Diakonie ist «weltlich von Gott reden»

Diakonie ist «weltlich von Gott reden»

Ver­gan­ge­nes Jahr entschloss sich die Römisch-Katholis­che Lan­deskirche Aar­gau, zusät­zlich zum diakonis­chen Ange­bot der Car­i­tas eine eigene Fach­stelle Diakonie aufzubauen – um die Wichtigkeit des «Dien­stes am Mit­men­schen» her­vorzuheben und zu stärken. Anfang Juli hat sie ihren Betrieb aufgenom­men.Diakonie sei «weltlich von Gott reden», habe Diet­rich Bon­ho­ef­fer ein­mal gesagt. Die Def­i­n­i­tion gefällt Kurt Adler, dem neuen Leit­er der Fach­stelle Diakonie der Römisch-Katholis­chen Lan­deskirche Aar­gau. Genau­so wie die Schlussfol­gerung, dass eine Kirche, die nicht diene, let­ztlich zu nichts diene. Entsprechend soll die neue Fach­stelle auch nicht über Diakonie reden, son­dern han­deln und zum Han­deln motivieren.

Weniger Kirchenaustritte

Mit sein­er pointierten, aber zugle­ich auch her­zlichen Art weiss Kurt Adler auf die Men­schen einzuge­hen. Das wird rasch klar, wer ihn bei der Arbeit begleit­et – abseits vom Büroschreibtisch. Im Som­mer beispiel­sweise als Leit­er ein­er Ferien­woche für Allein­erziehende mit deren Kindern in der Prop­stei Wis­likofen. Dort küm­mert sich der erfahrene Seel­sorg­er und Medi­a­tor Jahr für Jahr um quirliges Jungvolk und ermöglicht es gestressten Allein­erziehen­den, zu entspan­nen und in ver­schiede­nen Ate­liers neue Per­spek­tiv­en für den All­t­ag zu ent­deck­en.«Auf Augen­höhe mit dem Mit­men­schen sein, das gehört zu meinem Selb­stver­ständ­nis von gelebtem Glauben», erk­lärt Kurt Adler seinen diakonis­chen Ansatz, zu dem automa­tisch auch Seel­sorge gehört. «Ich begrüsse es sehr, dass die Römisch-Katholis­che Lan­deskirche im Aar­gau als Ergänzung zum diakonis­chen Engage­ment der Car­i­tas eine eigene Fach­stelle Diakonie lanciert hat», sagt er. «Die neue Fach­stelle hat den Auf­bau von diakonis­chen Ange­boten in den Kirchge­mein­den im Blick, Car­i­tas hat den Bere­ich der pro­fes­sionellen Sozialar­beit mit den Kirch­lich Regionalen Sozial­dien­sten (KRSD) unter sich.» Mit Blick auf seinen neuen Arbeits­bere­ich meint Kurt Adler: «Diakonie als Dienst am Näch­sten gehört zu den Grundf­peil­ern der Kirche und es ist wichtig, dass die Kirche sich da engagiert und zeigt, was sie tut.» Wür­den die Leute wis­sen, was die Kirche im diakonis­chen Bere­ich leiste, so manche würde das von einem Kirchenaus­tritt abhal­ten», ist der 58-Jährige überzeugt.

Drei Diakonie-Fachstellen im Aargau

Mit der neuen Fach­stelle gibt es im Aar­gau nun drei Fach­stellen für Diakonie. Die Reformierte Lan­deskirche Aar­gau hat bere­its 1986 ihre Fach­stelle Diakonie geschaf­fen. «Der Beruf­s­stand der Sozial­diakonin, beziehungsweise des Sozial­diakons ist im Aar­gau mit­tler­weile als eigen­ständi­ger Beruf, gle­ich­w­er­tig zum Pfar­ramt, gut ver­ankert», erk­lärt Fach­stel­len­leit­er Chris­t­ian Härtli. «Hier hat unsere Fach­stelle Diakonie Grund­la­ge­nar­beit geleis­tet.»Weit­er unter­hält auch Car­i­tas Aar­gau eine entsprechende Fach­stelle. Kurt Adler sieht in dem vielfälti­gen, auf den ersten Blick möglicher­weise ver­wirren­den Diakonie-Ange­bot kein Prob­lem. «Ver­meintliche Über­schnei­dun­gen ergänzen einan­der. Da find­et mit Sicher­heit keine Konkur­ren­zierung statt.» Bei Car­i­tas sieht man das ähn­lich: «Wir arbeit­en bere­its mit der neuen Fach­stelle Diakonie zusam­men und schauen, welche Auf­gaben im Detail die neue Fach­stelle Diakonie übernehmen wird und welche Fach­fra­gen oder auch sozialpoli­tis­chen Aktiv­itäten bei Car­i­tas verbleiben», lässt Co-Geschäfts­führer Kurt Brand ver­laut­en.Chris­t­ian Härtli von der reformierten Fach­stelle Diakonie räumt zwar ein, dass «ausserkirch­lich gese­hen eine einzige Diakonie-Fach­stelle Sinn machen kön­nte», doch wäre eine solche öku­menis­che Stelle wohl zu weit weg vom kirch­lichen All­t­ag in ein­er Pfar­rei oder Kirchge­meinde. «Zudem sind die Struk­turen und Arbeitsabläufe in der diakonis­chen Arbeit zu unter­schiedlich, als dass sich eine einzige Stelle anbi­eten würde.» Gle­ich­wohl ste­he die Zusam­me­nar­beit mit der katholis­chen Fach­stelle ganz oben auf der Pri­or­itäten­liste.

Eine Fachstelle auf vier Rädern

Auf der Web­seite der Römisch-Katholis­chen Lan­deskirche präsen­tiert sich der Auf­gabenkat­a­log der neuen Fach­stelle noch etwas abstrakt und trock­en. Von pas­toralen Schw­er­punk­ten, Kom­mis­sio­nen und Pro­jek­ten ist da die Rede. «Ich will mich dafür ein­set­zen, dass in den Pfar­reien und neu ent­stande­nen Pas­toral­räu­men das diakonis­che Engage­ment seinen Platz und entsprechende Kon­tak­t­per­so­n­en hat», über­set­zt Kurt Adler. Und er werde das Ange­bot bes­timmt noch ver­ständlich­er beschreiben. Immer­hin habe er ja erst Anfang Juli in Aarau begonnen. Alles sei noch im Auf­bau begrif­f­en: Das Büro, das Team – im Laufe des Jahres soll noch eine zweite Mitar­bei­t­ende zur Fach­stelle hinzus­tossen. Und nach ein­er kurzen Pause meint er: «Vielle­icht brauchen wir auch gar kein Büro, son­dern einen VW-Bus, mit dem wir unter­wegs sind und auf dem ste­ht: Diakonie lebt.

Nicht nur für, sondern mit Betroffenen

Wichtig ist Kurt Adler, dass er nicht ein­fach nur für Men­schen etwas macht, son­dern ide­al­er­weise mit Betrof­fe­nen zusam­men. Als Beispiel führt er die Ferien­woche für Allein­erziehende an. Bei der Organ­i­sa­tion und Leitung unter­stützen ihn seit neun Jahren jew­eils zwei Frauen der «IG Allein­erziehende». Und ja: Selb­stver­ständlich ver­di­en­ten Allein­erziehende auch die Unter­stützung der Kirche. Mit oft begren­zten finanziellen Mit­teln leis­teten sie sehr viel und kämen in diesem Zusam­men­hang oft ans Lim­it. «Umso mehr ver­di­enen sie es, dass auch sie ein­mal dur­chat­men dür­fen.» Und so brin­gen Jahr für Jahr 20 Fam­i­lien mit etwa 40 Kindern Leben in die altehrwürdi­ge Prop­stei in Wis­likofen. «Vom Kle­in­stkind bis zum Jugendlichen an der Gren­ze zum jun­gen Erwach­se­nen ist alles dabei», so Kurt Adler. Es sei schön zu sehen, wie viele Fam­i­lien Jahr für Jahr wiederkä­men, Fre­und­schaften entstün­den und sowohl die Erwach­se­nen als auch die Kinder und Jugendlichen viel Wertvolles für den All­t­ag mit­nehmen kön­nten.

«Hier haben alle Platz»

Natür­lich hat Kurt Adler noch viele Ideen im Kopf, wie er das diakonis­che Engage­ment der Kirche stärken und Pfar­reien sowie Pas­toral­räume für die Wichtigkeit dieses kirch­lichen Auf­trags sen­si­bil­isieren und Frei­willige für den «Dienst am Mit­men­schen» motivieren will. Weg­be­gleitun­gen, aber auch Weit­er­bil­dun­gen für kirch­liche Mitar­bei­t­ende in Zusam­me­nar­beit mit den Reformierten seien bere­its aufge­gleist. Darüber hin­aus sei vieles noch nicht spruchreif, räumt Kurt Adler ein und meint dann spon­tan: «Vielle­icht platzieren wir ein­fach mal vor jed­er Kirche eine Bank, auf der ste­ht: Hier haben alle Platz». Das sei sei zwar noch kein diakonis­ches Pro­jekt, zeige aber, worum es beim diakonis­chen Ansatz gehe. Ganz weltlich gesprochen.
Andreas C. Müller
mehr zum Autor
nach
soben