Schweizer Unternehmen in der Pflicht
Die kirchÂlichen HilÂfÂswerke FasÂtenopfer und Brot für alle samÂmeln für die KonzÂernÂverÂantÂworÂtungs-IniÂtiaÂtive. Das VolksÂbegehren wird auch die ÖkuÂmenisÂche KamÂpagne 2016 präÂgen. Im SchatÂten der am Pranger steÂhenÂden interÂnaÂtionalen GrosskonzÂerne haben aber auch SchweizÂer KMU NachÂhilÂfe nötig in Sachen Integrität und Ethik.
Dass interÂnaÂtionÂal tätige GrosskonzÂerne nicht unbeÂdÂingt aus eigenÂem Antrieb darum besorgt sind, beim Abbau von RohstofÂfen zur Umwelt Sorge zu traÂgen, sichere ArbeitsÂbeÂdinÂgunÂgen und die Rechte der ortÂsanÂsäsÂsiÂgen Bevölkerung zu garantieren, ist mitÂtlerÂweile bekanÂnt. InvesÂtigaÂtiv tätige JourÂnalÂisÂten und MitarÂbeiÂtÂende von NichtregierungÂsorÂganÂiÂsaÂtioÂnen haben diesÂbezüglich in den verÂganÂgenen Jahren verÂschiedene Missstände aufgedeckt. In der Schweiz haben Unternehmen wie der RohstofÂfgiÂgant GlenÂcore ihren HauptÂsitz. GlenÂcore, den die kirchÂlichen HilÂfÂswerke FasÂtenopfer und Brot für alle unlängst mit einÂer sorgfältig recherÂchierten Studie an den Pranger stellÂten, ist nur einÂer von vieÂlen. Laut CVP-NationÂalÂrätin Lucrezia Meier-Schatz, seit 2006 PräsiÂdentin des StiftungsÂfoÂrums von FasÂtenopfer, ging aufÂgrund dieser EnthülÂlunÂgen ein Ruck durch die PoliÂtik. Die AussenÂpoliÂtisÂche KomÂmisÂsion des NationÂalÂrats forderte in einÂer Motion die gesetÂzliche VerÂankerung von SorgfaltÂsprüÂfungspflichtÂen bezüglich MenÂschenÂrechtÂen und Umwelt für Unternehmen. Der auf PrävenÂtion ausÂgerichtete Vorschlag fand breÂite UnterÂstützung bei Wirtschaft und PoliÂtik. GleÂichÂwohl wurde der Vorstoss im März 2015 verÂworÂfen. Daraufhin lancierte im April 2015 eine PhaÂlanx aus 66 NichtregierungÂsorÂganÂiÂsaÂtioÂnen, darunter auch das katholisÂche HilÂfÂswerk FasÂtenopfer, die KonzÂernÂverÂantÂworÂtungs-IniÂtiaÂtive. Diese will globÂale KonzÂerne einem zwinÂgenÂden RegelÂwÂerk unterÂstellen, wenn es um die DurchÂsetÂzung von MenÂschenÂrechtÂen geht. VerÂstösst ein Unternehmen dageÂgen, soll es künÂftig haften. Bis zum jetÂziÂgen ZeitÂpunkt haben die IniÂtianten gegen 50 000 UnterÂschriften zusamÂmen.
Nach GlenÂcore nun Vitol im Fadenkreuz
Die kirchÂlichen HilÂfÂswerke, das wurde an einÂer MediÂenkonÂferenz am verÂganÂgenen MonÂtag, 24. August 2015, deutÂlich, wollen sich nicht als TritÂtbretÂtfahrer im EngageÂment anderÂer sonÂnen, sonÂdern als VorÂreÂitÂer unter den IniÂtianten Akzente setÂzen. Eine Studie über die AktivÂitäten von Vitol, eines der grössten SchweizÂer Unternehmen im BereÂich RohstofÂfabÂbau, soll der IniÂtiaÂtive Schubkraft geben und den Druck auf die Unternehmen verÂstärken. Nach AusÂsagen von John Capel, DirekÂtor der Bench Mark FounÂdaÂtion in JohanÂnesÂburg, einÂer PartÂnerorÂganÂiÂsaÂtion von Brot für alle, sorgt der durch Vitol in SüdafriÂka betriebene Kohle-Abbau für LandÂschaftssÂchäÂden und gesundÂheitliche ProbÂleme bei den Beschäftigten. «Es braucht eine öffentliche DiskusÂsion darüber, wie KonzÂerne sich verÂhalÂten sollen», erkÂlärte Beat Dietschy, ZenÂtralsekretär von Brot für alle, an besagter MediÂenkonÂferenz in Bern. Umso mehr, als die Schweiz mitÂtlerÂweile zum Dreh- und Angelpunkt der RohstoffÂbranche geworÂden sei. Die zu Beginn dieser Woche veröfÂfentlichte Vitol-Studie soll die DiskusÂsion befeuern und einen ähnÂlichen Effekt haben wie seinÂerzeit die EnthülÂlunÂgen zu GlenÂcore. WeitÂer haben sich die kirchÂlichen HilÂfÂswerke FasÂtenopfer und Brot für alle zum aktivÂen UnterÂschriftenÂsamÂmeln verpflichtet.
ÖkuÂmenisÂche KamÂpagne 2016 im FahrwassÂer der IniÂtiaÂtive
Auch die ÖkuÂmenisÂche KamÂpagne 2016 wird sich am TheÂma KonzÂernÂverÂantÂworÂtung und SorgfaltÂspflicht für Unternehmen oriÂenÂtieren, wie Urs WalÂter, KomÂmuÂnikaÂtionsverÂantÂwortlichÂer beim reformierten HilÂfÂswerk Brot für alle gegenüber HorÂiÂzonte am Rande der MediÂenkonÂferenz vom 24. August in Bern erkÂlärte. FasÂtenopfer werde aller VorausÂsicht nach mit einem weitÂeren Beispiel aus BurkÂiÂna Faso die VerÂstrickÂung von SchweizÂer GrossunÂternehmen in fragÂwürdiÂge GeschäftÂsprakÂtiken aufzeigen. FernÂer will man in den KirchgeÂmeinÂden für die IniÂtiaÂtive werÂben. Gut möglich, dass dies zu einÂer neuerÂlichen KonÂtroÂverse in Kirchenkreisen führt, nachÂdem bereÂits die KriÂtik am FleisÂchkonÂsum im RahÂmen der ÖkuÂmenisÂchen KamÂpagne 2015 nicht vorÂbeÂhaltÂlos goutiert wurde. UmstritÂten ist in Kirchenkreisen nämÂlich einÂdeutig poliÂtisÂches EngageÂment von kirchÂlichen KörÂperÂschaften und kirchenÂnaÂhen InstiÂtuÂtioÂnen.
SchweizÂer haben keine StaublunÂgen, dafür psyÂchisÂche ProbÂleme
Der aufmerkÂsame Beobachter mag sich vielleÂicht daran stören, dass bei all dem EngageÂment gegenüber den GeschäftÂsprakÂtiken der GrosskonzÂerne möglicherÂweise vergessen geht, wie es um die ArbeitsÂbeÂdinÂgunÂgen in der Schweiz bestellt ist. Viele Angestellte banÂgen um ihren ArbeitÂsplatz – insÂbesonÂdere angesichts der FrankenÂstärke. Hinzu komÂmen Berichte über schlecht bezahlte PrakÂtiÂka ohne PerÂspekÂtivÂen in KindertagesstätÂten und TankstelÂlenÂshops. Diese TheÂmen könÂnten an einÂer WerÂbevÂerÂanstalÂtung für die KonzÂernÂverÂantÂworÂtungs-IniÂtiaÂtive leicht vergessen gehen, hätÂten nicht die VerÂantÂwortlichen von FasÂtenopfer in einÂer RandÂnoÂtiz auf eine PubÂlikaÂtion ihres DirekÂtors Patrick Renz verÂwiesen. Als Co-Autor von «Integrität im ManÂageÂmenÂtallÂtÂag» illusÂtriÂert der WirtschaftÂsethikÂer an konkreten FallÂbeispieÂlen die hierzuÂlande grassierenÂden ProbÂleme und zeigt LösunÂgen für Unternehmen auf. Wer sich im BekanÂntenkreis umhört, stösst nämÂlich rasch einÂmal auf schockÂierende Berichte über MobÂbing, DiskriÂmÂinierung oder fragÂwürdiÂge GeschäftÂsprakÂtiken. Die Beispiele zeigen: In der Schweiz holt man sich beim ArbeitÂen zwar keine Staublunge, doch die Zunahme an psyÂchisÂchen ErkrankunÂgen wie Burn-out oder DepresÂsion sollte zu denken geben.
StramÂpeln im HamÂsterÂrad
Patrick Renz und seine MitauÂtoren sind nicht die ersten, die im VorzeigeÂland Schweiz den FinÂger in eine unliebÂsame Wunde legÂen. Thomas WalÂliÂmann-SasaÂki, LeitÂer des SozialinÂstiÂtuts der KatholisÂchen ArbeitÂerÂbeÂweÂgung KAB und seines Zeichens ebenÂfalls WirtschaftÂsethikÂer, hat bereÂits 2013 unterÂsucht, wie es um die Integrität von SchweizÂer Betrieben bestellt ist. Das ResulÂtat stimmt nachÂdenÂklich, zeigt aber auch, was «gute» Unternehmen ausÂmacht. «Generell klaÂgen viele ArbeitÂnehmende über Stress und Druck am ArbeitÂsplatz. Viele sind unzufrieden.» Ursache für diesen MissÂstand ist nach Ansicht des LeitÂers des KAB-SozialinÂstiÂtuts unser Arbeits- und WirtschaftssysÂtem. «Ein SysÂtem, das auf WetÂtbeÂwerb aufÂbaut und vom KonkurÂrenÂzkampf lebt, trägt letÂztlich den VerÂdränÂgungskampf auch auf die indiÂviduÂelle Ebene hinab.» In diesem Sinne werde auch die aktuelle FrankenÂstärke von vieÂlen Unternehmen dankbar verÂwenÂdet, um neolibÂerale Ansätze konÂseÂquent umzusetÂzen, kriÂtisiert Thomas WalÂliÂmann SasaÂki.
Gute Unternehmen komÂmuÂnizieren anders
Es geht aber auch anders. ClauÂdia MenÂnen leitÂet mit der PropÂstei WisÂlikofen ein BilÂdungs- und SemÂiÂnarhoÂtel im AarÂgau mit 25 AngestellÂten. Dass HotelÂlerie und GasÂtronomie harte Branchen sind, ist bekanÂnt. GleÂichÂwohl gelingt der PropÂstei, die sich als BilÂdungÂshaus der Römisch-KatholisÂchen LanÂdeskirche AarÂgau auch klar an christlichen Werten oriÂenÂtiert, was manch andere Betriebe in diesem SekÂtor nicht schafÂfen. Kaum PerÂsonÂalflukÂtuÂaÂtion sowie ein angenehmes ArbeitÂskliÂma. «Uns ist der gegenÂseitÂige Respekt im Umgang sehr wichtig», betont ClauÂdia MenÂnen. Alle MitarÂbeiÂtÂenÂden unterÂschreiben eine kleine EthikkonÂfesÂsion, in der Regeln für den Umgang untereÂinanÂder festÂgeÂhalÂten, aber auch Schritte bei ProbÂleÂmen definiert sind. Zwei unabÂhängige OmbudsperÂsoÂnÂen sind in solchen SitÂuÂaÂtioÂnen AnsprechÂpartÂner. «Wir haben besÂtimmt den Vorteil, dass wir ein kleinÂer Betrieb sind und es bei uns fast schon familÂiär zu und her geht», führt ClauÂdia MenÂnen weitÂer aus. Die Grösse allein hat für ein proÂdukÂtives und konÂstrukÂtives ArbeitÂskliÂma allerdÂings nur sekundäre BedeuÂtung, weiss Thomas WalÂliÂmann-SasaÂki. «Gute Unternehmen kalkulieren genauÂso hart wie alle anderen Betriebe, komÂmuÂnizieren jedoch anders», bringt es der LeitÂer des KAB-SozialinÂstiÂtuts auf den Punkt. «Gepflegt wird ein Stil, der die MenÂschen Ernst nimmt, der auch zulässt, dass ÄngÂste angeÂsprochen werÂden könÂnen.»
KirchenÂnaÂhe Betriebe nicht per se bessÂer
Und die christlichen Werte? Sind kirchenÂnaÂhe Betriebe per se bessÂer? «Viele meinen, es reiche schon, wenn man sich irgendÂwie für die Kirche einÂsetÂze oder für sie arbeite», erkÂlärt Thomas WalÂliÂmann-SasaÂki. Zudem wüssten viele LeitungsperÂsoÂnÂen in kirchÂlichen InstiÂtuÂtioÂnen und kirchenÂnaÂhen Betrieben gar nicht, was «christlich» in konkreten GeschäftssiÂtÂuÂaÂtioÂnen heisÂsen könÂnte. Das Christliche werde zu oft auf «gut gemeint» reduziert. Über die PrinzipÂiÂen der christlichen Soziallehre seien die wenigÂsten informiert. Wichtig sei darum nebÂst einÂer klaren ethisÂchen PosiÂtionÂierung eines Betriebs, dass sich FührungsperÂsoÂnÂen bewusst mit ihren WertvorstelÂlunÂgen auseinanÂderÂsetÂzten und diese immer wieder in ihre EntscheiÂde einÂbezöÂgen. Und solche WerthalÂtunÂgen müssten nicht zwinÂgend christlich sein, sonÂdern sollÂten einÂfach das Wohl des MenÂschen im Auge haben.
IniÂtiaÂtive soll Staat gegenüber Wirtschaft stärken
Lenkt also die KonzÂernÂverÂantÂworÂtungs-IniÂtiaÂtive allzu vorschnell und unbeÂdarft den Blick ins AusÂland? Gibt es nicht vor Ort genug in Sachen SorgfaltÂspflicht, BetriebÂsverÂantÂworÂtung und ArbeitÂsethik zu tun? Dem widerÂspricht WirtschaftÂsethikÂer Thomas WalÂliÂmann-SasaÂki. «Die KonzÂernÂverÂantÂworÂtungs-IniÂtiaÂtive berückÂsichtigt, dass die StaatÂen gegenüber KonzÂerÂnen mehr und mehr an Macht verÂlieren und von diesen gegeneinanÂder ausÂgeÂspielt werÂden.» Die IniÂtiaÂtive sei ein VerÂsuch, den StaatÂen und damit der PoliÂtik ihre GestalÂtungÂshoheit gegenüber der Wirtschaft in ErinÂnerung zu rufen. «Ganz im Sinne der christlichen Sozialethik: Die Wirtschaft muss für die MenÂschen da sein, nicht umgekehrt.» Und da man nicht davon ausÂgeÂhe, dass die UNO das ProbÂlem mit der SchafÂfung eines eigens geschafÂfeÂnen GerichtÂshofes lösen werde, sei man nun in der Schweiz aktiv geworÂden. «Die Schweiz ist ein Dreh- und Angelpunkt für interÂnaÂtionale KonzÂerne und kann in dieser Frage eine wichtige VorÂreÂitÂerÂrolle übernehmen.» Eine derÂarÂtige Forderung steÂhe schon zu lange im Raum, meint auch die AarÂgauer EVP-PoliÂtikÂerin und StänÂderÂatskanÂdiÂdatin LilÂiane StudÂer. «InsÂbesonÂdere, zumal 50 Prozent aller UmweltÂbeÂlasÂtung, die von inländisÂchem KonÂsum verurÂsacht wird, im AusÂland anfällt. Schwellen- und EntwickÂlungslänÂderÂlänÂder sind zudem den RahÂmenbeÂdinÂgunÂgen der KonzÂerne ausÂgeliefert. Da haben wir, gerÂade als ProfÂiÂteure, eine VerÂantÂworÂtung zu traÂgen und menÂschwürdiÂge StanÂdards einzuÂfordern.»
CVP in ihrer HalÂtung (noch) nicht greifÂbar
Von SeitÂen der GegÂnÂer der KonzÂernÂverÂantÂworÂtungs-IniÂtiaÂtive, namentlich FDP, SVP, aber auch Teilen aus der CVP, wird gelÂtend gemacht, dass derÂarÂtige EinÂschränkunÂgen dem WerkÂplatz Schweiz schadeÂten und letÂztlich dazu führten, dass Unternehmen verÂmehrt ihren FirÂmenÂsitz ins AusÂland verÂlegen könÂnten. Mit diesen ArguÂmenten wurde auch die bereÂits erwähÂnte Motion der AussenÂpoliÂtisÂchen KomÂmisÂsion des NationÂalÂrats im März 2015 abgewiesen, nachÂdem sie zunächst per Stichentscheid mit 91 zu 90 StimÂmen angenomÂmen worÂden war. Die Kehrtwende brachte ein RückÂkomÂmenÂsantrag der CVP. Ruth HumÂbel, AarÂgauer CVP-StänÂderÂatskanÂdiÂdatin, blieb auf Anfrage, wie sie den zur KonzÂernÂverÂantÂworÂtungs-IniÂtiÂaitve steÂhe, die Anwort schuldig. HumÂbels KanÂtonÂalÂpartei liess via deren GeschäftsÂführerin Susan Diethelm verÂlautÂen: «Die CVP äussert sich nicht zu VolksiniÂtiÂaitven, die noch im SamÂmelÂstaÂdiÂum sind.»
Schweiz bleibt als WerkÂplatz interÂesÂsant
Thomas WalÂliÂmann-SasaÂki glaubt überdies nicht, dass bei Annahme der IniÂtiaÂtive interÂnaÂtionÂal tätige FirÂmen der Schweiz den RückÂen kehren könÂnten. «Die Schweiz wird als WirtschaftsÂstanÂdort interÂesÂsant bleiben. Bei uns kann ein CEO sich ohne BodyÂguard frei beweÂgen, unser Land bietet soziale SicherÂheit und eine sehr gute InfraÂstrukÂtur. Auch die steuerÂliche SitÂuÂaÂtion ist im VerÂgleÂich für Unternehmen sehr zuvorkÂomÂmend.»WeitÂere InforÂmaÂtioÂnen:
www.konzern-initiative.ch