Möge der Weinstock die Reben festhalten

Möge der Weinstock die Reben festhalten

 Johannes 15,1–5Ich bin der wahre Wein­stock und mein Vater ist der Winz­er. Jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, schnei­det er ab und jede Rebe, die Frucht bringt, reinigt er, damit sie mehr Frucht bringt. Ihr seid schon rein kraft des Wortes, das ich zu euch gesagt habe. Bleibt in mir und ich bleibe in euch. Wie die Rebe aus sich keine Frucht brin­gen kann, son­dern nur, wenn sie am Wein­stock bleibt, so auch ihr, wenn ihr nicht in mir bleibt. Ich bin der Wein­stock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getren­nt von mir kön­nt ihr nichts voll­brin­gen. Ein­heit­süber­set­zung 2016 

Möge der Weinstock die Reben festhalten

Vor eini­gen Jahren hat­te ich engeren Kon­takt mit dem Zis­terzienserk­loster Hau­terive im Freiburg­er­land. Mein Kol­lege aus der Schweiz­er­garde war nach der Gardezeit in diese klöster­liche Gemein­schaft einge­treten. Die Mönche leben nach ein­er stren­gen benedik­tinis­chen Orden­sregel und im per­ma­nen­ten Schweigen. Nur an bes­timmten Orten oder zu ganz bes­timmten Zeit­en darf gesprochen wer­den.Ich erin­nere mich an meine Besuche im Kloster, die meist etwas Eige­nar­tiges an sich hat­ten: Ich kam mir vor wie in ein­er anderen Welt, und auch die Mönche und ihr Lebensstil wirk­ten befrem­dend.Ähn­lich erg­ing es mir, als ich mich mit der heili­gen Gertrud von Helf­ta auseinan­derge­set­zt habe. Sie lebte im Hohen Mit­te­lal­ter und wirk­te auf mich wie aus ein­er anderen Welt. Und ehrlich gesagt fällt es mir schw­er, an viele ihrer Äusserun­gen oder sprach­lichen Bilder anzu­dock­en. Sie ver­suchte darin, Gott zu ergrün­den. Im Kern deutete sie ihn als «amor deus», als «Gott-Liebe», oder als «ama­tor», als «Liebe Haben­der».Für die gottes­di­en­stlichen Texte zu Gertruds Gedenk­tag wurde in meinen Augen ein sehr passendes Evan­geli­um aus­gewählt. In der Rede vom Wein­stock macht Jesus klar, worauf es im Glauben wirk­lich ankommt: Wir sollen fest in Gott ver­ankert sein. Wie eine Rebe mit dem Wein­stock ver­bun­den ist und von ihm seine Nahrung erhält, so sollen wir mit Gott ver­bun­den sein, damit wir Frucht brin­gen. Was damit gemeint ist, kommt in den nach­fol­gen­den Versen zum Aus­druck: «Dies ist mein Gebot: Liebt einan­der, so wie ich euch geliebt habe!» (Joh 15,12). Gertrud nen­nt Gott den «Liebe Haben­den». Wer also in Gott ver­wurzelt ist und von ihm gestärkt wirkt, wird als Frucht Gottes Liebe in die Welt tra­gen.Nun leben wir in Zeit­en, in denen von dieser Liebe nicht viel zu spüren ist. Es scheint, als wäre die Welt von einem bösen Zauber überdeckt. Kriege, Hass und Zer­störung verdeck­en das Gute. Auch die Kirche selb­st ist durch die Miss­bräuche und andere Skan­dale am Ende ihrer Kräfte und ver­mag die Botschaft des lieben­den Gottes nicht mehr glaub­würdig zu verkün­den. Was kön­nen wir als Glaubende unter solchen Umstän­den noch tun? Wie sollen wir uns ver­hal­ten?Wir müssen uns auf das Wesentliche besin­nen! Poli­tis­ch­er, auch kirchen­poli­tis­ch­er Aktion­is­mus, Ini­tia­tiv­en und Struk­tur­refor­men wer­den uns allein nicht wirk­lich weit­er­brin­gen, solange sie nicht aus ein­er geisti­gen Erneuerung und der Ver­wurzelung in Gott entsprin­gen. Wie die Rebe im Wein­stock grün­det, so sollen wir uns in Gott ver­ankern. Kür­zlich bekam ich vom Kirchen­musik­er Christoph Spen­gler ein Lied zugeschickt, welch­es diesen Gedanken umkehrt. Das ist trös­tend: «Lass mich nicht verzweifeln, wenn mein Glaube wankt, zieh mich zu dir, halt mich an dein­er Hand!» Wir kön­nen diese Krisen als glaubende Gemein­schaft nur über­winden, wenn wir mit Gott ver­bun­den sind und ihn bit­ten, dass er es sein möge, der uns zu sich zurück­führt, damit wir gute Frucht brin­gen. In eigen­er SacheMit diesem let­zten Beitrag ver­ab­schiede ich mich als Impul­sautor von meinen Leserin­nen und Lesern. Ich danke allen, die mich in den let­zten Jahren zum Schreiben ermutigt haben. Ich danke allen, die kri­tisch nachge­fragt und sich zum eige­nen Nach­denken haben anre­gen lassen oder die in ander­er Weise auf die Impulse reagiert haben. Ich wün­sche Ihnen allen viel Gutes und Gottes Segen!Math­ias Jäg­gi, The­ologe, Sozialar­beit­er und Beruf­ss­chullehrer
Regula Vogt-Kohler
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