Barockes Geburts­tags­kind auf dem Fasnachtsberg

Die­ses Jahr fei­ert die Pfarr­kir­che Kai­sten ihren 300. Geburts­tag. Hori­zon­te nahm mit dem Frick­ta­ler Histo­ri­ker Linus Hüs­ser den Bau in Augen­schein und ver­rät, war­um sich ein Aus­flug lohnt.Wer von Frick aus über den Kai­sten­berg zu fah­ren kommt, erblickt bereits auf der Abfahrt ins Dorf die am gegen­über lie­gen­den Fas­nachts­berg errich­te­te Pfarr­kir­che St. Micha­el mit ihrem unver­putz­ten Turm­ab­schluss. «Axi­al ist sie gebaut, was sehr spe­zi­ell ist», ver­rät der Frick­ta­ler Histo­ri­ker Linus Hüs­ser: «Turm, Schiff, Chor und Sakri­stei befin­den sich auf einer Linie hin­ter­ein­an­der».

Figür­li­cher Schalk auf den zwei­ten Blick

Das schlicht gehal­te­ne Got­tes­haus mit sei­nen drei Altä­ren offen­bart auf den zwei­ten Blick einen gewis­sen Schalk. An der Empo­re prangt das Wap­pen des Lau­fen­bur­ger Pfar­rers Franz Rin­gler samt Kon­ter­fei – qua­si als Erin­ne­rung an einen gross­zü­gi­gen Mäzen wider Wil­len. Lan­ge war sei­ner­zeit über den Kir­chen­neu­bau gestrit­ten wor­den, der­weil das alte Got­tes­haus wei­ter ver­fiel. Erst als auch der Lau­fen­bur­ger Pfar­rer (Kai­sten unter­stand sei­ner­zeit Lau­fen­burg), dem die Hälf­te der Zehnt­ein­nah­men aus Kai­sten zufiel, finan­zi­ell in die Pflicht genom­men wer­den konn­te, wur­de 1717 der lang­ersehn­te Neu­bau an die Hand genom­men.Mög­li­cher­wei­se um besag­ten Pfar­rer nicht zu hoch gestellt zu sehen, haben die Kai­ster unlängst aus dem Kunst­han­del eine Figur ihres Kir­chen­pa­trons, des Hei­li­gen Micha­els, erwor­ben und oben auf der Metz­ler-Orgel mit ihren 1038 Pfei­fen plat­ziert.

Arm in Arm mit einem Toten

Wer vor der Empo­re ste­hend sei­nen Blick nach links schwei­fen lässt, ent­deckt in einer dunk­len Vitri­ne eine wei­te­re Kurio­si­tät: Noch aus der Zeit vor dem Kir­chen­neu­bau stammt eine Fri­do­lins­fi­gur – Arm in Arm mit dem toten Urso, der vor Gericht die Güter­schen­kung ans Klo­ster Säckin­gen beglau­big­te, wel­che sich der Legen­de nach sein Bru­der nach des­sen Able­ben unter den Nagel geris­sen hat­te. Die Ori­gi­nal­pla­stik kam 1926 ins Histo­ri­sche Muse­um Basel. Im Rah­men der letz­ten Kir­chen­re­stau­ra­ti­on von 2015 gönn­te sich Kai­sten eine Kopie, finan­ziert von pri­va­ter Hand.Apro­pos Figu­ren: Aus der Bau­zeit stammt die in den 1720-Jah­ren gefer­tig­te Kan­zel, in deren Kan­zel­korb die alten latei­ni­schen Kir­chen­vä­ter ein­ge­ar­bei­tet wur­den. Die Kan­zel stammt von dem­sel­ben Künst­ler, der auch die Kan­zel in der Herz­na­cher Pfarr­kir­che geschaf­fen hat: Johann Isaak Frei­tag aus Rhein­fel­den

Vier jahr­hun­dert­schwe­re Jubi­la­re im Fricktal

Der­ar­ti­ge Dop­pe­lun­gen sind typisch für jene Regi­on im Frick­tal. «Die Kir­chen in Frick, Herz­nach, Kai­sten und Hor­nus­sen sind alle etwa 300 Jah­re alt – und sie sind alle vom glei­chen Archi­tek­ten ent­wor­fen: Johan­nes Pfeif­fer aus Säckin­gen», weiss Linus Hüs­ser Dass die­ser sei­ner­zeit zu meh­re­ren Kir­chen­bau­auf­trä­gen kam, sei auf die dama­li­ge Situa­ti­on im Frick­tal zurück­zu­füh­ren, erklärt der Histo­ri­ker. «Das Frick­tal hat­te unter ver­schie­de­nen Krie­gen gelit­ten, für die Restau­ra­ti­on von Kir­chen fehl­te das Geld. Von der Kir­che in Kai­sten ist über­lie­fert, dass sie im frü­hen 18. Jahr­hun­dert stark her­un­ter­ge­kom­men war.» Und da es infol­ge des Bevöl­ke­rungs­wachs­tums ohne­hin ein grös­se­res Got­tes­haus brauch­te, wur­de 1717 eine grös­se­re Kir­che gebaut.Erste Spu­ren für ein Got­tes­haus im Kai­sten reich­ten bis ins 10. Jahr­hun­dert, so Linus Hüs­ser. Bei Aus­gra­bun­gen in den 1930er-Jah­ren habe man Spu­ren einer älte­ren Kir­che ent­deckt. «Zudem ist das Patro­zi­ni­um des Hei­li­gen Micha­el ein Hin­weis, dass es in Kai­sten bereits sehr früh eine Kir­che gege­ben haben muss», meint der Histo­ri­ker. «Das Patro­zi­ni­um des Hei­li­gen Micha­el wur­de im Hoch­mit­tel­al­ter oft gewählt, wie auch das Bei­spiel Bero­mün­ster zeigt».

Öffent­li­che Füh­rung mit Histo­ri­ker Linus Hüsser

Noch bis 17. Dezem­ber fei­ert Kai­sten sein Kir­chen­ju­bi­lä­um mit ver­schie­de­nen Ver­an­stal­tun­gen. Am Frei­tag, 20. Okto­ber, fin­det um 19.30 Uhr eine Füh­rung mit dem Frick­ta­ler Histo­ri­ker Linus Hüs­ser statt. Es folgt am 5. Novem­ber eine Huber­tus­mes­se, gestal­tet von der Jagd­ge­sell­schaft Kai­sten und den Jagd­horn­blä­sern «Fricker Füch­se». Den Abschluss bil­den am 10. Dezem­ber eine Advents­kon­zert sowie ein «Weih­nachts­zau­ber» am 17. Dezember.
Andreas C. Müller
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