Zu Besuch bei der ­Insektenkonferenz
Bild: © Alain Sethmacher

Zu Besuch bei der ­Insektenkonferenz

Nationales Pfingstlager von Jungwacht-Blauring in Wettingen

Über 10 000 Kinder, Jugendliche und Leitende haben über das Pfingstwochenende am «Jublasurium», dem grössten Zeltlager der Schweiz, teilgenommen. Geladen wurde zur Insektenkonferenz. Fünf Begegnungen zeigen, wie vielfältig Lagerleben sein kann und geben Einblick in das Miteinander in der Jubla.


Hoch über dem Gelände des Jubla­suri­ums in Wet­tin­gen (AG) schwebt eine Drohne und fängt aus höch­sten Höhen Bilder des Lagers ein. Wenn man die Videos und Fotos betra­chtet, fühlt man sich an einen Insek­ten­staat erin­nert, in dem viele kleine Krab­bler durcheinan­der wuseln, Wege bauen, riesige Berge an Pro­viant von ein­er Stelle zur anderen manövri­eren, Wasser­stellen erschliessen oder Essensstellen und Unter­schlüpfe erricht­en. Die Analo­gie kommt nicht von unge­fähr. «Eine Insek­tenkon­ferenz in Gefahr» war das Mot­to des Jubla­suri­ums. Die Kinder und Jugendlichen haben sich während des Lagers drei Tage lang damit beschäftigt, welche Rolle Insek­ten im Ökosys­tem spie­len und welche Möglichkeit­en es gibt, ihre Leben­sräume zu erhal­ten.
Lasst uns gemein­sam in diesen beson­deren Insek­ten­staat ein­tauchen und einige Exem­plare genauer unter die Lupe nehmen.


Bild: © Felix Wey

Die Bienen – halten das Lager im Hintergrund zusammen

Anja Yehia und Philippe Hüss­er, Ressort Präven­tion und Aware­ness

Tag 1 im Lager, Anja und Philippe sind seit 7 Uhr auf den Beinen. Ger­ade haben sie den Helfend­en eine Ein­führung in die Arbeit gegeben, die sie in den kom­menden drei Tagen erwartet. Die bei­den leit­en das 39-köp­fi­gen Aware­ness-Team, das aus Men­schen beste­ht, die Erfahrung in der Präven­tion­sar­beit haben. Wie Bienen sum­men sie in ihren gut erkennbaren neon­far­be­nen West­en über das Jubla­suri­umgelände und sind vor allem für die Scharlei­t­erin­nen und ‑leit­er da. «Hil­fe zur Selb­sthil­fe» ist ihr Mot­to. Ihre Auf­gabe sehen sie darin, die Per­so­n­en, die sich um die Kinder küm­mern, zu schulen und für sie dazu sein – mit Gespräch­sange­boten, Impulsen und der Erlaub­nis, auch mal durchzu­at­men. Dabei gehen sie proak­tiv auf die Men­schen zu. Durch ihre Erfahrung haben sie ein ver­lässlich­es Bauchge­fühl dafür, wo sie ger­ade unter­stützen kön­nen, damit es gar nicht erst zu schwieri­gen Sit­u­a­tio­nen kommt. Anja und Philippe waren lange Leitungsper­so­n­en, haben sich dann im Bere­ich Präven­tion weit­erge­bildet und schliesslich selb­st Aus­bil­dungskurse geleit­et. Als die Ver­band­sleitung anlässlich des Jubla­suri­ums die Idee hat­te, ein Aware­ness-Team auf die Beine zu stellen, habe man sofort an die bei­den gedacht.
Sich im Aware­ness-Team zu engagieren ist für bei­de eine Herzen­san­gele­gen­heit. Sie waren und sind gern in der Jubla und möcht­en ihr auf diesem Weg etwas zurück­geben. Ein beson­deres Anliegen ist es ihnen ausser­dem, das Fach­wis­sen, die Erfahrung und die Ressourcen im Bere­ich Präven­tion­sar­beit, die es in der Jubla schon gibt, zu bün­deln. Das Aware­ness-Team ist die Stelle, die all das gezielt sam­melt und für alle zugänglich macht. Es unter­stützt die Lei­t­en­den damit ganz konkret in ihrem Engage­ment. Ger­ade in der ehre­namtlichen Arbeit sind die Men­schen sehr hil­fs­bere­it und übernehmen unzäh­lige Auf­gaben. Nicht zulet­zt möchte das Aware­ness-Team daher den Frei­willi­gen beib­rin­gen, dabei auf sich und auf andere achtzugeben.


Bild: © Felix Wey

Die Ameise – packt an und stärkt den Teamgeist

Elias Gün­tert, Jubla Mut­tenz, hat bere­its am Auf­baulager teilgenom­men

Elias ken­nt das Gelände des Jubla­suri­ums schon fast so gut wie seine eigene Hosen­tasche. Er ist nicht erst in diesen Tagen für das Jubla­suri­um angereist, son­dern war bere­its am viertägi­gen Auf­baulager über Auf­fahrt dabei. Neben Spiel und Sport ging es beim Auf­fahrt­slager vor allem um das Knüpfen der Blachen­zelte (Blachen sind rechteck­ige Stoff­bah­nen, die an den Rän­dern mit Knöpfen und Knopflöch­ern aus­ges­tat­tet sind, um sie miteinan­der zu verbinden). Zwölf Zelte hat das etwa 25-köp­fige Auf­bauteam zusam­mengeknüpft. Eine Menge Arbeit, die aber im Team Spass gemacht hat, erzählt Elias. Am Ende, nach mehreren Stun­den emsi­gen Knüpfens, kon­nte er auf das Werk sein­er Hände blick­en und sagen: «Das habe ich gemein­sam mit den anderen geschafft.» Ohne die anderen ging es nicht, aber auch jede und jed­er einzelne war wichtig. Elias ken­nt sich aus mit Blachen und Seilen. Er merk­te während des Auf­fahrt­slagers, dass in manchen Grup­pen noch nie­mand Erfahrung hat­te. Dort kon­nte er mit seinem Wis­sen Hil­fe leis­ten, sodass alle Zelte im geplanten Zeitrah­men fer­tig wur­den. Als Team zusam­me­nar­beit­en heisst auch, gemein­sam Schwierigkeit­en meis­tern. Ver­schiedene Ken­nt­nis­stände, ver­schiedene Knüpfgeschwindigkeit­en – wo viele Men­schen sind, da sind auch viele ver­schiedene Arbeitsweisen. Die Koor­di­na­tion kann in ein­er solchen Sit­u­a­tion eine Her­aus­forderung sein. Wie es trotz­dem klappt? Elias hat ein paar Tipps: gemein­sam die Optio­nen anschauen, zusam­men entschei­den, sich aneinan­der anpassen, Kom­pro­misse einge­hen. Aber warum hat sich Elias entschlossen, nicht erst zum Lager anzureisen, son­dern schon beim Auf­bau mitzuhelfen? Da muss er nicht lange über­legen. Zum einen, weil er es span­nend find­et, seine Fähigkeit­en in der Pio­niertech­nik weit­er auszufeilen. Zum anderen – und das hat ihm am meis­ten Spass gemacht – zusam­men mit vie­len tollen Men­schen, die er ken­nen gel­ernt hat, etwas zu erschaf­fen.
Wie kleine Insek­ten haben die Kinder und Jugendlichen während des Jubla­suri­ums unter den vom Auf­bauteam geknüpften Zel­ten gewartet, bis der Regen nach­liess und sie wieder aufs Gelände hin­auss­chwär­men kon­nten.


Bild: © Leonie Wol­len­sack

Der Marienkäfer – bringt Farbe und Freude ins Lager

Remo Meis­ter, Ate­lier­leit­er

An einem Stand zwis­chen Schminkzube­hör, Kostü­men, Farb­tuben, Pin­seln, waben­för­mi­gen Kistchen und ganz vie­len kreativ­en Kindern, die ins Schminken und Malen ver­tieft sind, ste­ht Remo, der sich dieses Ate­lier aus­gedacht hat. Bei ihm kön­nen sich die Kinder und Jugendlichen in Insek­ten ver­wan­deln. Auf einem Stuhl sitzt ein Mäd­chen, auf dessen Gesicht sich ein Schmetter­ling entwick­elt. In einem näch­sten Schritt kön­nte es sich dann noch verklei­den und sich zum Beispiel ein paar Füh­ler auf den Kopf set­zen. Ver­wand­lung, Meta­mor­phose ist das Mot­to dieses ­Ange­bots. Vom Kind zum Insekt, aber vielle­icht auch von der Raupe zum Schmetter­ling? Remo erzählt, dass ursprünglich im Anschluss ein «Ver­wand­lungspark­our» angedacht war, in dem sich die Teil­nehmenden als ver­schiedene Insek­ten – mal mit und mal ohne Arme, Beine oder Flügel – durch ver­schiedene Hin­dernisse hät­ten hin­durch­schlän­geln müssen. Mit Blick auf den extrem matschi­gen Boden, bei dessen Anblick wohl nicht ein­mal die beherzteste Aben­teurerin grosse Lust ver­spüren dürfte, darauf herumzukriechen, fügt er an, dass man als Ate­lier­leit­er auch immer flex­i­bel reagieren muss. Remo freut sich, dass sein Ate­lier auch ohne den Par­cours gut bei den Kindern und Jugendlichen ankommt. Nach dem vie­len Laufen und ein­er kurzen Nacht kön­nen sie sich hier ein wenig zurückziehen, die müden Beine aus­ruhen und kreativ sein.
Remo ist schon lange Teil der Jubla und betont, dass es ihm wichtig ist, sich weit­er­hin zu engagieren. Selb­st wenn er nicht mehr so aktiv ist wie früher, sieht er mit dem Ate­lier am Jubla­suri­um eine Chance, sich einzubrin­gen.
Der Schmetter­ling auf dem Gesicht des Mäd­chens ist fer­tig. Zum Glück müssen Schmetter­linge nicht am Boden kriechen.


Bild: © Felix Wey

Das Glühwürmchen – ist voller Energie bei Tag und Nacht

Lad­i­na Imbo­den, Jubla Rohrdorf, Lagerteil­nehmerin

Langsam neigt sich der zweite Tag dem Ende zu, die Däm­merung set­zt ein. Lad­i­na hat nach einem Tag voller Spiel und Sport ger­ade das Gute-Nacht-Gschichtli gehört, dass die Kinder bis 12 Jahre abends vorge­le­sen und vorge­spielt bekom­men. Im Gschichtli haben sie gemein­sam eine Reise in die Zeit der Dinosauri­er gemacht, um her­auszufind­en, warum die Ameisen das grosse Ausster­ben damals, im Gegen­satz zu den Dinos, über­lebt haben. Und was ist die Antwort? Wenn alle zusam­men­hal­ten, dann kann man ganz viel schaf­fen. Das erlebt auch Lad­i­na selb­st im Lager. Sie freut sich riesig, gemein­sam mit ihren Cousins und anderen Kindern während der Lager­spiele in grossen Grup­pen über die Wiesen ren­nen zu kön­nen – auch wenn das im Matsch, der durch den Regen an vie­len Stellen ent­standen ist, gar nicht so ein­fach ist. Aber sich richtig ins Zeug leg­en, das ist genau Lad­i­nas Ding. Auch auf die anste­hende Nacht freut sie sich. Wo andere sich eher eine ruhige Nacht wün­schen, da würde sich Lad­i­na sog­ar über ein kleines biss­chen Regen freuen, weil es sich im Zelt dann so gemütlich anfühlt, wenn der Regen gegen die Zelt­wand pras­selt.


Bild: © Felix Wey

Der Schmetterling – entwickelt sich vom Scharkind zum Leiter

Nico­las Cha­puis, Jung­wacht St. Anton Wet­tin­gen, Leit­er

Nico­las wurde sozusagen in die Jubla hineinge­boren. Schon seine Eltern, seine Tan­ten und auch seine Geschwis­ter waren und sind ein Teil von Jung­wacht und Blau­r­ing. Begonnen hat alles als Schar­mit­glied, inzwis­chen ist er seit bere­its sieben Jahren selb­st Leit­er. Er ist aber nicht nur aus Tra­di­tion mit dabei, son­dern vor allem aus Überzeu­gung. Die Jubla, so find­et er, ist ein Vere­in, in dem Kinder und Jugendliche neue Kon­tak­te knüpfen kön­nen, und zwar ohne den Konkur­ren­zkampf, den es nicht sel­ten in anderen Vere­inen wie etwa Sportvere­inen gibt. In der Jubla geht um Spass und Freude – essen­zielle Werte für Nico­las. Als er mit 14 Jahren aus der Rolle des Scharkinds in die Leit­er­rolle wech­selte, lernte er schon früh, Ver­ant­wor­tung zu übernehmen. Beim Jubla­suri­um ist er als ein­er der ältesten Leit­er vor allem unter­stützend mit dabei, denn seine Gruppe, das soge­nan­nte 15er-Team, ist ger­ade selb­st in der Leitungsaus­bil­dung. Und Unter­stützung ist wichtig, denn Jung­wacht und Blau­r­ing St. Anton aus Wet­tin­gen sind hier in ihrem Heima­tort mit ein­er Truppe von 90 Kindern und Jugendlichen am Start. Natür­lich gibt es bei so ein­er grossen Schar auch für ihn immer etwas zu tun: alle möglichen Fra­gen beant­worten, eine helfende Hand anbi­eten oder ein­fach präsent sein. Die Moti­va­tion hochhal­ten war beim diesjähri­gen Jubla­suri­um eine nicht zu ver­nach­läs­si­gende Auf­gabe für Nico­las und die anderen Lei­t­en­den: Es ist ihnen gelun­gen, dass die Kinder selb­st bei strö­men­dem Regen und all­ge­gen­wär­tigem Matsch ihre freudi­ge Lager­stim­mung behiel­ten. Es gab jedoch immer wieder Momente, in denen Nico­las loslassen kon­nte. Bei den Lager­spie­len, an denen auch die Lei­t­en­den teil­nah­men, fühlte er sich manch­mal sog­ar ein biss­chen an die Zeit zurück­erin­nert, als er selb­st noch als Scharkind mit dabei war.

Zahlen und Fak­ten zum Jubla­suri­um

  • 43 grosse Baum­stämme (bis zu 16 Meter lang)
  • 2 830 Zelt­blachen
  • 7 000 Quadrat­meter Boden­schutz­plat­ten
  • 6,8 Ton­nen Nudeln und 1,8 Ton­nen Tomaten­sauce
  • 10 Kilo­me­ter Stromk­a­bel und 2 Kilo­me­ter Glas­faserk­a­bel
  • 110 ehre­namtliche Mit­glieder im Organisations­komitee
  • 235 Grup­pen aus der ganzen Deutschschweiz
  • 700 ehre­namtliche ­Helfende
  • 64 780 ehre­namtliche Arbeitsstun­den für Vor­bere­itung und Durch­führung

 

 

Eindrücke vom Jublasurium

Tag 1

Tag 2

Tag 3

Leonie Wollensack
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