Willkommen an der Kirchentür

  • Die Zer­ti­fikatskon­trolle bei Gottes­di­en­sten ist aufge­hoben.
  • Liturgie­ex­perte Mar­tin Con­rad plädiert dafür, die Men­schen weit­er­hin am Kirch­enein­gang zu begrüssen, nach amerikanis­chem Vor­bild.

Herr Con­rad, Sie sprechen von ein­er «neuen Willkom­men­skul­tur dank Coro­na». Was meinen Sie damit?
Mar­tin Con­rad: Während der Zeit der Coro­na­mass­nah­men ist an der Kirchenpforte eine Per­son ges­tanden für die Zutrittskon­trolle. Mir war wichtig, dass diese Per­son die Leute nicht nur kon­trol­liert, son­dern auch begrüsst, ein per­sön­lich­es Wort wech­selt und einen schö­nen Son­ntag wün­scht.

Wie haben die Kirchgänger auf diese Art von Türste­hern reagiert?
Bei uns in Peter und Paul in Zürich haben im Laufe der Zeit die meis­ten die Begrüs­sung sehr geschätzt. Dieser eine Moment, in dem sie per­sön­lich ange­sprochen wor­den sind, hat ihnen gefall­en. Natür­lich hat es auch schwierige Momente gegeben mit Men­schen, die mit der Zer­ti­fikat­spflicht nicht ein­ver­standen waren. Einige «Tür­wächter» haben darum auch ihren Dienst quit­tiert.

Die Zer­ti­fikat­spflicht ist aufge­hoben. Bedeutet das auch das Ende des Begrüs​sungsdienstes?
Ich plädiere dafür, dass wir ihn in ander­er Form beibehal­ten. Etwa so, wie der Dienst der Greeter in den USA.

Was machen die Greeter in den USA?
Sie begrüssen die Ank­om­menden. Das tönt ein­fach, muss aber geübt wer­den. Nicht alle Men­schen wollen auf die gle­iche Weise begrüsst wer­den. Die einen wollen direkt ange­sprochen und mit einem fes­ten Hand­schlag begrüsst wer­den. Andere brauchen Zeit, um anzukom­men. Ihnen genü­gen ein fre­undlich­er Blick und ein Kopfnick­en, um sich willkom­men zu fühlen.

[esf_wordpressimage id=37958 width=quarter float=left aspectratio=1:1][/esf_wordpressimage]Wer ist über­haupt geeignet für so einen Begrüs­sungs­di­enst?
Während der Coro­na­mass­nah­men waren das meist Frei­willige, aus der Pfar­rei beauf­tragte Per­so­n­en. Es müssen offene und fre­undliche Men­schen sein, die Freude daran haben, anderen behil­flich zu sein. Gle­ichzeit­ig müssen sie auch diskret sein, um andere nicht mit ihrer Fre­undlichkeit zu über­fordern.

Was kön­nten die Greeter son­st noch machen, auss­er zu grüssen?
Sie kön­nten Türen öff­nen – nicht nur sym­bol­isch. In unser­er Kirche, in St. Peter und Paul in Zürich, haben wir einen elek­trischen Türöffn­er, weil die Tür so schw­er ist. Wie schön wäre es, wenn das keine Mas­chine, son­dern ein Men­sch machen würde. Sie kön­nen den Ein­tre­tenden ein Gesang­buch über­re­ichen oder ein Lied­blatt. Das Litur­gis­che Insti­tut, bei dem ich bis Ende Jahr beschäftigt war, hat kür­zlich ein Falt­blatt mit dem Ablauf der Messe her­aus­gegeben. Das kann man Leuten in die Hand geben, die neu sind.

Haben Sie noch mehr Ideen?
In einem Dom in Deutsch­land habe ich gese­hen, dass den Ein­tre­tenden eine Schale mit Wei­h­wass­er gere­icht wurde. Die Greeter kön­nen bei der Platzwahl helfen, junge Fam­i­lien auf eine Spi­elecke hin­weisen, bei der Kollek­te mitwirken, nach dem Gottes­di­enst Rück­mel­dun­gen ent­ge­gen­nehmen und den Weg zum Kirchenkaf­fee weisen.

Was bein­hal­tet diese Willkom­men­skul­tur auss­er dem Emp­fangs­di­enst?
Es geht um grund­sät­zliche Über­legun­gen zur Gast­fre­und­schaft in Gottes­di­en­sten: Wie wollen wir den Men­schen begeg­nen? Wie begeg­nen wir Men­schen, die wir nicht ken­nen? Dazu gehört auch die Frage, wie wir Ihnen begeg­nen, wenn sie unsere gewohn­ten Kreise stören, wenn etwa die Kinder quen­geln.

Was kann ich sel­ber dazu beitra­gen, dass sich andere Men­schen in der Kirche willkom­men und angenom­men fühlen?
Ich habe mich in der Kirche auch schon fremd gefühlt. In dem Moment aber, als mir meine Banknach­barin den Friedens­gruss gegeben hat und mir fre­undlich in die Augen geschaut hat, bin ich angekom­men. Solche Zeichen brauchen wir, sie sind gar nicht so schw­er. Und die Ver­ant­wor­tung dafür dür­fen wir nicht an die Haup­tamtlichen, den Pfar­rer, die Gemein­delei­t­erin abgeben: Wir sind alle ver­ant­wortlich. Es wäre schön, wenn sich dieses Gefühl schon beim Betreten der Kirche ein­stellen würde. Da wiederum liegt der Ball bei den Haup­tamtlichen, zusam­men mit Frei­willi­gen an einem Emp­fangs­di­enst zu arbeit­en.

Warum sind Sie ger­ade in der Frage der Willkom­men­skul­tur so engagiert?
Ich bin der Überzeu­gung, dass die Offen­heit gegenüber den Anderen und damit auch die Frage, wie wir ihnen begeg­nen, kein Luxu­s­the­ma der Kirche sein darf, son­dern zu ihrer DNA gehört. Ger­ade in der Eucharistie sind wir alle Gäste am Tisch des Wortes und am Tisch des Leibes Christi. Und wir hören in den bib­lis­chen Lesun­gen immer wieder, dass uns Gott und Chris­tus im Gast und im Anderen begeg­nen will.

Christian Breitschmid
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