
Bild: © Johanna Moser
Verwerten stattverschwenden
Die diesjährige Schöpfungszeit steht unter dem Motto «Mehr als genug». Einblick in eine Basler Organisation, die täglich Lebensmittel rettet.
Die Organisation WERT!Stätte verwertet mit der Hilfe von 75 Freiwilligen übriggebliebene Lebensmittel zu hochwertigen Produkten. Damit leistet sie einen Beitrag gegen Food Waste und schafft soziale Kontakte.
In der Schweiz wird rund ein Drittel aller hergestellten Lebensmittel weggeworfen. Dem möchte die WERT!Stätte, eine gemeinnützige Basler Organisation, entgegenwirken. Die WERT!Stätte ist dabei mehr als eine Initiative zur Rettung von Lebensmitteln. Sie ist eine soziale Organisation, die einen Beitrag im Kampf gegen Armut und Einsamkeit leistet.
Sonja Grässlin, die Gründerin und Leiterin der WERT!Stätte, hat immer alle Hände voll zu tun. Gemeinsam mit rund 75 Freiwilligen stellt sie aus übriggebliebenen Lebensmitteln neue, hochwertige Produkte her und bewahrt sie davor, verschwendet zu werden. Aus vermeintlich Wertlosem entsteht so in der WERT!Stätte etwas Wertvolles. So werden in der Küche der WERT!Stätte am Basler Dreispitz aus geretteten Äpfeln und Bananen zum Beispiel Apfelringe und getrocknete Bananen gemacht. Aber auch Sirup, Konfitüre, Chutney und vieles Weitere wird aus den eingesammelten Esswaren hergestellt. Im Basler Stadtteil Gundeldingen, liebevoll «Gundeli» genannt, hat die WERT!Stätte einen kleinen Laden, in dem sie ihre Produkte verkauft. Aber auch auf verschiedenen Basler Märkten bietet die Organisation ihre Produkte an, beispielsweise auf dem Breitemarkt.
Lebensmittel von überall
Die Lebensmittel, die in der WERT!Stätte verarbeitet werden, stammen aus ganz unterschiedlichen Quellen. Von Landwirtschaftsbetrieben, Supermärkten, Catering-Unternehmen und Importeuren, von der Schweizer Tafel und auch von Privatpersonen. Die WERT!Stätte sammelt Esswaren, die allesamt noch geniessbar sind, andernorts aber keine Verwendung mehr finden und entsorgt werden würden. Von einem grossen Supermarkt erhält Sonja Grässlin kistenweise makellose Bananen, die dieser nicht mehr verkaufen kann. Es scheint absurd: Die Bananen sehen perfekt aus! Weshalb sollte man sie nicht mehr verkaufen können? Eine mögliche Erklärung dafür könnte sein, dass der Supermarkt sich verkalkuliert hat und mehr Bananen bestellt wurden, als nachgefragt werden. Vom Basler Frauenlauf bekommt die WERT!Stätte Äpfel und PET-Flaschen mit Wasser. Die Veranstaltenden hatten für den Event mehr Verpflegung besorgt, als gebraucht wurde. Auf Bauernhöfen in der Region ernten Grässlin und ihre Helferinnen und Helfer aber beispielsweise auch Obst von den Bäumen, welches im Grunde genommen zwar einwandfrei ist, aber bestimmten Verkaufsnormen nicht entspricht. Hat eine Frucht nicht die richtige Grösse oder ist etwas verformt, wird sie von den landwirtschaftlichen Betrieben nicht gepflückt, da sich dies für sie wirtschaftlich nicht lohnen würde.
Begeistern statt verbieten
Lebensmittelreste und ‑überschüsse entstehen also an ganz unterschiedlichen Orten. Nicht nur bei der Herstellung und dem Verkauf von Lebensmitteln entsteht Food Waste, sondern auch in Privathaushalten. Pro Person und Jahr werden in der Schweiz etwa 90 Kilogramm Esswaren weggeworfen. Organisationen wie die WERT!Stätte leisten einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag, in dem sie Menschen über das Thema Lebensmittelverschwendung aufklären und sie dafür sensibilisieren. Gefragt, wie man ihrer Meinung nach erreichen könne, dass gesamtgesellschaftlich weniger Lebensmittel verschwendet werden, meint Grässlin: «Ich finde, man sollte die Leute nicht zu etwas zwingen. Man sollte ihnen nicht sagen, dass sie etwas Bestimmtes nicht mehr tun dürfen, denn so funktionieren Menschen nicht. Ich halte es für sinnvoller, die Menschen miteinzubeziehen und zu motivieren, sodass ihnen das Thema Lebensmittelverschwendung vielleicht auch zu einem Anliegen wird.» Und genau das tut Sonja Grässlin. Sie bezieht Andere in ihre Arbeit mit ein, motiviert sie, selbst Lebensmittelreste zu verwerten und gibt ihr eigenes Wissen weiter. Zum Schönsten an ihrer Arbeit gehört für sie, anderen Leuten auf niederschwellige Weise ihre Kenntnisse über die Verwertung von Lebensmitteln zu vermitteln. So zeigt sie ihren freiwilligen Helferinnen und Helfern beispielsweise, wie einfach es ist, selbst Konfitüre zu kochen. Mit der WERT!Stätte gibt sie Workshops, geht in Schulklassen, Firmensozialtage und andere Events und bringt so ganz unterschiedlichen Menschen das Thema Food Waste näher. Der soziale Aspekt ihrer Arbeit bedeutet ihr viel. So möchte Sonja Grässlin nicht nur Lebensmittelverschwendung, sondern auch Armut und Einsamkeit bekämpfen.
Zahlreiche Projekte
Seit der Gründung im Jahr 2019 ist die WERT!Stätte immer gewachsen. Immer mehr Freiwillige unterstützen Grässlin bei ihrer Arbeit. Diesen Sommer hat die WERT!Stätte sogar die Lebensmittel am Eurovision Song Contest und der Fussball-EM der Frauen gerettet. Und auch das nächste Event steht schon vor der Türe: das internationale Festival für Animationsfilm Fantoche in Baden, wo die WERT!Stätte ihre Köstlichkeiten beim Eröffnungs-Apéro anbieten wird.
Schöpfungszeit gegen Food Waste
Die WERT!Stätte ist eine gemeinnützige Basler Organisation, die Lebensmittel vor dem Abfall rettet und sich auch für die Verminderung von Artmut und Einsamkeit einsetzt. Seit ihrer Gründung im Jahr 2019 ist die WERT!Stätte gewachsen und konnte bereits diverse Projekte realisieren, die teilweise über die Rettung von Lebensmitteln hinausgingen. So konnten im Sommer 2025 die am Eurovision Song Contest und an der Fussball-EM der Frauen verwendeten Textilien gerettet und zu neuen Produkten verarbeitet werden. Wer die WERT!Stätte unterstützen möchte, kann dies durch finanzielle Unterstützung oder freiwillige Mitarbeit tun.
Die Schöpfungszeit 2025 findet vom 1. September bis zum 4. Oktober statt. Dieser Zeitraum ist der Bewahrung der Schöpfung gewidmet. Dieses Jahr steht die Schöpfungszeit unter dem Motto «Mehr als genug» und setzt sich mit Fragen der Ernährung, des Überflusses, der Gerechtigkeit und der Nachhaltigkeit auseinander.

Sonja Grässlin im WERT!Stätte-Laden im Gundeli in Basel.
Bild: © Johanna Moser