Wenn Friedhöfe leuchten
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Wenn Friedhöfe leuchten

Am 1. November feiern wir Allerheiligen, am 2. November – an Allerseelen – gedenken wir unserer verstorbenen ­Angehörigen. Wissenswertes und ein Impuls.


Ein rötlich leuch­t­en­des Meer wölbt sich über die Hügel. Dicht an dicht bren­nen Kerzen, laut­los flack­ernd gegen Dunkel­heit und Vergessen. In den Nächt­en um Aller­heili­gen und Allersee­len tauchen Grablichter unsere Fried­höfe in warmes Licht. «Die Kerze auf dem Grab ist ein Zeichen dafür, dass wir unsere Toten nicht vergessen», sagt eine Fried­hofs­be­sucherin, rückt das Grablicht zurecht und fügt hinzu: «Das Totenge­denken an Aller­heili­gen ist ein wertvoller Brauch, ein­er, den auch andere Reli­gio­nen ohne Erk­lärung ver­ste­hen.»


Immer mehr Heilige


Am Hochfest Aller­heili­gen gedenkt die katholis­che Kirche – wie der Name sagt – aller Heili­gen. Wie ihr sich­er wisst, haben viele Heilige ihren eige­nen Gedenk­tag. Im Laufe der Jahrhun­derte kamen aber immer mehr Heilige dazu, sodass es unmöglich wurde, für jede und jeden einen Tag im Kalen­der zu reservieren. So ent­stand im 8. oder 9. Jahrhun­dert in Irland ein neuer Fest­ter­min: Der 1. Novem­ber.


Besuch am Familiengrab


Am Tag nach Aller­heili­gen bege­ht die katholis­che Kirche den Allersee­len­tag. An ihm wird der ver­stor­be­nen Ver­wandten, Fre­unde und Bekan­nten gedacht. Weil der 2. Novem­ber nicht als geset­zlich­er Feiertag gilt, find­et der tra­di­tionell damit ver­bun­dene Grabbe­such in vie­len Pfar­reien bere­its am Nach­mit­tag von Aller­heili­gen statt. Doch auch der 1. Novem­ber gilt nicht flächen­deck­end als Feiertag. Im «Lichtblick»-Gebiet ist Aller­heili­gen nur in manchen Bezirken offiziell arbeits­frei. Eine Bewohner­in des Bezirks Baden erk­lärt: «Ich nehme jedes Jahr den Nach­mit­tag des 1. Novem­bers frei, um die Totenge­denk­feier und unser Fam­i­lien­grab zu besuchen.»


Licht für die Verstorbenen


Ver­bre­it­et ist der Brauch, im Beson­deren der Ver­stor­be­nen des ver­gan­genen Jahres zu gedenken. Für sie entzün­den die Gläu­bi­gen in der Allersee­len­feier eine Kerze. Diese nimmt die Fam­i­lie nach dem Gottes­di­enst mit und stellt sie aufs Grab. Zusam­men mit dem Schmück­en der Gräber ist das Entzün­den des Lichts auf dem Grab jene Geste, die untrennbar mit Allersee­len ver­bun­den ist. Die Kerze auf dem Grab sym­bol­isiert das ewige Licht, das den Ver­stor­be­nen leucht­en soll.

Aller­heili­gen ​als san­fte Antwort

Der The­ologe Mar­tin Brüske schreibt auf liturgie.ch über Aller­heili­gen, dass wir dieses Fest im Span­nungs­feld zwis­chen der Ein­sicht, dass alles vergänglich ist, und dem Protest gegen die Zumu­tung des Todes feiern: «An dieser Stelle for­muliert die Liturgie der Kirche eine san­fte Antwort. San­ft, weil sie sich denen, die Trauer tra­gen, nicht mit ein­er allzu laut­en [ … ] Rede auf­drängt, son­dern weil sie ein­fach die Hoff­nung feiert, der­er sie im Glauben gewiss ist. Sie lässt dies alles zu: die Schön­heit und die Zer­störung, die san­fte Wehmut der Ein­stim­mung und den verzweifel­ten Protest, sie lässt diese ganze durch Tod und Ster­ben geze­ich­nete Wirk­lichkeit zu – mit ihrer unau­flös­baren Vieldeutigkeit und ihren unbeant­wort­baren Fra­gen.» Über der verge­hen­den Natur werde die unvergängliche Welt der Heili­gen sicht­bar.

Marie-Christine Andres Schürch
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