung könnte das auf die Ausübung seines Papstamtes haben?
Für uns Augustinerinnen und Augustiner ist die Gemeinschaft wichtig. Gerade die Priester sollen nicht als Einzelne in der Welt herumstolpern, sondern in Gemeinschaft verbunden sein, auch mit ihrem Bischof. Das hat der neue Papst ja in seiner ersten Ansprache auch betont, wie dankbar er in Peru für diese Gemeinschaft, auch der Gläubigen mit dem Bischof, war. Als Augustiner ist der neue Papst sicher ein Brückenbauer. Zu unserer Regel gehört ausserdem, dass wir die Armut geloben. Allerdings ist Augustinus auch hier nicht eng: «Jeder soll nach seinen Bedürfnissen bekommen, was er braucht.» Als Teil der Gemeinschaft fragen wir aber immer: Verträgt sich mein Bedürfnis mit den Möglichkeiten der Gemeinschaft und den Bedürfnissen der anderen? Somit ist der neue Papst sicher ein einfaches, bescheidenes Leben gewohnt.
Ausser Augustiner ist Leo XIV. auch Amerikaner …
Ich las in einer Zeitung die Schlagzeile «Der neue Papst ist ein Ami». Da ich zweisprachig bin, las ich ami auf französisch, und das heisst Freund! Für uns ist natürlich wichtiger, dass er ein Augustiner ist. Und für die ganze Welt scheint mir bedeutungsvoll, dass er seine Ansprache mit den Worten des auferstandenen Christus begonnen hat: Der Friede sei mit Euch. Mögen die Putins, Nethanjahus, Trumps und so weiter den Friedensruf auch gehört haben, das ist mein Wunsch!