Neues Leben kommt ins Haus

Neues Leben kommt ins Haus

Die Römisch-Katholis­che Lan­deskirche besitzt ein fast leeres Haus. Reto Marthy und Sil­via Schif­fer­li von der Sek­tion «Asyl» des Kan­tonalen Sozial­dien­sts sor­gen dafür, dass es sich ab sofort mit neuem Leben füllt.Aarau, Lau­ren­zen­vorstadt 71. Ein dreistöck­iges Haus, zen­trum­sna­he, mit hellen Woh­nun­gen. Nach dem Auszug der Kroat­is­chen Mis­sion war für die Römisch-Katholis­che Lan­deskirche klar, dass sie für ihr Haus an der Lau­ren­zen­vorstadt eine sin­nvolle Zwis­chen­lö­sung find­en will. Deshalb stellte sie per 1. März 2015 dem Kan­tonalen Sozial­dienst die oberen drei Stock­w­erke zur Unter­bringung von 15 Asyl­suchen­den zur Ver­fü­gung.«Wir haben unsere liebe Mühe» Auss­chlaggebend für den Entscheid des Kirchen­rates war die grosse Not bei der Suche nach geeignetem Wohn­raum. Reto Mar­ty, Grup­pen­leit­er Fach­bere­ich Unter­bringung und Betreu­ung Asyl­we­sen, sagt denn auch: «Wir haben unsere liebe Mühe, Unterkün­fte zu find­en.» Deshalb sind sie auf Ange­bote wie jenes der Lan­deskirche angewiesen. Er hält fest: «Europa ist sen­si­bil­isiert für Flüchtlinge von allen Seit­en und es ist wertvoll, dass Men­schen und Insti­tu­tio­nen von sich aus Raum anbi­eten. Das ist wichtig für uns.» Bere­its 2012 hat­te Kirchen­rat­spräsi­dent Luc Hum­bel alle Kirchge­mein­den dazu aufgerufen, die Unter­bringung von Asyl­suchen­den in leer­ste­hen­den Gebäu­den zu prüfen. Die Lan­deskirche sel­ber kon­nte dem Kan­ton damals in Aar­burg einen Grup­pen­raum für die Unter­bringung ein­er Fam­i­lie zur Ver­fü­gung stellen. In der Kirchge­meinde Wohlen ist sei­ther das Pfar­rhelfer­haus für die Unter­bringung von Flüchtlin­gen an den Kan­ton ver­mi­etet.Vom Emp­fangszen­trum bis in die Gemeinde-Unterkün­fte Im Haus an der Lau­ren­zen­vorstadt 71 gibt es vier Woh­nun­gen. Die Liegen­schaft gilt als so genan­nte «kan­tonale Unterkun­ft», von denen es im Aar­gau etwa 60 gibt. Asyl­suchende gelan­gen in der Schweiz zuerst in eines der Emp­fangs- und Ver­fahren­szen­tren des Bun­des, wo sie reg­istri­ert wer­den und eine san­i­tarische Unter­suchung durch­laufen. Dann wer­den die Men­schen nach Verteilschlüs­sel auf die Kan­tone verteilt. Dort kom­men sie ins kan­tonale Erstauf­nah­mezen­trum. Im Aar­gau befind­et sich dieses in Buchs, Mitar­beit­er des kan­tonalen Sozial­dien­stes betreuen dort die Asyl­suchen­den. Vom Erstauf­nah­mezen­trum aus wer­den die Men­schen auf kan­tonalen Unterkün­fte verteilt, die vom kan­tonalen Sozial­dienst betrieben wer­den. In der Regel erfol­gt die Zuweisung in die von den Gemein­den betriebe­nen Unterkün­fte später.Tante, Mut­ter und Gross­mut­ter Wun­sch der Ver­ant­wortlichen der Lan­deskirche ist, dass Fam­i­lien in die Liegen­schaft einziehen kön­nen. Für Sil­via Schif­fer­li, die im Auf­trag des Kan­tons die Bewohn­er an der Lau­ren­zen­vorstadt betreuen wird, ist der Stan­dort dafür ide­al: «Unser intern­er Kinder­garten und die Schule sind von hier aus zu Fuss erre­ich­bar, das ist sich­er ein Vorteil.» Welche Fam­i­lien einziehen kön­nen, wird Sil­via Schif­fer­li in Gesprächen mit dem Grup­pen­leit­er fes­tle­gen. Sie ist seit 16 Jahren als Betreuerin in ver­schiede­nen Liegen­schaften tätig und in direk­tem Kon­takt mit den Asyl­suchen­den. Natür­lich gebe es manch­mal Stre­it unter den Bewohn­ern, manch­mal auch Lärm, aber nicht häu­figer als unter Schweiz­ern auch: «In all den Jahren habe ich nie einen wirk­lich gravieren­den Fall erlebt.» Es sind unendlich vielfältige Geschicht­en, die Sil­via Schif­fer­li bei ihrer Arbeit mit­bekommt. Als Betreuerin ist Sil­via Schif­fer­li «Tante, Mut­ter und Gross­mut­ter» für ihre Leute, wie sie erzählt. «Wir Mitar­beit­er im Fach­bere­ich ‚Unter­bringung und Betreu­ung’ sind All­rounder», fasst sie zusam­men. Manch­mal gebe es auch auch Ras­sis­mus unter den Asyl­suchen­den, Eth­nien, die sich im Heimat­land nicht ver­tra­gen und den Kon­flikt auch hier ausleben. In solchen Fällen bekommt der Betreuer starkes Gewicht. Er ver­mit­telt und es klappt – zwar nicht immer, aber immer wieder.Manch­mal rutscht ein ‘Du’ her­aus Als Betreuerin erk­lärt Sil­via Schif­fer­li den Asyl­suchen­den auch all die offiziellen und ungeschriebe­nen Regeln, die in der Schweiz gel­ten. Das kön­nen in unseren Augen banale Dinge sein, etwa, dass man hier um zwölf Uhr Mit­tagspause hat und isst. «Wir sagen den Men­schen klar, dass sie sich in das Zeit­ge­füge und die Umgangs­for­men der Schweiz ein­fü­gen müssen.», sagt Sil­via Schif­fer­li. «Wir acht­en auch darauf, dass wir die Leute mit ‚Sie’ ansprechen, der gegen­seit­ige Respekt muss gewährleis­tet sein. Ich bin für die Leute ‚Frau Sil­via’. Auch wenn jeman­dem ab und zu ein ‚Du’ her­aus­rutscht: grund­sät­zlich sind wir per Sie.»Ver­mi­etet bis Ende 2016 Das Mietver­hält­nis zwis­chen Lan­deskirche und Kan­ton ist bis Ende 2016 befris­tet. Wie die Lan­deskirche mit­teilt, möchte sie in Aarau, wo sich an der Feer­strasse 8 ihr Haupt­sitz mit Ver­wal­tung und Gen­er­alsekre­tari­at befind­et, zusät­zliche Büroräum­lichkeit­en für den Zusam­men­zug weit­er­er Fach­stellen schaf­fen. Die Syn­ode hat dazu Ende 2013 einem Kred­it für eine Mach­barkeitsstudie zur Erweiterung der Ver­wal­tungsliegen­schaft an der Feer­strasse 8 in Aarau und par­al­lel zur ver­tieften Prü­fung weit­er­er Gebäude und Stan­dorte zuges­timmt. Bis Ende näch­sten Jahres sollte klar sein, wie die Liegen­schaft an der Lau­ren­zen­vorstadt 71 weit­er genutzt wird. Die ersten Asyl­suchen­den sind inzwis­chen in der Lau­ren­zen­vorstadt 71 einge­zo­gen. Die neuen Bewohn­er brin­gen wohl keine pral­lvollen Zügelka­r­tons mit. Im Gepäck haben sie ihre ganz per­sön­lichen Geschicht­en, ihre Hoff­nun­gen und Tal­ente. Das Haus füllt sich mit Leben.  
Marie-Christine Andres Schürch
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