Was fair ist und für wen

«Änder­st du das Pro­dukt, änder­st du vielle­icht auch die Gesellschaft», sagt der nieder­ländis­che Design­er Bas van Abel. Ein Gespräch über faire Arbeits­be­din­gun­gen, falsche Erwartun­gen und Kon­sumentin­nen und Kon­sumenten, die die Wel­tord­nung for­men.

Warum wollen Sie die Welt aus­gerech­net mit einem Handy ändern?

Bas van Abel: Weil ein Handy sehr per­sön­lich ist. Wir lieben es, wir tra­gen es ständig mit uns herum. Es ist das tech­nis­che Pro­dukt, das uns am näch­sten ist. Weil es uns mit der Welt verbindet. Und gle­ichzeit­ig wis­sen wir nichts über dieses Ding. Es ist para­dox. So vieles, was auf dieser Welt abläuft, ist an das Smart­phone gebun­den. Auch trägt es eine ganze Indus­trie in sich: Die Kom­plex­ität der Pro­duk­tion, die ver­schieden­sten Min­er­alien, die aus den ver­schieden­sten Teilen der Welt stam­men, Glob­al­isierung, Spezial­isierung. Es ist nicht ein­fach eine Banane oder Kaf­fee. In einem Handy spiegelt sich eine ganze Wel­tord­nung wider.

Hätte es nicht gere­icht, eine Sen­si­bil­isierungskam­pagne zu starten?

Ich als Design­er glaube: Die kom­plex­esten Prob­leme der Welt kön­nen durch Design­prozesse gelöst wer­den. Ein Pro­dukt ste­ht immer für einen Sta­tus quo eines gesellschaftlichen Prozess­es, die Verän­derung wird daran sicht­bar und greif­bar. An ihm kann man Verän­derung bewirken. Änder­st du das Pro­dukt, änder­st du vielle­icht auch die Gesellschaft.

Welchen Teil der Gesellschaft wollen Sie denn mit diesem Handy verän­dern?

Es geht um die Frage, wie wir Wirtschaft definieren – und wozu das Wirtschaftssys­tem dienen soll. Darum, was fair ist und für wen. Dieses indus­trielle Mod­ell, das wir alle geschaf­fen haben, ist wun­der­schön und sehr effizient. Aber es hat uns vom Schaf­fen­sprozess ent­fer­nt. Die Dinge entste­hen irgend­wie und irgend­wo, und wir als Kon­sument haben damit nichts mehr zu tun. Dabei sollte der Kon­sument merken: Ich bin auch involviert, ich forme das Sys­tem mit. 

Ist das nicht ein biss­chen naiv, zu denken, dass Sie ein ganzes Sys­tem verän­dern kön­nen?

Ich glaube, die Zeit ist reif. Und wir sind nicht die einzi­gen. Das ist eine Bewe­gung, die Leute wollen hin­ter die Pro­duk­te sehen, bei den Klei­dern, bei den Lebens­mit­teln. Die Konz­erne haben dort bere­its ange­fan­gen, zu reagieren. Warum soll­ten sie es nicht auch bei einem Smart­phone tun? Apple war am Anfang auch ide­al­is­tisch, wollte vieles verän­dern. Doch die Marke ist zu gross gewor­den, sie muss Inve­storen zufrieden­stellen. Das Unternehmen ist so gross gewor­den, dass man keine Berührungspunk­te mehr damit hat. Anfangs waren es auch bloss ein paar Typen in ein­er Garage, die an etwas glaubten. Sobald du Inve­storen hast, wird es schwierig.

Sie haben also keine?

Wir haben zumin­d­est aktuell keine. Weil wir uns nicht reinre­den lassen wollen. Wir acht­en sehr darauf, unab­hängig zu bleiben. Auch vom Staat.

Kri­tik­er des Fair­phones monieren, das Smart­phone sei gar nicht zu 100 Prozent fair pro­duziert.

Das ist es nicht. Das wird es auch nie sein. Weil das schlicht nicht geht. Diese ganzen Liefer­ket­ten sind zu intrans­par­ent und zu kom­plex, als dass man sie kon­trol­lieren oder dominieren kön­nte. Wir haben nie behauptet, dass wir ein 100 Prozent fair pro­duziertes Smart­phone entwick­eln. Wir haben bloss gesagt: Wir set­zen als einziges Unternehmen die sozialen Werte vor die ökonomis­chen. Wir tun alles daran, nach­haltige Pro­duk­tion zu garantieren, wir gehen in die Minen, wir kon­trol­lieren die Fab­riken, wir set­zen faire Arbeitsverträge auf.

Aber?

Ich muss ehrlich sein: In Chi­na etwa wird es ziem­lich lange dauern, einen gewis­sen Stan­dard an Fair­ness zu erlan­gen. Manch­mal zwei­fle ich. Ich denke dann: Du tust zu wenig, du ver­sprichst zu viel. Die Erwartun­gen der Leute sind sehr hoch, sie sehen in uns vieles, was wir nicht sind. Wir ver­suchen, hohe Stan­dards zu erre­ichen. Aber wir sind klein und am Anfang. Wir wer­den Zeit brauchen, um uns zu entwick­eln. Genau wie die Kon­sumenten Zeit brauchen wer­den, das Label «fair» auch bei einem Handy zu ver­lan­gen.  Anne Miller/kipa

Redaktion Lichtblick
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