Eine Begeg­nung auf Augenhöhe

  • Im Unter­ge­schoss des Muse­um Burg­hal­de in Lenz­burg befin­det sich das Iko­nen­mu­se­um Schweiz.
  • Wech­seln­de Pop-up- und Begleit­aus­stel­lun­gen brin­gen die jahr­hun­der­te­al­ten Hei­li­gen­bil­der in Ver­bin­dung mit zeit­ge­nös­si­scher Kunst.
  • So belebt das Muse­um die Samm­lung immer wie­der neu und macht den Zugang zu den ortho­do­xen Iko­nen über­ra­schend leicht.


Das Span­nen­de pas­siert stets im Dazwi­schen, im Über­gang zwi­schen zwei Zustän­den. So auch im Muse­um Burg­hal­de in Lenz­burg. Dort liegt zwi­schen zwei alten Gewöl­be­kel­lern ein Ver­bin­dungs­gang, der gera­de mal zwan­zig Jah­re jung ist. Er ver­bin­det buch­stäb­lich Wel­ten, denn in die­sem Gang tref­fen bei wech­seln­den Aus­stel­lun­gen Wer­ke unter­schied­lich­ster Art aufeinander.

Iko­nen­mu­se­um Schweiz


Die aktu­el­le Aus­stel­lung «Le Cor­bu­si­ers Iko­nen der Moder­ne» im Iko­nen­mu­se­um Schweiz im Muse­um Burg­hal­de Lenz­burg ist noch bis am 12. Febru­ar 2023 zu sehen. Das Buch «Iko­nen – Abbil­der, Kult­ob­jek­te, Kunst­wer­ke» kann zum Preis von Fr. 38.– unter der E‑Mail-Adres­se bestellt oder im Muse­um für Fr. 30.– erwor­ben werden.

www.ikonenmuseum.ch

Die Sym­bo­le sind die gleichen


Aktu­ell tre­ten in die­sem Durch­gang Iko­nen aus dem 16. bis 19. Jahr­hun­dert in Ver­bin­dung mit Wer­ken Le Cor­bu­si­ers, des 1965 ver­stor­be­nen, welt­be­kann­ten Schwei­zer Archi­tek­ten und Begrün­ders der Moder­ne. Des­sen druck­gra­phi­sche Arbei­ten wei­sen in Moti­vik und Bild­spra­che eine enge Ver­wandt­schaft mit der Tra­di­ti­on der ortho­do­xen Hei­li­gen­bil­der auf. Muse­ums­lei­ter Marc Sei­del nennt als Bei­spiel Le Cor­bu­si­ers Bild «La main levée», das in der Aus­stel­lung der Iko­ne des «Pan­to­kra­tors» mit sei­ner seg­nen­den Hand gegen­über­ge­stellt ist: «Kul­tur­ge­schich­te tra­diert Wis­sen und Sym­bo­le über Jahr­hun­der­te. Sol­che Gegen­über­stel­lun­gen zei­gen die­ses Wis­sen auf. Die Zusam­men­hän­ge erkennt man, wenn man weit über den Tel­ler­rand hin­aus­schaut, auch auf ande­re Kulturen.»

Iko­nen als Fen­ster zum Himmel


Das Wort «Iko­ne» bedeu­tet «Bild» oder «Abbil­dung». Die Kunst der Iko­nen­ma­le­rei hat ihren Ursprung im byzan­ti­ni­schen Reich des 6. und 7. Jahr­hun­derts. Im Lau­fe der Jahr­hun­der­te bil­de­ten sich durch ver­schie­de­ne Schu­len eige­ne Sti­le her­aus. Inner­halb des ortho­do­xen Glau­bens haben Iko­nen zen­tra­le Bedeu­tung. Sie sind als Fen­ster zum Him­mel zu ver­ste­hen und ermög­li­chen den Gläu­bi­gen, mit Chri­stus, Maria und den Hei­li­gen in Kon­takt zu tre­ten. Die tra­di­tio­nel­le, sehr auf­wen­di­ge Tech­nik der Bema­lung und Ver­gol­dung sowie die Ver­wen­dung von Natur­pig­men­ten ver­lei­hen den Wer­ken eine inten­si­ve Far­big­keit und Leuchtkraft. 

Zur poli­ti­schen Dimen­si­on sei­ner Samm­lung hält die Stif­tung Muse­um Burg­hal­de fest, dass die im Iko­nen­mu­se­um aus­ge­stell­ten Tafeln aus dem sla­wi­schen Raum stam­men, der auch Län­der wie die heu­ti­ge Ukrai­ne und Weiss­russ­land umfasst. Das Iko­nen­mu­se­um will nicht für poli­ti­sche Mei­nungs­bil­dung miss­braucht wer­den, son­dern Brücken schla­gen zwi­schen Kul­tu­ren, Men­schen und Ländern.

Geschenk­te Sammlung


Die Bereit­schaft, über den Tel­ler­rand hin­aus­zu­schau­en, mach­te die Grün­dung des Iko­nen­mu­se­ums in Lenz­burg über­haupt erst mög­lich, denn das Stadt- und Regio­nal­mu­se­um Burg­hal­de kam vor 25 Jah­ren ganz uner­war­tet zu einer bedeu­ten­den Samm­lung von Iko­nen. Der Lenz­bur­ger Orts­bür­ger Urs Peter Haem­mer­li – Abkömm­ling einer alten Lenz­bur­ger Fami­lie und Chef­arzt am Zür­cher Triem­li­spi­tal – ver­mach­te der Stif­tung Muse­um Burg­hal­de sei­ne Samm­lung wert­vol­ler Hei­li­gen­bil­der rus­si­scher Her­kunft. Gleich­zei­tig ermög­lich­te Haem­mer­li mit einer gross­zü­gi­gen Spen­de den Umbau und die Ein­rich­tung der Ausstellungsräume.

Sorg­fäl­tig dokumentiert


2002 wur­de das Iko­nen­mu­se­um im Unter­ge­schoss des Muse­ums Burg­hal­de eröff­net. Letz­tes Jahr fei­er­te es mit meh­re­ren Son­der­aus­stel­lun­gen sein 20-Jahr-Jubi­lä­um. Seit der Eröff­nung wur­de das Aus­stel­lungs­kon­zept um ein klei­nes Kino und ein Mal­ate­lier erwei­tert, die bei­de zei­gen, wie die farb­in­ten­si­ven Bil­der ent­ste­hen. Das Iko­nen­mu­se­um in Lenz­burg gilt, da in sei­ner Art ein­ma­lig, gleich­zei­tig als «Iko­nen­mu­se­um Schweiz». Bil­der von Chri­stus, sei­nen Lebens- und Pas­si­ons­sze­nen, ver­schie­de­ne Dar­stel­lungs­ty­pen der Got­tes­mut­ter und Hei­li­gen­iko­nen bie­ten ein brei­tes The­men­spek­trum der ost­kirch­li­chen Kunst.[esf_wordpressimage id=41849 width=half float=left][/esf_wordpressimage]

Iko­nen sind Glau­ben zum Anschauen


«Bele­bung» ist ein wich­ti­ges Stich­wort für den Muse­ums­lei­ter Marc Sei­del. Die­ser Phi­lo­so­phie der Bele­bung folgt er kon­se­quent, auch und gera­de in Bezug auf die Iko­nen­samm­lung. Die tem­po­rä­ren Pop Up-Aus­stel­lun­gen heben durch the­ma­ti­sche Gegen­über­stel­lun­gen aus­ge­wähl­te Aspek­te her­vor und machen die Kunst leben­dig. Iko­nen sind einer­seits Abbil­der, die bibli­sche Gestal­ten und Geschich­ten fest­hal­ten, aber auch Kult­ob­jek­te, also «Glau­ben zum Anschau­en». Und nicht zuletzt sind Iko­nen Kunst­wer­ke, ent­stan­den im medi­ta­ti­ven Pro­zess. «Allein schon das Mate­ri­al – Holz, Gold, Fir­niss – übt eine Fas­zi­na­ti­on aus», sagt Sei­del, der sei­ne Stel­le im Muse­um Burg­hal­de vor fünf Jah­ren ange­tre­ten hat.

Hemm­schwel­le vor Muse­en darf nicht sein


Für den Kunst­hi­sto­ri­ker, des­sen Vater Theo­lo­ge und Pfar­rer war, waren das Jubi­lä­um und die dafür geplan­te Buch­pu­bli­ka­ti­on gute Grün­de, sich mit Iko­nen ver­tieft zu befas­sen. Aus der Aus­ein­an­der­set­zung mit den 65 Objek­ten der Samm­lung ent­stand das Buch «Iko­nen — Abbil­der, Kult­ob­jek­te, Kunst­wer­ke». Marc Sei­del hat es zusam­men mit dem Publi­zi­sten Andrin Schütz und wei­te­ren fach­kun­di­gen Autoren anläss­lich des 20-Jahr-​Ju­bi­lä­ums erar­bei­tet. Es ist gleich­zei­tig Aus­stel­lungs­füh­rer und Ein­stiegs­lek­tü­re für inter­es­sier­te Lai­en. Das Werk ist bewusst sehr zugäng­lich gestal­tet: «Iko­nen sind für alle da», betont Sei­del. Und über­haupt: «Die Hemm­schwel­le vor dem Wort Muse­um darf nicht sein», fin­det der Muse­ums­lei­ter. Sein erklär­tes Ziel ist es, den Raum zu öff­nen für das Nach­den­ken über die eige­ne Posi­ti­on in der Welt und das Muse­um zu einer Oase, einem Rück­zugs­ort zu machen, wo Men­schen Ener­gie aus der Kunst schöp­fen dürfen.

Marie-Christine Andres Schürch
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