«Mei­ster der Weis­heit, woher kommt der Tod?»

«Mei­ster der Weis­heit, woher kommt der Tod?»

Weis­heit 1,13–15; 2,23–24Gott hat den Tod nicht gemacht und hat kei­ne Freu­de am Unter­gang der Leben­den. Zum Dasein hat er alles geschaffen, und heil­brin­gend sind die Geschöp­fe der Welt. Kein Gift des Ver­der­bens ist in ihnen, das Reich des Todes hat kei­ne Macht auf der Erde; denn die Gerech­tig­keit ist unsterblich. Gott hat den Men­schen zur Unver­gäng­lich­keit erschaffen und ihn zum Bild sei­nes eige­nen Wesens gemacht. Doch durch den Neid des Teu­fels kam der Tod in die Welt, und ihn erfah­ren alle, die ihm angehören.Ein­heits­über­set­zung 

«Mei­ster der Weis­heit, woher kommt der Tod?»

Wann soll­te man sich Gedan­ken über den Tod machen? Mit­ten im Som­mer könn­ten sol­che The­men stö­ren. Tra­di­tio­nell ist der Novem­ber für so etwas bes­ser geeig­net. Mit­ten im Som­mer des Lebens möch­te man wohl lie­ber über Genuss und Schön­heit nach­den­ken. Könn­te die Erin­ne­rung an das The­ma Ver­gäng­lich­keit nicht viel­leicht die Hei­ter­keit trü­ben wie ein Som­mer­ge­wit­ter den Bade­tag? Ver­mut­lich aber ist es zu spät, erst im Lebens­no­vem­ber an den Tod zu den­ken. Denn es geht dabei nicht nur um das Ende. Es geht viel­mehr um die Fra­ge, was im Leben zählt. Wenn man Ein­sicht und Glück hat, bleibt einem Zeit für gewis­se Kor­rek­tu­ren. Ver­su­chen wirs auf eine spie­le­ri­sche Wei­se.«Woher kommt der Tod?» Das ist die Fra­ge, die eini­ge Schü­ler an den gros­sen Mei­ster der Weis­heit her­an­ge­tra­gen haben – sagen wir nicht, weil sie zu faul waren, selbst zu den­ken, sagen wir, weil sie sei­ne Mei­nung zu schät­zen wuss­ten und ler­nen woll­ten. Und die­ser Mei­ster liess sich nicht lan­ge bit­ten und pro­vo­zier­te sei­ne Schü­ler hef­tig, auf dass sie sel­ber zu den­ken began­nen – hof­fent­lich: «Gott hat den Tod nicht gemacht, der Tod ist das Werk des Teu­fels!»Mit sei­ner pro­vo­zie­ren­den Mei­nung wagt sich der Mei­ster der Weis­heit ohne Angst in die Are­na des Den­kens, und es dau­ert nicht lan­ge, bis wider­spre­chen­de Gei­stes­kämp­fer auf­tau­chen. Da tritt der hl. Fran­zis­kus auf und sagt, es sei Unsinn, den Tod in die Sphä­re des Teu­fels zu schie­ben. Wenn er recht dar­über nach­den­ke, dann sei der Tod ein Teil des Lebens und des­halb eben von Gott gemacht. «Gelobt seist du, mein Herr, durch unse­re Schwe­ster, den leib­li­chen Tod; ihm kann kein Mensch lebend ent­rin­nen.» Und Unter­stüt­zung erhält er durch den Psal­mi­sten, den auch Joseph Haydn in sei­nem Werk «Die Schöp­fung» zitiert (Ps 104,29): «Ver­birgst du dein Gesicht, so sind sie ver­stört, nimmst du ihnen den Atem, so schwin­den sie hin und keh­ren zurück zum Staub der Erde.» Aber natür­lich kann sich der Weis­heits­leh­rer auf den bibli­schen Schöp­fungs­be­richt abstüt­zen, der min­de­stens das Wis­sen um den Tod als Fol­ge der Sün­de bezeich­net.Schon lan­ge sind auch die Quer­den­ker im Spiel, die behaup­ten, das Leben erhal­te sei­nen Wert erst durch die End­lich­keit, also den Tod, ja indi­vi­du­el­les Leben wür­de über­haupt erst durch die Sterb­lich­keit ermög­licht. So geht der phi­lo­so­phi­sche Dis­kurs wei­ter – und bleibt den­noch theo­re­tisch und fol­gen­los. Ich rate uns, die Ebe­ne zu wech­seln und von den Aus­wir­kun­gen her unser Ver­ständ­nis von Tod zu über­den­ken: Der Tod am Ende eines erfüll­ten Lebens ist etwas grund­sätz­lich ande­res als der Tod auf dem Schlacht­feld, im Dür­re­ge­biet, im Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger. Die­ser schlim­me Tod ist men­schen­ge­macht und sün­den­ge­steu­ert. Der Weis­heits­leh­rer könn­te Recht haben, wenn er ihn auf das Werk Dia­bo­los, des Teu­fels, der alle Ord­nung durch­ein­an­der bringt, zurück­führt. Wo Men­schen und ande­re Krea­tu­ren ent­wer­tet wer­den, nur noch Kosten­fak­to­ren, Roh­stof­fe oder ver­nach­läs­sig­ba­re Kol­la­te­ral­schä­den einer ge­fräs­­sigen Wirt­schaft sind, da gehört der Tod bekämpft, der mit gefühl­lo­ser Grau­sam­keit die Ord­nung Got­tes zer­stört. Das nen­nen wir Sün­de.An die­sem Punkt bekommt der Ruf des Weis­heits­leh­rers aktu­el­le und jede/n von uns per­sön­lich betref­fen­de Kon­se­quenz. Immer wie­der, offen oder ver­deckt, wer­den auch wir harm­lo­se Men­schen, die ohne Krieg und Aus­beu­tung aus­kom­men möch­ten, vor die Fra­ge gestellt, ob wir uns wir­kungs­voll auf die Sei­te des Lebens stel­len wol­len, Par­tei ergrei­fen gegen Unrecht und Miss­brauch, oder ob wir lie­ber unse­re Augen zuma­chen, den klein­sten Preis, unse­re Ruhe und unse­re Pri­vi­le­gi­en suchen.Fazit unse­res Nach­den­kens: Es könn­te gut sein, dass wir unse­ren eige­nen Tod nicht akzep­tie­ren, dafür aber den Tod des (oft unsicht­ba­ren) Mit­men­schen geschlos­se­nen Auges in Kauf neh­men. Erst die Lie­be zum Leben in all sei­nen For­men macht den Tod akzep­ta­bel, den eige­nen wohl­ge­merkt.Lud­wig Hes­se, Theologe, Autor und Teilzeitschreiner, war bis zu sei­ner Pensionierung Spi­tal­seel­sor­ger im Kan­ton Baselland
Redaktion Lichtblick
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