«Ist das noch katholisch?»

Wenn Bar­tek Migacz am 12. Juni 2016 in Beri­kon im Pasto­ral­raum am Mut­schel­len zum Prie­ster geweiht wird, ist der 30-jäh­ri­ge nicht nur der ein­zi­ge Wei­he­kan­di­dat aus dem Aar­gau, er ist der Ein­zi­ge für das gesam­te Bis­tum Basel in die­sem Jahr. Die kir­chen­li­be­ra­le Schweiz bedeu­tet für den gebür­ti­gen Polen eine will­kom­me­ne Herausforderung.Eigent­lich woll­te Bar­tek Migacz für das Bis­tum Lub­lin den Weg zum Prie­ster­be­ruf beschrei­ten. «Als ich in Lub­lin im Semi­nar ein­ge­zo­gen war, ergab sich aber schnell das Ange­bot, für ein Jahr Theo­lo­gie­stu­di­um ins Aus­land zu gehen», erzählt der gross­ge­wach­se­ne jun­ge Mann.

Hei­mat und Familie

Auf­ge­wach­sen ist Bar­tek Migacz im klei­nen Dorf Mus­zyn­ka, rund 150 km süd­lich von Kra­kau. «Es ist das letz­te Dorf vor der Gren­ze zur Slo­wa­kei», sagt er. Nur 400 Ein­woh­ner leben dort, jeder kennt jeden. Bar­tek Migacz ist früh in der Kir­che als Mini­strant aktiv. Polen – das ist nach wie vor ein katho­li­sches Land. Kin­der wer­den selbst­ver­ständ­lich getauft, gehen regel­mäs­sig in den Sonn­tags­got­tes­dienst. «Wenn man mal einen Sonn­tag nicht in der Kir­che war, wur­de nach­ge­fragt, was los ist. Es gibt schon eine Form von ‹kirch­li­cher› Sozi­al­kon­trol­le dort. Das ist weder gut, noch schlecht – es ist ein­fach so», erklärt Bar­tek Migacz. Er enga­giert sich stark in der Gemein­de. Mini­strant, Lek­tor, Sakri­stan – irgend­wann in der Matu­ra­klas­se, taucht der Gedan­ke auf, Prie­ster zu wer­den. Nach der Matu­ra, 2005, arbei­tet er aber zunächst in ver­schie­de­nen Berei­chen. «Wir sind eine gros­se Fami­lie, ich habe drei Geschwi­ster. Da ging es auch dar­um, die Eltern zu ent­la­sten», erin­nert sich Bar­tek Migacz zurück.

Deutsch in einem Jahr

Ein Wirt­schafts­stu­di­um bricht er ab. «Mein Vater war Poli­zist. Mei­ne Mut­ter war Buch­hal­te­rin. Bei ihrer Arbeit haben mich die Zah­len immer fas­zi­niert. Doch Wirt­schaft hat auch Berei­che, die mir nicht so lagen. Also ging ich 2007 ins Semi­nar nach Lub­lin und dann direkt in die Schweiz», sagt Bar­tek Migacz. Und dann lief es anders als geplant. Heu­te hört man Bar­tek Migacz kaum an, dass Deutsch nicht sei­ne Mut­ter­spra­che ist. Doch als er nach Luzern kam sah es so aus: «Ich hat­te kei­ne Chan­ce, mit mei­nem kata­stro­pha­len Deutsch Theo­lo­gie zu stu­die­ren», sagt er mit blit­zen­den Augen und grinst von einem Ohr zum ande­ren. «Ich habe dann ein Jahr nur Deutsch gelernt. Erst in einer Grup­pe, dann im Pri­vat­un­ter­richt. Nach dem fol­gen­den Ein­füh­rungs­jahr, das für Prie­ster­kan­di­da­ten ver­pflich­tend ist, ent­schie­den der Regens Tho­mas Ruck­stuhl und ich, dass ich ab 2009 in Luzern für das Bis­tum Basel Theo­lo­gie stu­die­ren wer­de.»

Mit neu­en Erfahrungen

Das tat er mit Erfolg. 2014 macht er den Master; ohne grös­se­re Zeit­ver­zö­ge­rung obwohl er noch ein Aus­lands­se­me­ster in Wien absol­viert. «Es war am Anfang trotz des inten­si­ven Sprach­jahrs eine Her­aus­for­de­rung. Doch ich bin sehr zufrie­den, dass ich es geschafft habe», sagt Bar­tek Migacz. Ist er ein ehr­gei­zi­ger Mensch? Er über­legt lan­ge und sagt dann: «Ich weiss es ehr­lich gesagt nicht. Wenn mich etwas wirk­lich packt und ich es wirk­lich will, dann wohl schon».Der Blick zurück zeigt eine zwei­te Her­aus­for­de­rung. «Die Kir­che in der Schweiz ist ganz anders als die in Polen. Als ich mei­nen ersten Got­tes­dienst in Luzern besuch­te, hielt eine Pro­fes­so­rin der Uni­ver­si­tät die Pre­digt. Ich habe mich gefragt: ‹ist das noch katho­lisch›? Es war ein rich­ti­ger Schock, denn in Polen gibt es noch so vie­le Prie­ster, das Lai­en­theo­lo­gin­nen und Lai­en­theo­lo­gen nicht in pasto­ra­len Berei­chen arbei­ten. Doch wäh­rend des Stu­di­ums, als ich die Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen ken­nen­lern­te, habe ich gemerkt: Es ist gut so. Es gibt kei­nen Unter­schied in dem, was wir ler­nen und nach­her machen. Der ein­zi­ge Unter­schied liegt in der Wei­he.» Dass es ver­ein­zelt Lai­en gebe, die bewusst ver­such­ten in prie­ster­li­che Auf­ga­ben­fel­der zu gelan­gen, betrach­tet Bar­tek Migacz kri­tisch.

Prie­ster­wunsch überwog

Bar­tek Migacz ist – das sagt er im Gespräch immer wie­der – ein Fami­li­en­mensch. Erzählt er von sei­nen Eltern, Geschwi­stern, Nich­ten und Nef­fen, strah­len sei­ne Augen. Sie alle woh­nen im Hei­mat­dorf. Dank Sky­pe kann er an den Fami­li­en­fei­ern daheim teil­ha­ben. Gab es nie den Wunsch, eine eige­ne Fami­lie zu grün­den? «Ich hat­te län­ge­re Zeit eine Freun­din und natür­lich wäre eine Fami­lie schön. Doch der Wunsch, Prie­ster zu wer­den war stär­ker. Wenn ich Men­schen durch ihr Leben beglei­ten und ihnen die Sakra­men­te spen­den will, geht das ein­fa­cher, wenn ich sozu­sa­gen Prie­ster-Sin­gel bin», sagt Bar­tek Migacz. Weil sie bereits Enkel haben und weil es in Polen immer noch eine Ehre ist, wenn ein Sohn Prie­ster wird, hat­ten sei­ne Eltern mit der Ent­schei­dung kaum zu kämp­fen.Bar­tek Migacz geht sei­nen Weg mit Über­zeu­gung. Dass er der ein­zi­ge Wei­he­kan­di­dat für das Bis­tum Basel in die­sem Jahr ist, löst aller­dings gemisch­te Gefüh­le aus. «Natür­lich wer­de ich gut beglei­tet, doch es ist scha­de, dass ich nie­man­den habe, der sich mit genau den glei­chen Gedan­ken und Erfah­run­gen beschäf­tigt, wie ich im Moment. Alle, mit denen ich spre­chen kann, sind ent­we­der schon geweiht oder ste­hen an einem ande­ren Punkt im Vor­be­rei­tungs­pro­zess», erklärt er. Er freut sich auf die Wei­he, trotz der umfang­rei­chen Orga­ni­sa­ti­on: «Ich bekom­me viel Unter­stüt­zung und mag mich jetzt schon bei allen Men­schen bedan­ken, die mir hel­fen und den Tag mit­ge­stal­ten werden.»
Anne Burgmer
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