Mit­ten im Leben

Mit­ten im Leben

Sprich­wör­ter 31,10.13.16.20.25–26Eine tüch­ti­ge Frau, wer fin­det sie? Sie über­trifft alle Per­len an Wert. Sie sorgt für Wol­le und Flachs und arbei­tet voll Lust mit ihren Händen. Sie über­legt … und kauft einen Acker, vom Ertrag ihrer Hän­de pflanzt sie einen Weinberg. Sie öff­net ihre Hand für den Bedürf­ti­gen und reicht ihre Hän­de dem Armen. Kraft und Wür­de sind ihr Gewand, sie spot­tet der dro­hen­den Zukunft. Sie öff­net ihren Mund in Weis­heit und Unter­wei­sung in Güte ist auf ihrer Zunge.Ein­heits­über­set­zung 2016 

Mit­ten im Leben

«Leben braucht Care», so lau­tet das The­ma des dies­jäh­ri­gen öku­me­ni­schen Frau­en­kir­chen­fe­stes Aar­gau. Was ist Care? Im Fly­er steht: «Es ist wie mit der Son­ne: Care spen­det nicht nur Licht und Wär­me, son­dern ist der Bezugs­punkt, um den sich alles dreht. Care geht uns alle an, ohne Care gibt es kei­ne Men­schen. Care ist Sor­ge, Für­sor­ge, sich küm­mern um das Leben und die Bedürf­nis­se von Men­schen.» Mei­stens ist die­se Arbeit unsicht­bar und unbe­zahlt.Als ich die­sen Fly­er in der Hand hielt, kam mir die Hei­li­ge Johan­na Fran­zis­ka von Chan­tal wie­der in den Sinn. Mich fas­zi­niert, dass ihr Leben der Sor­ge als allein­er­zie­hen­de Mut­ter um ihre gros­se Fami­lie – ihr Mann war früh gestor­ben – und dem Auf­bau des Ordens der Sale­sia­ne­rin­nen galt. Der Orden soll­te sich um das Leben vor allem jun­ger Frau­en küm­mern. Ihre Vor­stel­lung einer geist­li­chen Gemein­schaft war, ohne Klau­sur, aktiv und betend – mit­ten im Leben – enga­giert zu sein.In der dama­li­gen Zeit, vor rund 400 Jah­ren, war dies ihrer Zeit vor­aus. Meh­re­re reli­giö­se Frau­en stan­den damals für einen muti­gen, selbst­be­wuss­ten reli­giö­sen Auf­bruch wie Tere­sa von Ávila in Spa­ni­en und Mary Ward in Eng­land. Alle grün­de­ten trotz Wider­stands von­sei­ten der Kir­che Frau­en­or­den. So muss­te Johan­na Fran­zis­ka von Chan­tal mit der Unter­stüt­zung ihres geist­li­chen Beglei­ters, des Bischofs Franz von Sales, ihre damals moder­nen Ansich­ten der Zeit anpas­sen.Ihr boden­stän­di­ges Enga­ge­ment für die Fami­lie und den Auf­bau eines Frau­en­or­dens könn­te Anstoss geben, sich dem Leben zuzu­wen­den und sich hin­zu­ge­ben, eben Care zu leben. Zu beto­nen ist, dass sie bei­des mit­ein­an­der in Ein­klang brach­te: Das Dasein für ihre Kin­der und den Auf­bau eines Ordens. Die Ver­bin­dung von «ganz in der Welt sein» und einem geist­li­chen Weg kann ansteckend sein. So ist es nicht ver­wun­der­lich, dass Johan­na Fran­zis­ka von Chan­tal bei­spiels­wei­se für eine glück­li­che Geburt ange­ru­fen wur­de. Denn die­se Hei­li­ge leb­te ganz und gar, modern aus­ge­drückt, «Care».Sol­che Gestal­ten kön­nen Frau­en und Män­ner ermu­ti­gen, sich für das all­um­fas­sen­de Leben zu ent­schei­den, und zwar kon­kret. Die Ver­tei­di­gung der Satel­li­ten im Welt­all, der Kampf der Natio­nen um die näch­ste Mond­lan­dung, das Ent­wickeln der Künst­li­chen Intel­li­genz, die mei­ner Mei­nung nach zuneh­men­de Ver­ro­hung in der Gesell­schaft sind nicht alles. Die beäng­sti­gen­de welt­wei­te Kli­ma­er­wär­mung schreit zum Him­mel. Die Vor­stel­lung, dass die Ark­tis dahin­schmilzt und Men­schen in Indi­en nicht mehr ohne Tem­pe­ra­tu­ren über 50 Grad leben kön­nen, erschlägt uns, wenn wir uns einen Moment dar­auf ein­las­sen. Wel­che Welt hin­ter­las­sen wir?Care, Sor­ge, Für­sor­ge im besten Sinn, Zuwen­dung, Nach­hal­tig­keit und sich um das Leben küm­mern: Das ist der Ruf der Stun­de.Am Sonn­tag, an dem ich die­se Gedan­ken schrei­be, saugt die trocke­ne Erde den Regen auf. Sie atmet auf, die Tie­re trin­ken das kost­ba­re Gut, das Grün der Pflan­zen wird wie­der sicht­bar, die Men­schen atmen auf. Die Dank­bar­keit für all das spornt mich an, in mich zu gehen, zu dan­ken, zu bit­ten und ganz im Sin­ne der Hei­li­gen vor uns und mit uns – so glau­ben es die ortho­do­xen Chri­sten – sich dem Leben erneut zuzu­wen­den und es kon­kret zu hegen und zu pfle­gen.Anna-Marie Fürst, Theo­lo­gin, arbei­tet in der Gefäng­nis­seel­sor­ge und in der Seel­sor­ge für Men­schen mit Behin­de­rung in den Kan­to­nen Basel-Stadt und Zug. 
Redaktion Lichtblick
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