Wie in der Schweiz ein Psalm zur Landeshymne werden konnte

Wie in der Schweiz ein Psalm zur Landeshymne werden konnte

«Lasst uns kindlich ihm vertrauen!»

Wie in der Schweiz ein Psalm zur Landeshymne werden konnte

Die Spiele der National­mannschaft an der Fuss­ball-WM in Rus­s­land haben es wieder gezeigt: Der Schweiz­erp­salm ist kein Schlager. Er bleibt ein Psalm – und das ist unge­wohnt für eine Nation­al­hymne.Als Leon­hard Wid­mer 1840 oder 1841 das Gedicht «Schweiz­erp­salm» schrieb, hat­te er nicht im Sinn, eine Lan­deshymne zu schaf­fen. Das Leben im Staaten­bund Schweiz war damals geprägt vom schar­fen Gegen­satz zwis­chen Kon­ser­v­a­tiv­en und Lib­eralen, zwis­chen reformierten und katholis­chen Kan­tonen. Wid­mer (1806–1868), reformiert und lib­er­al, betrieb in Zürich einen Ver­lag für Musikalien. Er träumte davon, dass Volk­slieder die Stre­it­igkeit­en unter den Eidgenossen über­winden kön­nten.Seinen Schweiz­erp­salm trug der Ver­fass­er zuerst einem kleinen Zuhör­erkreis in Zürich vor. «Wenn der Firn sich rötet/Betet, Schweiz­er, betet!/Nahe, nahe ist euch Gott/In der Berge Mor­gen­rot!», dichtete Wid­mer in der Urfas­sung. Ohne sein Wis­sen gelangten Fre­unde mit dem Auf­trag für eine Ver­to­nung an Pater Alberik Zwys­sig (1808–1854), den Stift­skapellmeis­ter des Zis­terzienserk­losters Wet­tin­gen. Wegen der Schlies­sung des Klosters durch die Aar­gauer Regierung hat­te Zwys­sig, der aus Bauen am Urn­ersee stammte, Wet­tin­gen im Jan­u­ar 1841 ver­lassen müssen und fand bei seinem Brud­er in Zug Unter­schlupf. Dort, im Patrizier­hof St. Karl, ent­stand der Schweiz­erp­salm, wie wir ihn heute ken­nen.Für die Melodie griff Zwys­sig auf einen Messege­sang zurück, den er 1835 kom­poniert hat­te: Das Grad­uale «Diligam te domine» auf die Ein­gangs­verse von Psalm 18. Die inhaltlichen Bezüge der bei­den Texte fall­en sofort auf. So wird Gott in Psalm 18 als Fels, Burg und Ret­ter angerufen, und er erscheint in Begleitung von Natur­ereignis­sen wie Erd­beben, Wolken, Don­ner und Blitz. Im Schweiz­erp­salm find­et der Beter Gott im Mor­gen­rot, im Ster­nen­heer, im Nebelflor und Wolken­meer. Im wilden Sturm ist Gott «Hort und Wehr».Das fer­tige Lied mit angepasstem Text ­erk­lang am 22. Novem­ber 1841 in der Stube von St. Karl, mit Blick auf Zugersee und Rigi. Rasch fand es Anklang bei Chören und auf Sänger­festen, und in Über­set­zun­gen ver­bre­it­ete es sich in alle Lan­desteile. Die grosse Stunde schlug dem Schweiz­erp­salm nach 120 Jahren: 1961 erk­lärte ihn der Bun­desrat zur Lan­deshymne – als Ersatz für «Ruf­st du mein Vater­land» zur britis­chen Melodie «God save the Queen».Wesentlich für die eini­gende Kraft des Schweiz­erp­salms war das Zusam­men­wirken des reformierten Dichters aus Zürich mit dem katholis­chen Kom­pon­is­ten aus der Urschweiz. Die Sprache des Liedes ist geprägt von ihrer Zeit. Aber Verse wie «In des Him­mels licht­en Räumen/Kann ich froh und selig träu­men» oder «In Gewit­ter­nacht und Grauen/Lasst uns kindlich ihm ver­trauen» find­en sich nicht in den oft kriegerischen und nation­al­is­tis­chen Hym­nen des 19. Jahrhun­derts. In diesen Pas­sagen klingt das Lied wie ein inniges Gebet und nicht wie eine typ­is­che Nation­al­hymne.Chris­t­ian von Arx
Redaktion Lichtblick
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