Leben, Tod und die Organspende

Leben, Tod und die Organspende

  • Das Forum Kirche und Wirtschaft der Katholis­chen Kirche Zug lud am Sam­stag, 17. April, zur Diskus­sion über die Organspende ein.
  • Fach­leute ver­tieften die ethis­chen Fra­gen rund um Leben, Tod, Kör­p­er und Seele.

«Herz im Tausch gegen Niere» – so ein­fach geht das in der Spi­tal­wirk­lichkeit bei Organspenden natür­lich nicht. Herz gegen Niere ist aber mehr als ein Gedanken­spiel. Frank Math­wig, Pro­fes­sor für Ethik an der Uni­ver­sität Bern und Mit­glied der Nationalen Ethikkom­mis­sion, ruft zum Per­spek­tivwech­sel auf: «Was wäre, wenn ich mor­gen ein Herz oder eine Niere brauchen würde.» Auch Franz Immer, Direk­tor der Stiftung Swis­strans­plant, weist darauf hin: «Wir alle kön­nen auf der Warteliste für ein Organ lan­den.» 

Missverhältnis zwischen Spendebereitschaft und gespendeten Organen

Dazu Zahlen zur Organspende in der Schweiz: Auf der Warteliste für ein Organ standen im Jahre 2020 ins­ge­samt 1’457 Per­so­n­en, Trans­plan­ta­tio­nen wur­den 519 vorgenom­men. Auf eine Mil­lion Ver­stor­bene kom­men 20 Per­so­n­en, die ein Organ zur Ver­fü­gung stellen. Diese tiefe Zahl ste­ht in einem Missver­hält­nis zur Bere­itschaft zu ein­er Organspende, wie sie in Umfra­gen erhoben wird. 

Format «wichtig und richtig»

Das Forum Kirche und Wirtschaft der Katholis­chen Kirche Zug hat zusam­men mit der Katholis­chen Arbei­t­erin­nen- und Arbeit­er­be­we­gung der Schweiz KAB und dem Insti­tut für Sozialethik ethik22 das For­mat «wichtig und richtig» geschaf­fen. Es bietet Grund­la­gen und sozialethis­che Ori­en­tierung und ver­mit­telt so Hin­ter­grund­wis­sen zu gesellschaftlichen The­men.

Wer entscheidet über meine Organe?

Es sind ver­schieden­ste Per­spek­tiv­en auf das The­ma möglich. Zuerst ein­mal geht es um die Frage des Todes: Wann ist ein Men­sch tot, und damit ver­bun­den die Frage, wann dür­fen Organe ent­nom­men wer­den? Die Antwort fällt nicht ein­fach aus; die men­schliche Hülle des Kör­pers zer­fällt mit dem Tod, ver­schwindet damit aber auch die Seele? Hans Niggeli, The­ologe und Klinikseel­sorg­er im Kan­ton Aar­gau, for­muliert es so: «In den Orga­nen ist das bish­erige Leben mit all seinen Erfahrun­gen gespe­ichert.» Lebe ich also bei ein­er Organspende in ein­er anderen Per­son weit­er?

Für Frank Math­wig bedeutet daher, über den Tod nach­denken, immer auch übers Leben nach­denken. Als The­ologe und Ethik­er ist ihm der Schutz der Per­sön­lichkeit, also das Grun­drecht auf kör­per­liche Integrität ganz wichtig. Er braucht dazu das Bild der Haut, die Gren­ze zwis­chen der einzel­nen Per­son und der Aussen­welt. Der Staat habe keinen willkür­lichen Zugriff auf den Men­schen, von aussen auf das Innere des Men­schen. Auf der anderen Seite hat der Men­sch die Möglichkeit sich nach aussen zu öff­nen. Sol­i­dar­ität von Men­sch zu Men­sch sei immer frei­willig und könne nicht vom Geset­zge­ber erzwun­gen wer­den.

Kein Recht auf ein fremdes Organ

Auch wenn gemäss Sta­tis­tik von 1’457 Per­so­n­en auf der Warteliste deren 72 während dieser Zeit des Wartens ver­stor­ben sind, betont auch Corine Mou­ton Dorey, Pro­fes­sorin für Bio­medi­zin an der Uni­ver­sität Zürich, die Frei­willigkeit der Spende: «Es gibt keinen Recht­sanspruch, ein Organ zu erhal­ten.» Frank Math­wig plädiert daher für mehr Infor­ma­tion zu Organspenden: «Wir alle sollen ein Bewusst­sein für die Not von Men­schen entwick­eln, die auf ein Organ angewiesen sind.» Dazu gehöre ins­beson­dere, dass die mod­erne Medi­zin, ins­beson­dere die Trans­plan­ta­tion­s­medi­zin, in der Bevölkerung noch stärk­er Ver­trauen schaffe.

Der Direk­tor von Swis­strans­plant, Franz Immer, wider­spricht nicht, er ver­weist aber auf die klaren Regelun­gen in der Schweiz­er Ärzteschaft sowie die sorgsame Prax­is in den Inten­sivs­ta­tio­nen und die Gespräche mit Ange­höri­gen. «Die Ärztin­nen und Ärzte wis­sen, es geht bei uns immer um Tod und Leben.»

Marie-Christine Andres Schürch
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