«Tut um Himmels Willen etwas Tapferes!»

Jet­zt muss ich meinem Ärg­er doch Luft machen – wegen der 4 neuen ständi­gen Diakone.

Es geht mir mehr um den Kurs der Redak­tion als um die 4 betrof­fe­nen Per­so­n­en. Da ich H.P. Stier­li per­sön­lich kenne und schätze, ist der 2. Artikel zur Diakonatswei­he dur­chaus infor­ma­tiv und schildert eine per­sön­liche Entschei­dung, die sich im Laufe der Zeit geän­dert hat und die ich respek­tiere. Solche Entschei­de muss jede und jed­er sel­ber tre­f­fen und es ste­ht mir nicht zu, darüber her zu ziehen, wenn ich sie – eben­falls aus per­sön­lichen Grün­den – nicht so gefällt hätte und nur schw­er nachvol­lziehen kann.

Ich bin jet­zt seit einein­halb Jahren pen­sion­iert nach über 18 Jahren (mis­siofreiem) Dienst als Diakoniev­er­ant­wortlich­er in der katholis­chen Kirche in Zofin­gen. Der Artikel über die Wei­he und die Predigt des Bischofs war schlicht unsäglich, auch wenn er natür­lich kirchen­rechtlich kor­rekt fest­ge­hal­ten hat, dass die 4 jet­zt eben Klerik­er sind. Dieses ganze Gesäusel um «etwas Beson­deres», «auser­wählt» usw. entspricht doch ein­er alten «Fang­tra­di­tion» respek­tive the­ol­o­gis­chem Beru­fungs­geschwurbel der Kirche. Davon lassen sich – und ich rede jet­zt nicht von den 4 neuen Diako­nen, son­dern von der Lage der Kirche generell – schwache Per­sön­lichkeit­en und men­tal schon klerikal geprägte (junge) Män­ner noch so gerne umgar­nen, heute vielle­icht wieder mehr als in den Jahren nach dem Konzil. Dazu hat Adolf Holl schon Ende des let­zten Jahrhun­derts (Neuau­flage 2003 im Kreuz Ver­lag) in seinem Buch «Mys­tik für Anfänger» das Wesentliche gesagt. Jaja, ein «Ket­zer», dem der Lehrstuhl in Wien ent­zo­gen wurde, natür­lich unter Johannes Paul II resp. Josef Ratzinger.

In je 7 Lek­tio­nen schreibt er, was ange­hende Mystiker*innen jew­eils ver­ler­nen und entsprechend neu ler­nen soll­ten. Das erste Kapi­tel ist über­schrieben mit: «Das Erste, was die Anfänger ver­ler­nen müssen, ist das Fasziniert­sein vom Pom­pösen, Gewalti­gen, Bedeu­ten­den und so weit­er.» Das geht so weit­er und gehört zum Hell­sichti­gen, was The­olo­gie als Ide­olo­giekri­tik leis­ten kann. Die Bis­chöfe wagen es nicht, als Ver­ant­wortliche in ihren Diöze­sen Klar­text zur Sit­u­a­tion in ihren Bistümern zu sprechen und duck­en sich weg von dem, was von oben als Schelte fol­gen kön­nte. Dabei ist Vieles längst am Bröseln und das Volk, das noch etwas erwartet, fühlt sich zu Recht von «denen da oben» nicht ver­standen in ihren Anliegen. Kein Wun­der – ist die Amt­skirche doch seit Jahren damit beschäftigt, die Struk­turen aufrecht zu erhal­ten und berechtigte Anliegen mit schö­nen, pseudolib­eralen Sprüchen von sich fern zu hal­ten. Unter Beru­fung auf Entschei­dun­gen, die sie «nur in der Weltkirche» fällen kön­nen. Was umso mehr stimmt, wenn die alleini­gen, auss­chliesslich männlichen Entschei­dungsträger in einem Sys­tem ähn­lich der Kom­mu­nis­tis­chen Partei der Sow­je­tu­nion kein Rück­grat haben und sich entwed­er die Kar­riere nicht verder­ben oder dann (evan­ge­lisch notwendi­gen) Ärg­er von sich fern hal­ten wollen. Mein ver­stor­ben­er Schwiegervater hat so was lap­i­dar umschrieben: «Links schnorre ond rächts frässe.»

Kurz: Mir fehlt im Hor­i­zonte zunehmend die kri­tis­che Dis­tanz zu den Geschehnis­sen in der Kirche. Natür­lich: es ist ein kirch­lich­es Mit­teilungs­blatt mit einem redak­tionellen Man­tel-Teil, der aber zunehmend ver­armt, wie mir scheint. Und ja: die guten Ansätze an der Basis dür­fen und sollen als Good News the­ma­tisiert wer­den. Es hat mich noch zu den Zeit­en in Zofin­gen gen­ervt, ewig unseren Bischof auf der Titel­seite zu sehen und seine pseudolib­eralen Sprüche in Inter­views lesen zu dür­fen. Sor­ry Herr Gmür: das habe ich mir inzwis­chen abgewöh­nt. Und eben: eine kri­tis­chere Hal­tung gegenüber unserem Diöze­san­bischof dürfte da und dort eben doch zu Wort kom­men, statt 1:1 solche alterss­chwache Beru­fungs­the­olo­gie an bestem Lese­platz zu ver­bre­it­en.

Ich bin inzwis­chen zur Ansicht gelangt, dass ganz viele Berufene (Frauen und Män­ner) aus ide­ol­o­gis­chen und struk­turellen Grün­den noch lange keine Chance auf priester­lich­es Wirken haben wer­den. Die katholis­che Kirche ist von beängsti­gen­der Sta­bil­ität. Die Auf­forderung, um Beru­fun­gen zu beten, ist nicht falsch, aber im aktuellen Kon­text der Kirche heuch­lerisch. Es gibt sie, Mann muss sie nur sehen wollen. All diese Leute sind entwed­er demütig genug, das zu tun, was sie dür­fen oder sind in ihren Beru­fun­gen auf Dauer frus­tri­ert. Oder sie gehen wie viele andere den Weg aus der Kirche. Es scheint mir the­ol­o­gisch inzwis­chen total falsch, priester­lich­es Wirken ans Amt – mit unsäglichen Zusatzbe­din­gun­gen – zu binden. Da bin ich reformiert gewor­den. Die Kirche wird aus ihrer Krise – von der Miss­brauch­skrise ganz zu schweigen – nicht her­auskom­men, wenn sie nicht im Sinne des Evan­geli­ums zu denken begin­nt. Vie­len Trägern der Amt­skirche geht es um sich sel­ber, das Evan­geli­um scheint mir da auf ver­loren­em Posten. Der syn­odale Prozess, so wie er jet­zt aufge­gleist wurde, scheint mir dafür ein klares Indiz. Ich bedau­re sehr, dass ich nicht ein­fach aus der Amt­skirche aus­treten kann. Denn an der Basis macht die Kirche dur­chaus vieles richtig und gut. Ich sel­ber habe von den (staatlichen) Kirchen­s­teuern als Diakoniemi­tar­beit­er sehr prof­i­tiert und eine kon­struk­tive Kirchenpflege und ein gutes Team und Mit­stre­i­t­ende vorge­fun­den. Das hat mich auch an der der Auf­gabe gefall­en und mich gehal­ten.

Wie sagte doch Zwingli (allerd­ings in Zusam­men­hang mit dem 2. Kap­pel­er Krieg unpassend) richtig: «Tut um Him­mels Willen etwas Tapferes!» Das gilt sowohl für uns alle als beson­ders für unsere Bis­chöfe. Und für Sie als Redak­tion dürfte etwas mehr kri­tis­ch­er Mut auch ange­sagt sein. Für mich endet der Lebens­ab­schnitt Kirche möglicher­weise im Aus­tritt (für die ent­ge­hen­den Steuern gibt es Lösun­gen!), ein Unter­fan­gen, das mir nicht leicht fällt und Mut und Kraft ver­langt.

Christian Breitschmid
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