Osterglück mit langen Ohren
Schoggigenuss ist komplexer, als viele denken. Um Schokolade richtig zu würdigen, braucht es Übung und das entsprechende Vokabular, wie beim Weintrinken: «Vielen Menschen fehlen die Worte, um den Geschmack von Schokolade zu erfassen», sagt Chocolatier Rimann.
Bild: © Roger Wehrli

Osterglück mit langen Ohren

Der Chocolatier Fabian Rimann verrät, wie der perfekte Schoggihase riecht, schmeckt und aussieht.

Eine Kakaobohne enthält über 600 Aromen. Chocolatier Fabian Rimann weiss, wie er sie zur Geltung bringen kann und warum Schokolade glücklich macht.


Schoko­lade macht offen­sichtlich glück­lich. Im Duft der Kakaobohnen, zwis­chen Gestellen voller Pral­inés und mit dem Geräusch der mächti­gen Conchier­mas­chine im Ohr, strahlt der Choco­lati­er Fabi­an Rimann mit seinem Schog­gioster­hasen um die Wette.

Mit vielen Emotionen verbunden

«Oft sind mit Schog­gi schöne Kind­heit­serin­nerun­gen ver­bun­den, etwa an die Grossel­tern, die jew­eils Brot mit einem Möck­li Schog­gi serviert haben», sagt Rimann. Darüber hin­aus lässt sich die Glück­swirkung auch chemisch begrün­den: Kakaobohnen enthal­ten ver­schiedene Stoffe, die stim­mungsaufhel­lend wirken. «Je rein­er die Schoko­lade ist, desto glück­lich­er macht sie», fasst der Fach­mann zusam­men. Die Schoko­lade, die Rimann in sein­er Man­u­fak­tur her­stellt, enthält lediglich Kakaobohnen, Kakaobut­ter und Zuck­er.

Der per­fek­te Schog­gioster­hase spricht ­mehrere Sinne an. Er ist schön bemalt, glänzt, ver­strömt einen feinen ­Schog­giduft und beim Hinein­beis­sen ist der «Knack» ­wichtig. «Es muss kein gross­er Hase sein, ­wichtig ist die Qual­ität», find­et der ­Choco­lati­er Fabi­an Rimann, «Bess­er einen kleinen, feinen Hasen schenken, den das Kind aufessen mag.» | Bild: Roger Wehrli

Seit 14 Jahren pro­duziert und verkauft der Choco­lati­er an der Land­strasse in Wet­tin­gen. Fabi­an Rimann erin­nert sich, dass es eine Weile dauerte, bis die Leute ver­standen, was er und sein Team machen. Heute hat er 11 Mitar­bei­t­ende, ist in der Region etabliert und liefert seine Schog­gipro­duk­te an aus­gewählte Lokale in der ganzen Schweiz. Rimann betont: «Gute Schog­gi herzustellen braucht Zeit, Per­son­al und Platz.»

Aktuell bevölk­ern bei Choco­lati­er Rimann Schog­gi­hasen die Man­u­fak­tur. In kleinen Rudeln sitzen sie auf Tablets und warten auf ihre Fer­tig­stel­lung und Ver­pack­ung. Ger­ade zieht Fabi­an Rimann eine Kun­st­stoff­form auseinan­der und entlässt einen weit­eren Oster­hasen in die Frei­heit. Die Form ist ein Abguss ein­er der tra­di­tionellen Met­all­for­men, die der Choco­lati­er in seinem Keller lagert. Einige Hasen sind sorgfältig «geschminkt», das bedeutet, dass Ohren, Augen und Deko­ra­tion in ein­er anderen Schoko­laden­farbe auf den Hasen gemalt sind.

Vorfreude auf Ostern

Max­i­mal einen Monat vor Ostern begin­nen Rimann und sein Team mit der Hasen­pro­duk­tion. Die Hasen im Laden sind grössten­teils nicht älter als 24 Stun­den. «Ich finde es wichtig, dass sich die Leute auf die Oster­hasen­zeit freuen kön­nen. Wenn gle­ich nach der Fas­nacht bere­its die Schog­gi­hasen in den Regalen ste­hen, ver­lieren die Leute die Freude an der Sai­son», sagt Rimann. 

Der gel­ernte Kon­di­tor-Con­fiseur nahm schon früh an Beruf­swet­tkämpfen teil, Kreatio­nen mit Schoko­lade gelan­gen ihm jew­eils beson­ders gut. Nach­dem er in Luzern für einen Investor ein Geschäft aufge­baut hat­te, war für ihn der Zeit­punkt gekom­men, ganz auf Schoko­lade zu set­zen. «Schoko­lade allein ist so span­nend, dass ich gar nichts anderes brauche», sagt Fabi­an Rimann, «mein Beruf ist kreativ, die Möglichkeit­en sind riesig.» In den USA, wo er Kurse an der Kon­di­torschule in Orlan­do gab, kam Fabi­an Rimann erst­mals mit der «Bean-to-Bar»-Philosophie in Kon­takt, die er heute in seinem Laden ver­fol­gt. Damit ist gemeint, dass er von der Kakaobohne bis zur fer­ti­gen Tafel alle Ver­ar­beitungss­chritte in sein­er Werk­statt macht. 60 Prozent der Schoko­lade, die Rimann verkauft, wird vor Ort pro­duziert.


Lange hat Fabi­an Rimann nach ein­er Conchier­mas­chine gesucht. Fündig wurde er in Kana­da, ​bei einem Betrieb, der während der Coro­n­azeit schliessen musste. Heute ste­ht die vier Ton­nen schwere Mas­chine promi­nent in sein­er Schog­gi­w­erk­statt in Wet­tin­gen. Wer am Geschäft ­vor­beige­ht kann durchs Fen­ster beim Conchieren – dem Mis­chen und Glät­ten der Schoko­laden­masse – zuschauen. Bild: Roger Wehrli

Ökol­o­gis­che und soziale Kom­po­nen­ten

Eine Kakaobohne bein­hal­tet über 600 Aromen. Einige davon beson­ders zur Gel­tung zu brin­gen, braucht Erfahrung und gut geschulte sen­sorische Fähigkeit­en. «Learn­ing by doing, aus­pro­bieren und tüfteln», fasst Rimann seine Herange­hensweise zusam­men. Die Kakaobohnen und weit­ere Rohstoffe zu beschaf­fen, ist eine per­ma­nente Her­aus­forderung und mit viel Ver­ant­wor­tung ver­bun­den. Es gilt, bei Entschei­dun­gen neb­st dem wirtschaftlichen und logis­tis­chen Aspekt auch die ökol­o­gis­che und die soziale Kom­po­nente des Kakaoan­baus im Auge zu behal­ten.

Bei der Beschaf­fung der Bohnen arbeit­et Rimann eng mit der Fir­ma Felch­lin zusam­men. Sie beziehen die Bohnen nicht über den inter­na­tionalen Han­del an der Börse, son­dern direkt beim Kakaobauern. Seit fast zehn Jahren arbeit­et Rimann mit ein­er Kakao­farm in Trinidad und Toba­go zusam­men, einem Fam­i­lien­be­trieb, der seit 150 Jahren beste­ht.

In ein­er Tafel Schoko­lade steckt – vom Anbau der Bohne über den Trans­port, die Ver­ar­beitung, die Ver­pack­ung und den Verkauf – sehr viel Arbeit. «Schoko­lade ist ein Luxu­s­pro­dukt, kein Masse­nar­tikel», betont Fabi­an Rimann. Aktuell ist der Preis für Kakaobohnen sehr hoch. Schwache Ern­ten sind das Resul­tat jahre­langer Monokul­tur, Raub­bau an den Böden und der Ver­bre­itung von viralen Erkrankun­gen in den Plan­ta­gen.

Tiefe Preise ver­wirren die Kon­sumenten

Schog­gi­hasak­tio­nen der Grossverteil­er, teil­weise schon vor Ostern, ver­wirrten die Kon­sumenten und seien schlecht für das Ver­ständ­nis der Schog­gipoli­tik, find­et Rimann. So tiefe Preise sind nur möglich, wenn einige Men­schen und die Umwelt in dieser Wertschöp­fungs­kette zu kurz kom­men. Rimann: «Das hin­ter­fra­gen wir oft zu wenig.»

In der Kon­sumge­sellschaft gin­ge der Bezug zur Natur und zur Sai­son zunehmend ver­loren, find­et Rimann: «Wer selb­st Gemüse anbaut, begin­nt zu hin­ter­fra­gen, wie es möglich ist, dass ein Salatkopf nur 1.20 Franken kostet.» Rimann pro­duziert neben Schoko­lade auch ein kleines Sor­ti­ment an Brot. «Es hät solangs hät» ist die Devise. «Unsere Kundin­nen und Kun­den akzep­tieren, dass nicht alles immer ver­füg­bar ist, son­dern sie ein Brot reservieren müssen, wenn es ihnen wichtig ist.»

Marie-Christine Andres Schürch
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