Sternsingen ist lebendiges Kulturerbe
Rund um den Dreikönigstag am 6. Januar bringen die Sternsingerkinder den Segen von Haus zu Haus
Der Brauch des Sternsingens gehört zum immateriellen Kulturerbe. Doch auch Brauchtum muss sich wandeln, um im Hier und Jetzt bestehen zu können.
«Unsere Religion hat einen Gott, der Kind ist», sagt Alois Metz. Diese Chance gelte es zu nutzen, den Menschen den Brauch des Sternsingens wieder näher zu bringen: «Zum Beispiel könnte man die Weihnachtspredigt in der Pfarrei nutzen, um Werbung für die Sternsinger zu machen», findet der Theologe und Mitarbeiter der Fachstelle Bildung und Propstei. Beim Sternsingen stehen nämlich die Kinder im Mittelpunkt: Sie üben Lieder und Sprüche und ziehen dann, verkleidet als Könige oder Sternträger, von Haus zu Haus, um Gottes Segen zu bringen und Geld zu sammeln. Dieses Jahr sammeln die Sternsinger für Kinder in Kenia und in Kolumbien. Kinder und Begleitpersonen investieren über die Festtage, an freien Abenden oder Wochenenden viel Zeit und Energie ins Sternsingen.
Die Kinder wissen, wofür sie sammeln
Ende November fand im Bildungshaus der Aargauer Landeskirche, der Propstei in Wislikofen, das Sternsingerforum statt. Aus verschiedenen Kantonen waren die Teilnehmenden angereist, um sich über den Brauch des Sternsingens auszutauschen, sich auf die Aktion Sternsingen 2025 vorzubereiten und Neues zu lernen. Sie alle sind in ihren Pfarreien zuständig fürs Sternsingen, üben mit den Kindern die Lieder, nehmen Anmeldungen von Familien entgegen, planen die Touren, pflegen die Gewänder und verpflegen die Kinder während ihren Einsätzen.
Den Auftakt in Wislikofen machen die Sternsingerkinder von Schneisingen in der Propsteikirche. Nach ihrem Auftritt beantworten die zwei Mädchen und drei Buben die Fragen des Moderators. Sie wissen Bescheid, wofür sie im Januar Geld sammeln: «Es ist nicht gerecht, dass Kinder weniger Rechte und Chancen haben als ich, nur weil sie in einem anderen Land geboren wurden», erklärt eine der Königinnen. Und einer der Sternträger fügt an: «Wir sammeln für Kinder in Kenia und in Kolumbien, damit sie auch in die Schule gehen können.»
In der Schweiz ist das Sternsingen auf der Liste der lebendigen Traditionen des Bundesamtes für Kultur und gehört somit zum immateriellen Kulturerbe. Das bedeutet, dass Wissen, Praktiken und Ausdrucksformen innerhalb einer Gemeinschaft weitergegeben, mündlich überliefert werden. Das immaterielle Kulturerbe schenkt den Menschen ein Gefühl von Bedeutung, Identität und Zugehörigkeit und steigert die Lebensqualität.
Königinnen statt Könige
Doch auch altes Kulturerbe muss sich verändern, um zu bestehen. Heute sieht sich das traditionelle Sternsingen mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Beim Auftakt in der Propsteikirche in Wislikofen wird das rasch klar, denn zwei der drei Könige wären eigentlich Königinnen. Wie geht man mit der patriarchalen Tradition um? Und wie mit der Tatsache, dass einer der Könige traditionell schwarz angemalt wird?
Die erfahrenen Leiterinnen sind durchaus dafür, einzelne Elemente der Tradition zu hinterfragen. So wird in den meisten Pfarreien kein König extra schwarz geschminkt. «Wir haben sowieso Kinder aus verschiedenen Kulturen, die beim Sternsingen mitmachen,» erklärt eine Workshopteilnehmerin.
Punktuell Neues versuchen
Schwerer tun sich die Teilnehmerinnen mit der Frage nach dem Geschlecht der Könige oder eben Königinnen. Sie wollen das Sternsingen nicht überfrachten und zum Schauplatz einer Genderdebatte machen. Dennoch ermuntert Alois Metz die Verantwortlichen, die Tradition in diesem Punkt zu hinterfragen und vielleicht punktuell Neues zu versuchen: «Vielleicht will ein Mädchen nicht Balthasar heissen? Könnte es sich vielleicht einen eigenen Königinnennamen zulegen?», regt er an. «Immaterielles Erbe muss sich immer mit dem Hier und Heute auseinandersetzen, sonst stirbt es,» gibt Alois Metz zu bedenken.
Sternsingerkinder reisen nach Rom
Die Freude an der Gemeinschaft und der Sinn für Solidarität halten das Sternsingen in vielen Pfarreien lebendig. So auch in den Pfarreien St. Anton, Allerheiligen und St. Marien in der Stadt Basel. Die Sternsingergruppe ist in den letzten Jahren zwar deutlich kleiner geworden, so dass der Besuch bei einzelnen Familien nicht mehr drinliegt. In einem Aussendungs- und einem Empfangsgottesdienst können die Leute aber den Segen der Sternsinger empfangen. Dazwischen besuchen die Kinder und ihre Begleiterinnen rund um den Dreikönigstag zehn bis zwölf Altersheime.
Dieses Jahr wartet auf die Basler Sternsinger ein besonderes Erlebnis. Vier von ihnen packen Kleid und Krone ein und steigen in den Zug nach Rom. Von Missio bekam die Sternsingerbetreuerin Pia Dongiovanni die Anfrage, ob sie den Jahreswechsel mit einem Grüppchen in Rom verbringen wolle. Dort treffen sich jedes Jahr Delegationen aus Deutschland, der Slowakei, Ungarn, Österreich, Italien und der Schweiz. Zwei Mädchen und zwei Buben reisen zusammen mit Pia Dongiovanni als Sternsinger in die Ewige Stadt. Dongiovanni freut sich, dass auch die Eltern, Geschwister und sogar einige Grosseltern der vier Sternsinger das Vorhaben unterstützen und mit nach Rom fahren. Ein Besuch bei der Schweizergarde sowie in der Schweizer Botschaft stehen auf dem Programm, vielleicht auch noch ein Treffen mit Kardinal Kurt Koch. Und als Höhepunkt die Neujahrsfeier mit Papst Franziskus im Petersdom. Diese wird die Basler Delegation aus der ersten Reihe mitfeiern können.
Aktion Sternsingen
Sternsingen zählt zum Kulturerbe
Aktion Sternsingen
Die Aktion Sternsingen in der Schweiz ist eine vom katholischen Hilfswerk Missio koordinierte Solidaritätsaktion von Kindern für Kinder. Sternsingen ist ein international verbreitetes Brauchtum und von der Unesco als immaterielles Kulturerbe anerkannt. www.missio.ch / www.lebendige-traditionen.ch
Sternsinger in Rom
Die Sternsingerkinder aus der Pfarrei St. Anton in Basel weilen vom 28. Dezember bis am 2. Januar in Rom. Sie werden auf dieser Webseite laufend über ihre Erlebnisse berichten.