Zar­tes Rufen mit star­ker Friedensbotschaft

Zar­tes Rufen mit star­ker Friedensbotschaft

Buch Nume­ri 6,22–27Der HERR sprach zu Mose: Sag zu Aaron und sei­nen Söh­nen: So sollt ihr die Israe­li­ten seg­nen; sprecht zu ihnen: Der HERR seg­ne dich und behü­te dich. Der HERR las­se sein Ange­sicht über dich leuch­ten und sei dir gnä­dig. Der HERR wen­de sein Ange­sicht dir zu und schen­ke dir Frie­den. So sol­len sie mei­nen Namen auf die Israe­li­ten legen und ich wer­de sie segnen.Ein­heits­über­set­zung 2016 

Zar­tes Rufen mit star­ker Friedensbotschaft

Ist es ein Ruf? Oder ein Kla­gen? Oder möch­te das ein­sa­me Plau­dern die­ses Vogels mit­ten im Win­ter und im Dun­keln des lang­sam anbre­chen­den Mor­gens ein­fach sin­gend da sein? Heu­te in der Frü­he habe ich es auch wie­der gehört. Es ist ein Rot­kehl­chen. Es weckt mich auf, aber es ist mehr als das.  Es ist für mich ein tief­grei­fen­de­res Erwa­chen, viel mehr als ein Auf­wa­chen nach einem Schlaf.Der Öster­rei­cher Chri­stoph Rans­mayr schreibt in sei­ner Erzäh­lung «Revier­ge­sang»* etwas Ähn­li­ches. Jeden­falls erin­ner­te ich mich an jene Lek­tü­re im Herbst. Er begeg­ne­te im Win­ter auf einer lan­gen Wan­de­rung ent­lang der Gros­sen Mau­er in der Volks­re­pu­blik Chi­na einem wali­si­schen Vogel­for­scher, der den Vögeln mit­ten im Win­ter nach­ging. «Schnee­still» sei es gewe­sen. Welch’ wun­der­ba­res Wort! Sie hör­ten an einem Mor­gen, in der Ein­sam­keit, aus den Baum­wip­feln nahe den macht­vol­len ehe­ma­li­gen Wehr­tür­men, einen Vogel­ge­sang. «Das könn­te eine Rot­kehl­dros­sel oder aber eine chi­ne­si­sche Amsel sein», mein­te der Vogel­for­scher. Der Autor schrieb: “Ein Herbst­vo­gel muss­te nie­man­dem mehr gross impo­nie­ren. Der sang, wenn er denn sang, mehr für sich als für oder gegen irgend­je­mand ande­ren.” Das kam mir wie­der in den Sinn, als ich heu­te in der Frü­he das Sin­gen des Rot­kehl­chens hör­te.Und doch ist es für mich ein Rufen, ein lei­ses, zar­tes, gera­de­zu flü­stern­des Rufen, eine Ein­la­dung mit­ten im Macht- und Impo­nier­ge­ha­be der Men­schen und ihren Insti­tu­tio­nen mit allen Aus­wüch­sen: Es gibt noch mehr als all dies. Es gibt in uns eine zar­te Ein­la­dung und einen Zuspruch, den wir so sehr brau­chen: Shalom cha­ver­im, Frie­den bis zum näch­sten Mal und immer wie­der. Die klei­ne Rot­kehl­chen­keh­le singt es vor, vor­be­halt­los, gra­tis, ohne sich bewei­sen zu müs­sen, in den dunk­len, kal­ten und unwirt­li­chen Win­ter­mor­gen und erst recht in den Neu­jahrs­mor­gen hin­ein.Und die Lese­ord­nung des ersten Tages des neu­en Jah­res spricht Licht und Segen in unse­re Erschüt­te­run­gen Ver­un­si­che­run­gen und Fra­gen hin­ein. Sie ent­stammt der hebräi­schen Bibel. 
Der HERR seg­ne dich und behü­te dich.
Der HERR las­se sein Ange­sicht über dich leuch­ten und sei dir gnädig.
Der HERR wen­de sein Ange­sicht dir zu und schen­ke dir Frie­den. (Nume­ri 6,24–26)
 Die­ser Segen über jedes Leben steht für Got­tes Lang­mut, sei­ne Nähe und Zuwen­dung, für ein Leben in Frie­den, für Zufrie­den­heit und Unver­sehrt­heit. Der Segen ist und bleibt bedin­gungs­los und unver­brüch­lich. Wie sehr wün­schen es sich die Men­schen hier und dort und wir ver­su­chend, nach vor­ne tastend und den Mut fin­dend, mehr Mensch zu wer­den.Anna-Marie Fürst, Theo­lo­gin, lang­jäh­ri­ge Gefäng­nis­seel­sor­ge­rin, Seel­sor­ge­rin im Pasto­ral­raum Gösgen * in Atlas eines ängst­li­chen Man­nes, Fischer Ver­lag 2012; (26) Moments Musi­caux #11 | Chri­stoph Rans­mayr & Peter Ros­ma­nith — YouTube
Leonie Wollensack
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