«Die Leute bei ihren Schmerzpunkten abholen»
- KatholisÂche GottesÂdiÂenÂste wirkÂten «verÂstaubt», war in einem Beitrag der HorÂiÂzonte-PrintÂausÂgabe Nr. 3/4 vom 5. JanÂuÂar zu lesen. Diese AusÂsage führte zu teilÂweise heftiÂgen ReakÂtioÂnen von SeitÂen der LeserÂschaft.
- In der heutiÂgen AusÂgabe, Nr. 7/8, geht HorÂiÂzonte der Frage nach, ob die GottesÂdiÂenÂste im AarÂgau wirkÂlich «verÂstaubt» wirken und was man gegen diesen EinÂdruck tun kann.
- Da das gesprochÂene Wort einen wesentlichen Teil jedes GottesÂdiÂenÂstes ausÂmacht, fragte HorÂiÂzonte beim TheÂoloÂgen und Sprecherzieher DGSS Markus Wentink nach, worauf PrediÂger achtÂen müssen, wenn sie ihre ZuhörÂer packÂen wollen.
Obwohl Markus Wentink mit seinÂer sonoren, tiefen Stimme der geborene SprechÂer ist, hört er erst einÂmal nur zu. Er will zuerst sein Gegenüber erfassen, dessen Bedürfnisse erkenÂnen und die FraÂgen verÂsteÂhen. Dann erst gibt er Antwort. Seine Sätze forÂmuliert der 1967 in den NiederÂlanÂden geborene SprechÂprofi in perÂfekÂtem Deutsch und absoÂlut druckÂreif. Kein WunÂder, denn gleÂich nach der MatuÂra trat Markus Wentink mit 20 Jahren in den DominikanerorÂden ein und erhielt dort, im InstiÂtut für Rhetorik und Homiletik in WalÂberÂberg (D), seine erste rhetorische AusÂbilÂdung. Es folÂgten das TheÂoloÂgiÂesÂtudiÂum an der UniÂverÂsität Bonn (1988 — 1996) und die erste AnstelÂlung in der Schweiz als SeelÂsorgÂer in der KirchgeÂmeinde Sils-SilÂvaÂplana-MalÂoÂja.
«Wir haben einen sprecherischen Beruf»
Der sprachÂbegeisÂterte TheÂologe grünÂdete die «Offene Kirche Sils», liess sich in WisÂlikofen zum BibÂlioÂdraÂmaleitÂer ausÂbilden und wurde, nach seinÂer DiakoÂnenÂweiÂhe in Chur, erst GemeinÂdeleitÂer in LangÂnau-GatÂtikon und dann in BinÂninÂgen. Von 2016 bis 2019 absolvierte er den MasÂterÂstuÂdiÂenÂgang «Speech ComÂmuÂniÂcaÂtion and Rhetorics» an der UniÂverÂsität RegensÂburg und darf sich heute «Sprecherzieher DGSS (Deutsche Gesellschaft für SprechÂwisÂsenschaft und Sprecherziehung) mit SchwÂerÂpunkt ästhetisÂches Sprechen» nenÂnen. Als solchÂer bietet er seit 2018 seine Kurse und CoachÂings bei der FachÂstelle BilÂdung und PropÂstei der Römisch-KatholisÂchen Kirche im AarÂgau an (siehe unten).«Wir haben einen sprecherischen Beruf», antwortet Markus Wentink auf die Frage, wie TheÂoloÂgen ihre ZuhörÂer fesÂseln könÂnen. «ArisÂtoteÂles definierte die Rede noch als <die KunÂst, Glauben zu erweckÂen>. Aber seit Elmar Bartsch, dem BegrünÂder der sogeÂnanÂnten koopÂerÂaÂtivÂen Rhetorik, hält man eine Rede aus einÂer GesprächshalÂtung herÂaus. Das heisst, man arbeitÂet als RedÂner oder PrediÂger mit seinen ZuhörÂern zusamÂmen, man macht den Inhalt der Rede zur gemeinÂsamen Sache. Dabei ist ganz wichtig: eine Predigt ist kein ReferÂat!»
«Mehr Verben, einfache Sätze»
Für eine packÂende Predigt sei es unabÂdÂingÂbar, sich in die Leute hineinzuÂverÂsetÂzen, vor denen man rede, sagt Markus Wentink. «Dieser Hörerbezug ist das A und O einÂer erfolÂgreÂichen Rede. Dabei hilÂft es, den ZielÂsatz, auf den ich hinarÂbeite, umzuÂforÂmulieren in eine Frage meinÂer ZuhörÂer. Das kann man lerÂnen, wenn man die Reden von Jesus studiert. Er hat genau das gemacht. Jesus ist unser bester RhetorikÂer.» AusserÂdem müsse ein SprechÂer «von Kopf bis Fuss auf KomÂmuÂnikaÂtion eingestellt» sein, ergänzt Markus Wentink. «Das ist eine HalÂtung, die sich in meinÂer Stimme und dem ganzen KörÂpÂer ausÂdrückt. So kommt es zu einÂer komÂmuÂnikaÂtivÂen BegegÂnung. Man muss die Leute bei ihren SchmerzpunkÂten abholen.»Eine solche komÂmuÂnikaÂtive BegegÂnung mit den ZuhörÂern sei aber nur möglich, wenn man frei spreche, «denn das ermöglicht mir, mit den Leuten in KonÂtakt zu sein», erkÂlärt der Sprecherzieher. «Das freie Sprechen kann man trainieren. Mehr VerÂben, einÂfache Sätze und eine bildÂhafte Sprache, die EmoÂtioÂnen erzeugt, darum geht es. Vor allem muss man den typÂisÂchen KirchenÂsprech verÂmeiÂden. Es gibt so AusÂdrücke wie zum Beispiel <einÂladen>, <ganzheitlich> oder <achtÂsam>. Damit wird alles so perÂsilÂweÂich, furchtÂbar! Lesen Sie dazu mal das Buch von Erik Flügge: Der JarÂgon der BetrofÂfenÂheit – Wie die Kirche an ihrer Sprache verÂreckt. Dem kann man nur entÂgeÂhen, wenn man weiss, wen man vor sich hat, wie die Leute tickÂen. Daran muss ich meine Sprache ausÂrichtÂen. Diese AufÂgabe wird allerdÂings immer anspruchsvoller, denn unsere Gesellschaft wird immer vielschichtiger.»
«Keine infantilen Geschichten oder Moral»
Viele PrediÂger hätÂten das Gefühl, besonÂders perÂsönÂlich zu sein, wenn sie von sich selÂber erzählten, weiss Markus Wentink, «aber perÂsönÂlich bin ich, wenn ich die Leute anschaue, nicht, wenn ich von mir erzähÂle. GeschichtÂen und Bilder aus dem ErfahrungÂsumÂfeld meinÂer ZuhörÂer, die weckÂen EmoÂtioÂnen. Es braucht dazu keine infanÂtilen GeschichtÂen oder Moral. Eine Predigt bleibt haften, wenn ich sie frei halte, dabei authenÂtisch bin, GefühÂle herÂvorÂrufe und einen guten Erzählstil pflege. So schaffe ich einen Bezug zu meinen ZuhörÂern.»Wer mehr über die Geheimnisse des erfolÂgreÂichen öffentlichen Redens erfahren will, kann sich über die Kurse von Markus Wentink auf der
WebÂsite der PropÂstei WisÂlikofen informieren. Der nächÂste Kurs «ÜberzeuÂgend und lebendig präsenÂtieren» findÂet bereÂits am 8. FebÂruÂar statt. Anmelden dazu kann man sich
hier. Wer sich mehr für den Kurs vom 29. FebÂruÂar, unter dem Titel «Mit PerÂsönÂlichkeit überzeuÂgend komÂmuÂnizieren» interÂessiert, kann sich
hier anmelden. Die ÜberÂsicht über das ganze KurÂsangeÂbot der Römisch-KatholisÂchen Kirche im AarÂgau findÂet sich auf deren
WebÂsite.